Milch statt Limo! Weil inzwischen ungefähr 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig und sechs Prozent sogar fettleibig sind, wird versucht, dieser Entwicklung durch gesunde Getränke in der Schulpause entgegenzuwirken. In Milch stecken viele Zutaten, die Kinder gut durch den Tag bringen, Milch gilt für Kinder als wertvolles Nahrungsmittel. Aus diesem Grund finanziert die EU schon seit vielen Jahren das sogenannte Schulmilchprogramm. Mit Milch ist ganz normale Milch gemeint. Keine gezuckerten Mischgetränke wie Schokoladen-, Erdbeer- oder Vanillemilch.
In Nordrhein-Westfalen wird das anders gesehen: Ausgerechnet an Schulen wird hier der Absatz von gezuckertem Kakao mit Steuergeldern gefördert. Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat jetzt in ihrem mehr als 80 Seiten umfassenden Schulmilch-Report die jahrzehntelange Verflechtung zwischen Milchwirtschaft, Wissenschaft und Politik in NRW entlarvt. Martin Rücker, Geschäftsführer von foodwatch, bezeichnet die Schulkakaoförderung als „ein durch und durch lobbyverseuchtes Absatzförderungsprogramm für die Milchwirtschaft“, die Rede ist von einem „regelrechten Kakao-Sumpf“.
Kinder wollen Kakao – und keine ungesüßte Milch
Jeder gesundheitsbewusste Mensch wird sich dabei fragen, wie gesüßter Kakao als geeignetes Schulgetränk beworben und gefördert werden kann, wo normale Milch doch viel gesünder ist. Schlussendlich geht es nur um eins, das macht der Foodwatch-Report deutlich: Der Absatz von Schulmilch soll um jeden Preis angekurbelt werden. Und da sich Milch an Schulen eigentlich nur in Form von Kakao gut verkaufen lässt, wird der hohe Zuckergehalt von den Verantwortlichen einfach mal gekonnt ignoriert, kritisiert Foodwatch im Report.
Schulmilch-Report: Die wichtigsten Ergebnisse von Foodwatch
Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Foodwatch-Studie:
Die Landesvereinigung der Milchwirtschaft NRW hat den offiziellen Auftrag der Landesregierung, „Werbung zur Erhöhung des Verbrauchs von Milch“ zu machen – „insbesondere“ auch durch „Förderung des Schulmilchabsatzes“. Grundlage dafür ist ein Erlass des Landesumweltministeriums auf Basis eines Bundesgesetzes aus der Nachkriegszeit, als die Milchwirtschaft gefördert und Kinder gepäppelt werden sollten. Tatsächlich werden aber deutlich mehr gezuckerte Milchprodukte als normale Milch verkauft, Foodwatch spricht von einem Anteil von 80 bis 90 Prozent.
Das Land bezahlt der Milchlobby jährlich rund 350.000 Euro, um Unterrichtseinheiten und Lehrmaterialien zu gestalten, Marketingveranstaltungen in den Schulen durchzuführen und mit einem „Schulmilchteam“ das Schulmilchprogramm zu bewerben.
Mit dubiosen Studien gibt die Milchwirtschaft vor, positive Effekte von gezuckertem Kakao für die „geistige Leistungsfähigkeit“ und die Zahngesundheit belegen zu können. Hier wird auch die These vertreten, Kakao würde den IQ um sieben Punkte steigern. Eine weitere Behauptung in einer der Studien: Würde das EU-Schulmilchprogramm bundesweit mit einer entsprechenden gezuckerten Milch umgesetzt, "könnte dieses zu einem PISA-Wert-Anstieg von mehr als 30 Punkten führen".
Tatsächlich halten diese Studien – größtenteils Auftragsarbeiten für die Milchwirtschaft, die auf drei untereinander eng vernetzte Forscher zurückgehen – einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Eine Landesregierung beauftragt Lobbyisten, Werbung an Schulen zu machen – und stattet sie dafür mit Steuergeldern aus. Ein Grüppchen Wissenschaftler zieht auf Werbetour für den Schulkakao und hantiert dabei mit dubiosen Auftragsstudien, die den Kakao als gesund darstellen.
Kakao enthält zum Teil so viel Zucker wie Limonade
Das Verhalten der Lieferanten grenzt an Erpressung: Laut Foodwatch drohen Lieferanten wie Landmilch mit einem Stopp der Schulmilchlieferung, sollte Kakao nicht länger gefördert werden. Absolut absurd, denn wissenschaftlich ist längst nachgewiesen, dass zuckerhaltige Getränke für Übergewicht, Karies und zahlreiche andere Zivilisationskrankheiten verantwortlich sind. Der Schulmilch-Kakao von Landliebe beispielsweise hat einen Zuckergehalt von 8,7 Gramm pro 100 Milliliter. Bei einer Trinkpackung mit 250 Milliliter Inhalt sind das mehr als sieben Stück Würfelzucker. Das ist fast so viel wie Zucker wie dieselbe Menge Fanta enthält.
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