Macht Cola Krebs?" So oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen, nachdem der US-Bundesstaat Kalifornien 4-MEI auf eine Liste mit krebserregenden Stoffen setzte. 4-MEI ist die Abkürzung für 4-Methylimidazol - ein Imidazol und Nebenprodukt von der Lebensmittelfarbe Zuckerkulör, die unter anderem Cola braun färbt. Im Frühjahr 2011 war 4-MEI in einer Rattenstudie unter Krebsverdacht geraten, woraufhin die kalifornische Gesundheitsbehörde OEHHA den Stoff als krebserregend einstufte und einen strengen Warnwert festlegte. Seither müssen Produkte, die diesen Wert nicht einhalten, in Kalifornien einen Warnhinweis tragen. Anders als in dem US-Bundesstaat, wo Unternehmen wie Coca-Cola ihre Produkte an die gesetzliche Vorschrift angepasst haben, ist in Europa nicht viel geschehen. Warum auch? Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) beurteilt den Verzehr von Produkten, die mit Zuckerkulör gefärbt sind, als gesundheitlich unbedenklich, wenn ein Schwellenwert nicht überschritten wird.
Dabei ist die Diskrepanz zwischen dem kalifornischen Warnwert und dem von der EFSA als sicher erachteten Aufnahmewert enorm. So ziehen die Kalifornier bereits bei mehr als 29 Mikrogramm (µg) 4-MEI am Tag die Grenze, während der Wert in Europa über 1.500 Mal so hoch ist. Den Toxikologen von der Universität Kiel, Dr. Hermann Kruse, wundert das nicht. "Die EFSA ist wesentlich unkritischer bei der Risikobewertung von Zuckerkulör vorgegangen", sagt er. Das sei typisch für den europäischen Raum. "In den USA herrscht ein ganz anderer Vorsorgegedanke vor", so Kruse.
Mehr oder weniger gute Gründe für ihre Einschätzungen liefern beide Parteien: Die Kalifornier deuten die in den Tierstudien hervorgerufenen Geschwüre als Beweis für die krebserregende Wirkung von 4-MEI. Die EFSA beruft sich hingegen darauf, dass keine Veränderungen des Erbgutes beobachtet wurden, sodass ein Schwellenwert festgelegt werden könne. Unterhalb dieses Wertes bliebe eine 4-MEI-Aufnahme ohne gesundheitliche Folgen.
Unklar ist zudem, wie der Stoff genau wirkt. "Aber auch wenn es keinen Nachweis für eine krebserregende Wirkung beim Menschern gibt", sagt der Toxikologe Kruse, "so besteht doch ein Verdacht aufgrund von Tierexperimenten."
Fakt ist, bei den Imidazolen in Zuckerkulör handelt es sich um schädliche Substanzen, deren Aufnahme allein aus Vorsorgegründen so niedrig wie möglich sein sollte - egal ob sich 4-MEI am Ende als ein bisschen oder stark krebserregend erweisen sollte.
Warum Hersteller, die Zuckerkulör verarbeiten, dies offensichtlich nicht so sehen und sich stattdessen auf die Seite der EFSA schlagen, kann man sich vorstellen. Im Verlaufe unseres Tests zeigte sich lediglich die Lakritzbranche verantwortungsbewusster. So merkte der Schweizer Hersteller Ricola an, schon bei der Produktentwicklung auf die Vermeidung der schädlichen Substanzen zu achten. Die Firma Dr. Soldan, die unter anderem Salmiakpastillen produzi...