Sitzsäcke für Kinder im Test: Viele Produkte enthalten bedenkliche Inhaltsstoffe

Jahrbuch Kleinkinder 2015 | | Kategorie: Kinder und Familie | 09.01.2015

Die Mehrzahl der Sitzsäcke für Kinder ist in unserem Test durchgefallen.
Foto: Always Say/Shutterstock

Nicht steif auf dem Stuhl sitzen, sondern sich bequem auf dem frei verformbaren Sack zurücklehnen: Das ist Entspannung pur für die Großen und eher eine Art Herumtoben für die Kleinen. Trendy ist er, der Sitzsack. In unserem Test schnitten fast alle Sitzsäcke schlecht ab. 

Aktualisiert am 09.01.2015 | Drei italienische Architekten und Designer - Piero Gatti, Cesare Paolini und Franco Teodoro - wollten den Zeitgeist der 60er-Jahre einfangen und ein Sitzmöbel schaffen, das sich dem menschlichen Körper anpasst, das unkonventionelle Positionen erlaubt.

Die Designer experimentierten mit verschiedenen Füllmaterialien, bis sie die kleinen Styroporkügelchen entdeckten, die den Sitzsack zu dem werden ließen, was sie sich vorgestellt hatten: verformbar, leicht und mobil.

Füllungen von Sitzsäcken können Problemstoffe enthalten

Doch Polystyrol wird durch Polymerisation von Styrol hergestellt. Im fertigen Polystyrol sollte möglichst kein reines Styrol mehr vorhanden sein. Das hängt von der Produktion und einer Nachbehandlung durch Entgasen ab. Denn Styrol ist gesundheitlich bedenklich, wenn man es einatmet.

Im Rahmen der europäischen Chemikalienverordnung Reach wurde der Stoff neu bewertet. Danach kann er vermutlich das Kind im Mutterleib schädigen, außerdem können Schäden an Hörorganen auftreten. Ausgasendes Styrol reizt zudem Augen und Haut. Die vorliegenden Daten waren jedoch nicht ausreichend, um einen Krebsverdacht zu bestätigen.

Sitzsäcke sind bequem und vielseitig nutzbar.
Sitzsäcke sind bequem und vielseitig nutzbar. (Foto: Pixel-Shot/Shutterstock)

Eingesetztes Flammschutzmittel wird zukünftig verboten

Da Polystyrol brennbar ist, muss der Schaumstoff bei Dämmstoffen mit Flammschutzmitteln ausgerüstet werden, um die gesetzlichen Mindestanforderungen zu erfüllen. Zum Einsatz kommt bisher das äußerst problematische bromierte Flammschutzmittel Hexabromcyclododecan, kurz HBCD. Unter Reach wurde der Stoff 2008 als besonders besorgniserregend eingestuft, weil er persistent, bioakkumulierend und toxisch (kurz: PBT) ist, das heißt besonders gefährlich für die Umwelt, in der er sich dauerhaft anreichert.

Im Mai 2013 wurde HBCD durch die UN-Chemikalienkonferenz in die Stockholmer Konvention für persistente organische Schadstoffe (POPs) aufgenommen. Ein weltweites Verbot tritt damit nach einer einjährigen Übergangszeit 2014 in Kraft, wahrscheinlich im September. HBCD ist ein langlebiges Umweltgift, das sich im Menschen und anderen Organismen anreichert. Es steht zudem im Verdacht, fortpflanzungsschädlich zu sein.

Sitzsäcke für Kinder im Test: Mehrzahl fällt durch

Wir schickten neun Sitzsäcke für Kinder in die Labore und ließen sowohl die Polystyrolfüllung als auch den Bezug prüfen. Das Ergebnis: Die meisten Produkte fallen mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch den Test. Nur ein Sitzsack ist "befriedigend". Zwei weitere Sitzsäcke sind noch "ausreichend". Meist liegt das an der Polystyrolfüllung, die eben doch nicht ohne ist. Völlig indiskutabel sind vier Sitzsäcke, deren Bezug mit Schadstoffen gespickt ist.

Im Bezug eines Produktes wurde das krebsverdächtige Anilin, ein aromatisches Amin, nachgewiesen, das zwar nicht verboten, aber dennoch krebsverdächtig ist. Zudem steckte in dem Bezug allergieauslösendes Formaldehyd.

Sitzsäcke für Kinder gibt es in vielen verschiedenen Formen und Farben.
Sitzsäcke für Kinder gibt es in vielen verschiedenen Formen und Farben. (Foto: Ljupco Smokovski/Shutterstock)

Zwei Sitzsäcke im Test enthalten Weichmacher

Zwei Sitzsäcke sind mit PVC beschichtet. In beiden wurden hohe Gehalte an Phthalaten nachgewiesen, die in Spielzeug und Babyartikeln verboten sind; Sitzsäcke fallen nicht unter diese Regelung. Diese Weichmacher stehen unter begründetem Verdacht, wie ein Hormon zu wirken. Beide Produkte enthalten zudem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), eine Gruppe von Verbindungen, von denen einige krebserregend sind. Eines der beiden Produkte ist auch noch mit dem hormonell wirkenden Dibutylzinn belastet.

Ein weiterer Sitzsack gibt deutlich messbare Mengen an Styrol an die Raumluft ab, was eventuell auch zu riechen ist. Doch auch aus den anderen Produkten entwich unter extremen Prüfbedingungen Styrol. Verbraucher müssen damit rechnen, dass auch aus diesen Sitzsäcken nach und nach immer wieder Styrol ausgast. Nur bei zwei Sitzsäcken war das so wenig, dass wir nicht abwerten.

In einigen Füllungen wurde zudem das künftig verbotene Flammschutzmittel HBCD nachgewiesen: in deutlichen Mengen, die aber dennoch auf eine Verunreinigung schließen lassen. Denn der Gehalt in Dämmstoffen liegt wesentlich höher. Dass Polystyrol so gut wie unbelastet sein kann, zeigt dagegen ein anderer Hersteller im Test.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Jahrbuch für 2014 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2015 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Wir haben neun Sitzsäcke eingekauft, die aufgrund ihrer Größe und ihres Designs vor allem für Kinder gedacht sind: darunter die bekannte Sitzsack-Marke Fatboy, aber auch Säcke von Spielzeug- und Kindersachenanbietern wie Knorrtoys und Haba. Die äußeren Stoffhüllen bestehen aus Polyester-, Baumwolle- oder Mischgeweben, ein Modell ist aus Bio-Baumwolle genäht. Die Säcke sind unterschiedlich groß, von 60 bis 275 Liter Inhalt, da ist für jede Altersgruppe etwas dabei.

Die Inhaltsstoffe: Alle Sitzsäcke sind mit unterschiedlich großen Polystyrolkügelchen gefüllt. Aus dem Material, das vor allem als Dämmstoff ­bekannt ist, kann die bedenkliche Ausgangssubstanz Styrol ausgasen. Als Baumaterial ist es zudem mit Flammschutzmitteln ausgerüstet, die in Sitzsäcken nichts zu suchen haben. Nach beiden Stoffgruppen ließen wir in Laboren prüfen. Außerdem nahmen wir die textilen Hüllen auseinander, um zu erfahren, ob problematische Stoffe für das Färben oder für besondere Eigenschaften verwendet wurden, welche die Textilien zum Beispiel wasserdicht, schmutzabweisend oder antibakteriell machen. So können sie möglicherweise auch mit PVC beschichtet und mit Weichmachern ausgerüstet sein.

Weitere Mängel: Chlorierte Verbindungen in der Verpackung und Rückstände von Tensiden aus der Stoffherstellung belasten die Umwelt - auch das hatten wir im Blick.

Die Bewertung: Verbotene Stoffe sind absolut tabu, so ist ein Produkt mit einem krebserregenden Bestandteil eines Farbstoffs nicht verkehrsfähig. Schlecht schneiden auch Sitzsäcke mit PVC-Beschichtung ab. Denn PVC belastet nicht nur die Umwelt, sondern geht auch mit einer ganzen Reihe von gesundheitlich bedenklichen Inhaltsstoffen einher, zum Beispiel hormonell wirkenden Weichmachern, die in Babyartikeln und Kinderspielzeug verboten sind, zinnorganischen Verbindungen und PAK. Für fast genauso bedenklich halten wir Styrol, das lange Zeit ausgasen kann. Auch für das Flammschutzmittel HBCD gibt es Minuspunkte.

Bewertungslegende

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führen zur Abwertung um jeweils vier Noten: a) mehr als 5 mg/kg Anilin; b) mehr als 1.000 mg/kg in Kinderspielzeug und Babyartikeln verbotene Phthalate (hier: DEHP, DINP, DIDP) u./o. Dipropylheptylphthalat (DPHP); c) ein stark erhöhter Gehalt von in der Summe mehr als 1.000  µg/kg polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoff e (PAK). Zur Abwertung um jeweils drei Noten führen: a) mehr als 20 µg/m³ Styrol, berechnet auf ein Volumen von 20 m³ (stark erhöht); b) ein stark erhöhter Gehalt von mehr als 1.000 mg/kg Hexabromcyclododecan (HBCD). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein erhöhter Gehalt einer oder mehrerer PAKEinzelverbindungen von mehr als 100 bis 1.000 µg/kg, falls nicht schon ein stark erhöhter Gehalt (in der Summe) abgewertet wurde; b) mehr als 100 bis 1.000 µg/kg Dibutylzinn; c) mehr als 100 bis 1.000 mg/kg Styrol (erhöht), falls nicht schon wegen stark erhöhter Styrolmissionen abgewertet wurde; d) ein erhöhter Gehalt von mehr als 10 bis 1.000 mg/kg HBCD; e) mehr als 16 mg/kg Formaldehyd. Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) halogenorganische Verbindungen; b) mehr als 1.000 mg/kg Ersatzweichmacher (hier: DEHT), falls nicht schon wegen Phthalaten abgewertet wurde; c) mehr als 10 bis 1.000 mg/kg phosphororganische Verbindungen; d) PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen im Produkt; e) optische Aufheller auf der Außenseite (mit Körperkontakt).

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um zwei Noten: mehr als 50 mg/kg Nonylphenolethoxylate.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.

Testmethoden

Testmethoden: PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen: Röntgenfluoreszenzanalyse. VOC-Verbindungen, incl. Styrol: in Anlehnung an EN 71-11; a) Thermoextraktion, anschließend Thermodesorption, GC-MS; berechnet auf 20 m³ Raumvolumen; b) Headspace, GC-MS. Styrol: GC-MS-Analyse nach Flüssigextraktion. Weichmacher, phosphororganische Verbindungen, phenolische Verbindungen (kunststoffbeschichtete Materialien): GC/MS nach Extraktion und Derivatisierung. Zinnorganische Verbindungen (kunststoffbeschichtete Materialien): NaDDTC, EtOH, Hexan, NaBEt4, GC-AED. Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (kunststoffbeschichtete Materialien): GC-MSD (getestet auf 25 polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe nach EU/EPA/JECFA). Aromatische Amine (im Falle von mehreren Farben im Produkt Mischproben mit bis zu vier Farben): Prüfung auf Amine nach reduktiver Spaltung; Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-2 Prüfung mit und ohne vorherige Extraktion DIN EN 14362-1 (April 2012); bei Hinweisen auf 4-Aminoazobenzol zusätzliche Prüfung entsprechend § 64 LFGB 82.02-15 DIN EN 14362-3 (September 2012), Bestimmungsgrenze 5 mg/kg;1. Methode GC/MS, 2. Methode TLC; zusätzliche Prüfung auf Anilin und Xylidine. Dispersionsfarbstoffe (im Falle von mehreren Farben im Produkt Mischproben mit bis zu vier Farben): Analytik entsprechend § 64 LFGB 82.02-10 Norm DIN 54231 (November 2005); Dünnschichtchromatografie, TLC, HPLC mit DAD (UV/Vis-Detector). Optische Aufheller: qualitativer Nachweis (UV-Licht). Formaldehyd (Baumwollgewebe beziehungsweise hohe Baumwollanteile): qualitativer Nachweis mit Carbazol/Schwefelsäure; quantitativer Nachweis mit DIN EC ISO 14184-1, § 64 LFGF B 82.02-1. Antimon: (Polyestergewebe beziehungsweise hohe Polyesteranteile): Elution von Schwermetallen mittels saurer Schweißlösung; Elementbestimmung mittels ICP-MS. Halogenorganische Verbindungen (Textilhülle): Elution mit Reinstwasser in der Soxhlet-Apparatur; Binden der organischen Halogene an Aktivkohle, Verbrennung der Aktivkohle im Sauerstoffstrom, microcoulometrische ­Bestimmung des Halogengehalts. Nonylphenolethoxylate (Textilhülle): LC-MS/MS nach Extraktion. Größe der Polystyrolperlen: fein = 1 bis 2 mm, mittel = 3 bis 6 mm, grob = bis zu 8 mm.

Einkauf der Testprodukte:Mai 2013

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Jahrbuch für 2014 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch Kleinkinder für 2015 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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