"Grün ist das neue Schwarz", verkündet Suzy Menkes, einflussreiche Modekritikerin der International Herald Tribune. Und damit meint die Fashion-Königin nicht nur die Farbe. Mode, fair hergestellt, freundlich zur Umwelt und zur Haut, recycelbar oder sogar schon recycelt, ist heute hip. "Öko-Kleidung ist ein Verbrauchertrend, der in der breiten Masse angekommen ist", urteilt auch das Zukunftsinstitut Kelkheim. Zwar sei Deutschland in Sachen Öko-Mode im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien noch ein "Entwicklungsland", meint Bernd Hausmann, der in seinen Glore-Boutiquen und übers Internet ausschließlich "grüne" Mode anbietet. Aber es tut sich was: "Es gibt immer mehr Labels. Es kommt langsam", freut sich der Geschäftsmann. Glore - der Name steht für "Global Responsible Fashion" - expandiert.
Bekleidung aus Bio-Fasern gibt es inzwischen aber auch in jeder mittleren Kreisstadt, denn auch die großen Bekleidungshäuser haben "grüne" Kollektionen. C&A, Europas größte Textilkette, ließ 2008 rund 7.500 Tonnen Bio-Baumwolle verarbeiten, das entspricht etwa 12,6 Millionen Bekleidungsartikeln.
Die Anbieter von Textilien aus kontrollierten Bio-Fasern sind auf dem richtigen Weg. "Naturtextilien" kann man ihre Waren trotzdem nicht immer nennen. Eine rein weiße Weste hat nur, wer die Ökologie von der Wiege bis zur Bahre beachtet. "Die Textilbranche konzentriert sich derzeit allzu sehr auf den Acker und die Faser", moniert Dr. Kirsten Brodde, die sich in ihrem Buch Saubere Sachen kritisch mit der Begrünung der Textilindustrie auseinandersetzt.
Saubere Fasern allein reichen nicht
Je nach Kleidungsstück folgen schließlich noch bis zu 20 weitere Arbeitsgänge, bei der in konventionellen Verfahren oft Chemikalien ins Spiel kommen. "Die Kleidung verwandelt sich im wahrsten Sinne des Wortes in ‚Reizwäsche'", so Brodde.
Wer das nicht will, muss genauer nachfragen. Wie bekommt die Jeans aus Bio-Baumwolle ihre verwaschene Optik? Wurde das Objekt der Begierde in Europa oder gar in Deutschland gefertigt oder für jeden Arbeitsschritt Tausende Kilometer um den Erdball geflogen, immer dorthin, wo der jeweilige Job am billigsten ausgeführt wird? Die "Kampagne für saubere Kleidung", die sich für faire Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion einsetzt, hat errechnet, dass zwischen Rohprodukt und fertiger Jeans leicht 19.000 Kilometer liegen können. Und wer hat das Kleidungsstück gefertigt? Eine Näherin, die von ihrem Job leben kann, ausgebeutete Arbeiterinnen oder gar Kinder in sogenannten Sweat Shops?
Mehr als 95 Prozent der in Deutschland verkauften Textilien stammen aus Niedriglohnländern wie China oder Bangladesch. Arbeitnehmerrechte existieren dort - wenn überhaupt - nur auf dem Papier. Immer wieder macht die Textilherstellung in den Billiglohnländern Negativschlagzeilen. 2005 stürzte in Bangladesch eine marode Kleiderfabrik ein, 74 Menschen starben. Die Beschäftigten der zerstörten Fabrik "Spectrum Sweater" nähten auch für deutsche Abnehmer. Die "Kampagne für saubere Kleidung" prangert an, dass in vielen Sweat Shops Gewerkschaften unterdrückt und Hungerlöhne gezahlt werden.
Arbeitslos werden die Initiativen für faire Arbeitsbedingungen wohl auch in den nächsten Jahren nicht. Doch sie haben schon viel erreicht. Soziale und ökologische Verhaltenskodizes, sogenannte Codes of Conduct, sind heute bei den Unternehmen Standard und in der Regel mehr als eine halbherzige Pflichtübung. Schließlich geht es ums Image. Inzwischen schreiben sich einige Firmen nicht nur Erfolge auf die Fahnen, sondern thematisieren auch Probleme. Zum Beispiel die schwierige Kontrolle der Sublieferanten, die die Textilunternehmen noch nicht einmal kennen. Dass die Arbeitsverflechtungen einfach zu komplex für eine vollständige Kontrolle seien, lässt Fachautorin Kerstin Brodde allerdings nicht gelten: "Schließlich sind die Unternehmen, wenn es um die Qualität ihrer Ware geht, sehr wohl in der Lage, jede Naht zu kontrollieren. Man wünscht sich auch bei der Sicherung von Arbeits- und Menschenrechten ein Quäntchen solcher Entschlossenheit." Auch unter dem starken Chemikalieneinsatz in der Textilindustrie leiden zuallererst die Bauern, Färber, Weber und Näherinnen in den Schwellen- und Entwicklungsländern.
Die Chemie bleibt drin
Die Chemikalienbelastung konventionell produzierter Kleidungsstücke ist so hoch, dass Branchenprofis empfehlen, vor dem ersten Tragen jedes Teil mehrmals zu waschen, um zumindest die leicht löslichen Chemiezusätze zu entfernen. Offenbar ist so manches Kleidungsstück nicht nur schön, sondern auch ganz schön giftig.
Los geht's schon beim Anbau des Rohstoffes. Gerade Baumwolle, die am meisten verwendete Faser, braucht im konventionellen Anbau jede Menge Chemie. Nicht selten versprühen die Bauern Schädlingsbekämpfungsmittel, ohne sich selbst ausreichend zu schützen. Die Folge sind geschätzte 1.500.000 Vergiftungsfälle pro Jahr in den Baumwollanbauländern. Neben Insektiziden und Pestiziden kommen beim herkömmlichen Baumwollanbau chemische Dünger und Entlaubungsmittel zum Einsatz. Noch mehr Giftstoffe werden den Kleidungsstücken bei der Verarbeitung zugesetzt. Allein in Deutschland setzt die Textilindustrie pro Jahr rund 9.000 Tonnen Farbe und 75.000 chemische Hilfsmittel ein, um Textilien zu "veredeln".
Dann doch lieber gleich Öko-Kleidung aus biologisch produzierten Fasern. Viele Verbraucher fragen sich, woran sie denn korrekte Kleidung erkennen. Es gibt Kennzeichen für Naturmode, aber ihre Vielfalt sorgt eher für Verwirrung. Mangels einheitlicher Kriterien kann jede Firma oder Initiative ihr eigenes "grünes" Zeichen erfinden. Wer Wert auf "saubere" Rohstoffe und Produktionsmethoden legt, kann sich an das Zeichen Naturtextil Best vom Internationalen Verband der Naturtextilwirtschaft halten. Als das bekannteste internationale Zeichen gilt GOTS (Global Organic Textile Standard). Wer unsicher ist, ob ein als bio, öko oder sonst irgendwie "grün" gelabeltes Produkt hält, was es verspricht, sollte im Etikett nachschauen, wie hoch der Anteil Fasern aus kontrolliert biologischem Anbau (kbA) ist. Dann weiß er wenigstens über das Ausgangsmaterial Bescheid.