Aktualisiert am 20.10.2016 | Schneeweiße Eisberge, kristallklare Gewässer, glückliche Pinguine: Auf den Bildern der Verpackungen von Krillölkapseln ist die Welt der Antarktis noch in Ordnung. Doch Landschaft und Fauna am südlichsten Punkt der Erde sind schon lange nicht mehr so ungetrübt.
Der Klimawandel sorgt dafür, dass die Eismassen, vor allem auf der westlichen Halbinsel, zurückgehen. Umweltschützer blicken mit Sorge auf das empfindliche ökologische Gleichgewicht. Bedroht sind nicht nur Wale, Robben und Pinguine, sondern auch das wichtigste Glied in der Nahrungskette der Antarktis: der Krill.
Ob die Bestände an Krill stabil sind oder schwinden, ist derzeit nicht eindeutig geklärt. So kritisiert etwa die zum Schutz der Antarktis gegründete Organisation ASOC (Antarctic and Southern Ocean Coalition), dass es seit dem Jahr 2000 keine valide Erhebung mehr gegeben habe. Meeresbiologen des Alfred-Wegener-Instituts, die mit dem Forschungsschiff Polarstern in der Antarktis unterwegs waren, sehen eine Abnahme.
Krill als lukratives Geschäft
Fischfarmen sind zwar die Hauptabnehmer von Krill. Doch zunehmend ist er wegen seiner hohen Gehalte an den Omega-3-Fettsäuren EPA (Eicosapentaensäure) und DHA (Docosahexaensäure) auch für andere Industriezweige ein sehr lukratives Geschäft. Auf dem Markt erhalten Fischer dafür mehr als für die zu Fischfutter verarbeiteten Krebskörper. Rund zehn Prozent des gefangenen Krills wird derzeit schon zu Öl verarbeitet.
Setzten Produzenten von Nahrungsergänzungsmitteln in der Vergangenheit auf Fischöl, ist nun Krillöl angesagt. Sie locken mit der Behauptung, Mitteleuropäer würden über ihre Ernährung zu wenig Omega-3-Fettsäuren aufnehmen, denn EPA und DHA sind vor allem in Meerestieren enthalten.
Krill- und Algenölkapseln im Test
ÖKO-TEST hat neun Krillölprodukte eingekauft, um dem neuen Trend auf den Zahn zu fühlen. Hinzu kamen zwei Nahrungsergänzungsmittel mit Öl von Mikroalgen, die als vegetarische/vegane Alternative angeboten werden. Wir ließen die elf Produkte in Laboren auf ihre Inhaltsstoffe analysieren und nahmen die Aussagen der Hersteller zu Gesundheit und Ökologie unter die Lupe.
Das Testergebnis: Mehr als die Hälfte der Produkte ist "mangelhaft" oder "ungenügend", kein einziges schneidet besser als "befriedigend" ab. Notenabzug gab es für alle elf getesteten Nahrungsergänzungsmittel, da kein Nutzen für den gesunden Verbraucher erkennbar ist. Der Bedarf an den Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA kann auch in hiesigen Breiten durch eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung gedeckt werden.
Kritik an Versprechen auf den Verpackungen
"Für eine herzgesunde Ernährung", "unterstützt die gesunde Funktion des Herzens". Solche Versprechen finden sich auf den Packungen. Klingt gut, geht uns aber zu weit.
Die 2006 in Kraft getretene EU-Health-Claims-Verordnung lässt für die Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA nur eingeschränkte gesundheitsbezogene Angaben zu. Erlaubt ist die Aussage "EPA und DHA tragen zu einer normalen Herzfunktion bei" sowie "DHA trägt zur Erhaltung einer normalen Gehirnfunktion bei" (beziehungsweise "einer normalen Sehkraft").
Zwischen "normal" und "gesund" ist aber ein Unterschied, weshalb wir für Hinweise auf die Gesundheit Minuspunkte vergeben. Auffällig: Anbieter von Krillölen neigen eher zu großen Tönen - die getesteten Algenöle fielen nicht mit zweifelhaften Auslobungen zu Gesundheitsversprechen auf. Immerhin: Die auf den Verpackungen deklarierten EPA- und DHA-Gehalte konnten per Analyse bestätigt werden.
Verpflichtende Kennzeichnungen
Für Nahrungsergänzungsmittel gibt es bestimmte verpflichtende Kennzeichnungen. Laut Verordnung muss auf jeden Fall der Warnhinweis aufgedruckt sein, dass die "angegebene empfohlene tägliche Verzehrmenge nicht überschritten werden darf". Fehlt diese Kennzeichnung, werten wir ab.
Genauso bei weiteren, die Tagesdosis betreffende Deklarationsmängeln. Etwa wenn der Anbieter rät, die empfohlene Verzehrmenge auch mal zu überschreiten, um eine Wirkung auf andere Körperfunktionen zu erzielen. Um zu einer normalen Herzfunktion beizutragen und dies dann auch ausloben zu dürfen, muss laut EU-Verordnung eine Tagesportion mindestens 250 Milligramm EPA und/oder DHA liefern. Drei Produkte tun dies nicht, tragen den Health Claim also zu unrecht.
Fragwürdige Aussagen zur Ökologie
"Aus den kristallklaren und reinen Gewässern der Antarktis ... daher keine Umweltbelastungen und 100-%-ige Reinheit des Öls": Auslobungen wie diese, die wir auf Packungen und Beipackzetteln fanden, lässt ÖKO-TEST nicht durchgehen. Das Südpolarmeer ist zwar vergleichsweise sauber, aber es ist nicht unbelastet. Und es ist gefährdet: Zum Schutz der antarktischen Gewässer werden internationale Programme aufgelegt.
Die 25 Mitgliedsstaaten der CCAMLR (Commission for the Conversation of Antarctic Marine Living Resources) ringen darum, dass es nicht zu Überfischungen kommt, insbesondere auch des für die Nahrungskette so wichtigen Krills. Zudem sollten die "riesigen Vorkommen", auf die sich manch Anbieter beruft, kein Freifahrtschein sein, die Bestände abzuschöpfen. Für fragwürdige Aussagen zur Ökologie gibt es Minuspunkte.
Auf die vegetarische/vegane Alternative der Algenöle trifft das alles nicht zu. Die dafür verwendeten Mikroalgen werden gar nicht aus dem Meer gewonnen, sondern in der Regel in Behältern mit künstlichem Meerwasser kultiviert.
Krill- und Algenölkapseln: Was ist sonst aufgefallen?
- Einem Drittel der Produkte sind Aromen zugesetzt. Diese Zusatzstoffe haben in keinem Lebensmittel etwas zu suchen, in Nahrungsergänzungsmitteln sind sie aber völlig unnötig. Denn die Kapseln werden in einem Stück heruntergeschluckt.
- Die von uns beauftragten Labore fanden in den Krill- und Algenkapselölen nur sehr geringe Spuren an Schwermetallen und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen.
Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin 10/2015 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2017 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
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