Mikroplastik: Woher kommt es und warum schadet es der Umwelt?

Autor: Jürgen Steinert/Katja Tölle/Ann-Cathrin Witte/Lena Wenzel | Kategorie: Bauen und Wohnen | 15.02.2024

Mikroplastik
Foto: JRomero04/Shutterstock

Mikroplastik ist überall: in Flüssen, in den Meeren, in Böden und selbst in der Luft, die wir atmen. Das Problem: Die langfristigen Auswirkungen von Mikroplastik auf die Umwelt und auf unsere Gesundheit sind noch immer nicht ausreichend erforscht. 

  • Mit dem Überbegriff Mikroplastik sind kleine Kunststoffpartikel gemeint, die fünf Millimeter und kleiner sind. 
  • Sie gelangen mit dem Abwasser in die Umwelt, wo sie von Menschen und Tieren über die Nahrung und das Trinkwasser aufgenommen werden.
  • Bedenklich: Die Langzeitfolgen für Mensch und Umwelt sind nach wie vor unklar. 

Die Sache mit dem Menschen und der Umwelt ist wie ein Bumerang: Es kommt alles zurück. Jagen wir jahrzehntelang Treibgase in die Luft, erwärmt sich das Klima und lässt unsere Ernten verdorren. Müllen wir jahrzehntelang die Meere mit Plastik zu, fressen es die Fische und es landet irgendwann wieder auf unseren Tellern. Und zwar in Form von Mikroplastik.

Was ist Mikroplastik?

Mikroplastik: Das sind "feste, wasserunlösliche Kunststoffpartikel, die fünf Millimeter und kleiner sind" – so lautet die Definition des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP). Dabei unterscheiden die Experten zwischen primärem Mikroplastik, das Hersteller Produkten bewusst zufügen, wie etwa Granulat auf Kunstrasen oder Schleifmittel in der Industrie, und sekundärem Mikroplastik. Letzteres entsteht beim Zerfall von Plastik, also wenn sich Plastikverpackungen langsam zersetzen, oder etwa beim Abrieb von Schuhsohlen und Autoreifen.

Wie entsteht Mikroplastik?

Primäre Mikropartikel entstehen beispielsweise aus:

  • Wasch-, Reinigungs- und Pflegemitteln in Gewerbe und Industrie
  • mikronisierten Wachsen aus Kunststoff in technischen Anwendungen
  • Strahlmitteln zum Entgraten von Oberflächen

Sekundäre Mikropartikel entstehen beispielsweise aus:

  • der Fragmentierung von Kunststoffabfällen
  • synthetischen Chemiefasern aus Textilien
  • Reifenabrieb 

Woher kommt das Mikroplastik im Meer?  

Weil Hersteller Mikroplastik ganz bewusst in Produkten wie Wasch- und Reinigungsmitteln oder Funktionskleidung einsetzen, gelangen die Minipartikel über das Abwasser in die Meere. Auch Plastikabfälle, die nicht richtig entsorgt werden, landen in den Ozeanen. Diese werden von Wind und Wellen zerrieben, sodass Mikroplastik entsteht. Die Partikel werden dort von Schalentieren und Fischen aufgenommen.

Wir werfen Plastik weg und spülen es herunter. Mit unserer Nahrung kommt es zurück. Pro Woche essen Menschen bis zu fünf Gramm Mikroplastik.
Wir werfen Plastik weg und spülen es herunter. Mit unserer Nahrung kommt es zurück. Pro Woche essen Menschen bis zu fünf Gramm Mikroplastik. (Foto: ÖKO-TEST; Rich Carey/Shutterstock )

Übersicht: Mikroplastik in der Umwelt 

  • 3,2 Millionen Tonnen Mikroplastik gelangen laut Weltnaturschutzunion (IUCN) jedes Jahr in die Umwelt.
  • 977 Tonnen Mikroplastik geraten jedes Jahr allein in Deutschland ins Abwasser. Hinzu kommen
  • 46.900 Tonnen lösliche Polymere – so das Ergebnis einer Studie des Fraunhofer-Instituts aus dem Jahr 2018.
  • 41,09 Kilogramm Plastikmüll verursacht jeder Deutsche im Durchschnitt pro Jahr laut Statista. Damit liegen die Deutschen über dem EU-Durchschnitt, der 2021 bei 35,92 Kilogramm lag. 
  • 35 Prozent der in Deutschland anfallenden Kunststoffabfälle wurden laut dem Umweltbundesamt 2021 recycled. Knapp 64 Prozent wurden energetisch verwertet, oder schnöder ausgedrückt, verbrannt. 

Wie viel Mikroplastik essen Menschen?

Wir essen Plastik, wir trinken Plastik und wir atmen Plastik ein. Laut einer Studie der australischen University of Newscastle im Auftrag des World Wide Fund for Nature (WWF) aus dem Jahr 2019 nimmt der Mensch pro Woche bis zu fünf Gramm Mikroplastik auf. Zur Einordnung: Das entspricht ungefähr dem Gewicht einer Kreditkarte.

Österreichische Forscher haben 2018 erstmals nachgewiesen, dass Plastik in den Mägen von Menschen steckt. Genauer gesagt: Sie haben Kot untersucht und sind fündig geworden. Zwar haben die Forscher nur den Stuhl von acht Probanden untersucht – das ist alles andere als repräsentativ – , aber es steckten in jeder Probe winzige Plastikteilchen. Und davon nicht wenig, im Mittel waren es 20 Partikel pro zehn Gramm Kot.

Ein Forschungsteam der Universität Amsterdam wies 2022 in einer Studie mit 22 Probanden Plastikpartikel im Blut von 17 Versuchsteilnehmern nach. Im Durchschnitt betrug die Menge an Plastikpartikeln 1,6 Mikrogramm pro Milliliter Blut.

Wo steckt Mikroplastik drin?

Plastik ist zu einem globalen Umweltproblem geworden. Und es steckt in vielen Produkten. Einige Beispiele:

  • Mikroplastik in Wasser: Die Kunststoffpartikel sind weltweit in abgefülltem Trinkwasser nachweisbar. Forscher gehen davon aus, dass es sich unter anderem aus Kunststoffverpackungen herauslöst. Auch Leitungswasser ist nicht frei von den Partikeln. In 81 Prozent von 159 weltweit gezogenen Proben, fanden Forscher in einer Studie aus dem Jahr 2018 Mikropartikel.
  • Auch ÖKO-TEST hat 2020 insgesamt 71 Mineralwässer auf bestimmte Mikroplastikpartikel untersuchen lassen. Ergebnis: In 27 von 61 Wässern aus PET-Plastikflaschen, umgerechnet 44 Prozent, fand das Labor antimonhaltiges Mikroplastik.
  • Eine Studie aus den USA hat nun mittels eines neuen Verfahrens erstmals auch Plastikpartikel im Nanobereich in Wasser aus Plastikflaschen analysiert. In einem Liter Wasser, so schreiben die Autoren, würden demnach bis zu 240.000 Plastikteilchen stecken. Damit enthält Flaschenwasser viel mehr Plastik, als bisher angenommen.  
  • Mikroplastik in Trinkflaschen für Babys: Milchfläschen aus Polypropylen (PP) geben, wenn sie mit Heißgetränken befüllt werden werden, riesige Mengen mikroskopisch kleiner Kunststoffpartikel ab, die dann von den Babys mit getrunken werden. Die Autoren der Studie aus dem Jahr 2020 schätzen, dass ein Kind in Mitteleuropa, das in seinem ersten Lebensjahr – neben dem Stillen – auch mit der Flasche gefüttert wird, pro Tag (!) zwischen ein und zwei Millionen Plastikpartikel in Nanogröße zu sich nimmt.

Mikroplastik in Kosmetik

Im Rahmen des nationalen Kosmetikdialogs hatte die Kosmetikindustrie zugesagt, Mikrokunststoffpartikel bis 2020 durch alternative Stoffe zu ersetzen. Flüssige oder wasserlösliche synthetische Polymere waren allerdings kein Thema des nationalen Kosmetikdialogs.

Seit Oktober 2023 ist das absichtliche Zusetzen von abrasiven Mikroplastikpartikeln in sämtlichen Kosmetik-Produkten zudem europaweit verboten. Was erstmal gut klingt, hat allerdings vorerst keine direkten Auswirkungen. Denn: Auf die abrasiven Schleifkörper aus Mikroplastik verzichtet die Kosmetikindustrie in Peelings bereits freiwillig. Für weitere Kosmetika, wie Lippenstifte, Haargele oder Shampoos, gelten dagegen relativ lange Übergangsfristen. 

  • Bis zum 17. Oktober 2027 muss Mikroplastik aus auszuspülenden/abzuspülenden kosmetischen Mittel wie Shampoo oder Duschgel verschwinden.
  • Ab dem 17. Oktober 2029 gilt das Mikroplastikverbot für Kosmetik, die auf der Haut/in den Haaren verbleibt wie Cremes oder Haargel und für synthetische Polymermikropartikel, die zur Verkapselung von Duftstoffe eingesetzt werden.
  • Für dekorative Kosmetik wie Lippenstifte und Nagellacke gilt das Verbot erst ab dem 17. Oktober 2034.

Können Verbraucher flüssiges Mikroplastik erkennen?

Auch wenn flüssige und wasserlösliche synthetische Polymere kein Teil des Kosmetikdialogs waren, bedeutet das nicht, dass sie unbedenklich sind. Denn: Die Stoffe, die Hersteller etwa Kosmetika oder Waschmitteln in gelartiger oder flüssiger Konsistenz zufügen, gelangen beim Duschen, Baden oder Schwimmen über das Wasser in die Umwelt. Das ist problematisch, weil sie, je nach Verbindung, mehr oder weniger schwer abbaubar sind.

Diese umweltbelastenden löslichen Plastikverbindungen in Kosmetika erkennen Verbraucherinnen und Verbraucher in der Zutatenliste an Begriffen wie Acrylate, Carbomer, Crosspolymer, Copolymer oder Polybutene. Tipp: Wenn Sie zu zertifizierter Naturkosmetik greifen, liegen Sie in aller Regel richtig. Denn die Zertifizierungskriterien verbieten lösliches Plastik in Naturkosmetik.

Synthetische Polymere sind auch auf Waschmitteln deklariert. Allerdings verbergen sie sich hinter komplizierten chemischen Bezeichnungen. Deshalb ist es für den Verbraucher nicht leicht zu erkennen, ob sie enthalten sind oder nicht.

In diesen Kosmetik-Tests sind wir auf Plastik gestoßen

Kosmetikprodukte beinhalten häufig synthetische Polymere, alltagssprachlich bezeichnen wir diese als lösliches Plastik.

  • Plastik in Kosmetik: So waren beispielsweise 13 von 40 Haarkuren und -masken in unserem Haarkur-Test mit löslichem Plastik belastet.
  • Auch im Test Duschgele für Männer und im Sensitiv-Sonnencreme-Test setzten Hersteller lösliches Plastik ein.
  • In fast einem Viertel der Gesichtspeelings in unserem Test stecken synthetische Polymere. 
  • Und auch dekorative Kosmetik enthält häufiger lösliches Plastik. So sind wir zum Beispiel in unserem Rouge-Test in neun Produkten auf synthetische Polymere gestoßen, während in unserem Test zu getönter Tagescreme immerhin die Hälfte der überprüften Produkte lösliches Plastik enthielt.
  • Plastik in Waschmitteln: Nur vier Hersteller in unserem Waschmittel-Test verzichteten auf schwer abbaubare Kunststoffverbindungen in ihren Produkten. 

Mikroplastik vermeiden: 5 Tipps

  1. Auch in Kleidung stecken Kunstfasern, die durch die Wäsche ins Abwasser und damit in die Meere gelangen. Das Plastik versteckt sich hinter Begriffen wie Polyamid, Polyester, Acryl oder Nylon. Wer statt Kunstfasern natürliche Textilien wie Baumwolle oder Leinen kauft, kann hier schon einmal einen Beitrag leisten.
  2. Wer schon Fleecepullis und andere Funktionskleidung im Schrank hängen hat, sollte diese so selten wie möglich waschen. Und möglichst lange verwenden.
  3. Viele Putztücher und Waschlappen enthalten Mikrofasern, die sich beim Putzen und Waschen lösen und ins Abwasser geraten. Wer ein bisschen sucht, findet aber auch welche aus natürlichen Materialien wie Baumwolle.
  4. In Kosmetika sind Kunststoffverbindungen zwar deklariert, aber dafür müsste man Hunderte von Bezeichnungen auswendig lernen. Wer keine Lust auf Vokabeln lernen hat, greift auf zertifizierte Naturkosmetik zurück.
  5. Wer Waschmittel ohne Kunststoffverbindungen kaufen will, hat es schwerer: Die Hersteller müssen die Stoffe nicht einmal auf der Verpackung deklarieren, auf der Homepage reicht aus. Unser Waschmittel-Test zeigt, welche Produkte Sie guten Gewissens kaufen können.

Ist Mikroplastik gefährlich?

Die Forschung steht noch immer am Anfang. Es gibt aber Hinweise darauf, dass die dauerhafte Aufnahme von Plastik alles andere als harmlos für den Menschen ist. Der erste: Das Plastik, das wir essen und trinken, ist nicht einfach nur Plastik. Mit den Partikeln nehmen wir auch Chemikalien auf, weil viele Kunststoffe Weichmacher, Stabilisatoren oder Flammschutzmittel als Zusätze enthalten.

Außerdem können die kleinen Plastikteilchen auch Schadstoffe binden, die längst verboten, aber immer noch in der Umwelt sind – krebserregende Chlorverbindungen wie polychlorierte Biphenyle (PCB) etwa. Mikroplastik wirkt wie ein Magnet für Schadstoffe. Heißt: Wer viel Plastik isst, isst auch viele Schadstoffe.

Der zweite Hinweis: Viele Forschungsarbeiten zum Thema deuten auf Entzündungsreaktionen im Körper hin. Und nicht nur das: Eine Studie aus den USA zeigt, dass Mikroplastikkügelchen mit einer Größe von 1 bis 10 Mikrometern an der Zellmembran haften bleiben und diese dadurch aufdehnen. Das könnte zu schwerwiegenden Funktionsstörungen der Zellen führen, argumentieren die beteiligten Forscher und Forscherinnen.

Was ist mit Submikro- und Nanoplastik?

Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) erforscht mögliche Auswirkungen von Mikroplastik auf den Menschen. Ein Fazit der Behörde lautet: "Je kleiner Plastikteilchen sind, umso leichter werden sie von Zellen aufgenommen." Mikroplastik, so heißt es weiter, sei mit seiner Größe eigentlich zu sperrig, um von menschlichen Zellen in nennenswertem Umfang aufgenommen und im Körper verteilt zu werden.

In einer Studie zu dem Effekt von Mikro-, Submikro- und Nanoplastik auf menschliche Darm- und Leberzellen fand ein Forschungsteam zum Beispiel heraus, dass Mikroplastik im Vergleich nur in geringem Maße in die Dünndarmzellen "einsickern" konnte. Die kleineren Submikro- und Nanoplastikteilchen fanden sich dagegen in größeren Mengen in Darm- und Leberzellen, wo sie sich entweder direkt an den Zellmembranen anlagerten oder in kleinen Bläschen aus Zellmembran eingeschlossen wurden. 

Welche möglichen Effekte das hat, möchte das Forschungsteam in weiteren Studien herausfinden. Der Leiter des Forschungsprojektes, Dr. Holger Sieg, erklärt: "Wir haben im Labor mit einem Modellsystem gearbeitet, dass die Realität nur sehr vereinfacht abbilden kann. Ob die Ergebnisse auch für den Menschen gültig sind, müssen wir in Folgeversuchen überprüfen."

Trotzdem gibt sich die Behörde gelassen. "Nach dem derzeitigen Wissenstand gilt Mikroplastik als vergleichsweise geringes Risiko für die menschliche Gesundheit", heißt es dort. Der "derzeitige Stand des Wissens" ist allerdings eher ein Stand des Unwissens – es gibt viel zu wenige verlässliche Studien zu den Auswirkungen von Mikroplastik auf den Menschen. Das räumt die Behörde ja sogar selbst ein.

Über den Konsum von Fisch und Meeresfrüchten nehmen wir unter anderem Mikroplastik auf.
Über den Konsum von Fisch und Meeresfrüchten nehmen wir unter anderem Mikroplastik auf. (Foto: Tatjana Baibakova/Shutterstock )

Mikroplastik ist Gefahr für Meerestiere

Meerestiere nehmen Mikroplastik auf. Und klar ist, dass sie dieses nicht wieder komplett ausscheiden. Denn: Untersuchungen haben gezeigt, dass zwar die größte Menge der in Tieren nachgewiesenen Plastikteilchen im Magen-Darm-Trakt steckt. Forscher haben aber auch im Blut, in der Lymphflüssigkeit und in der Leber von Tieren Plastikteilchen nachgewiesen.

Und einige Lebewesen reagieren empfindlich darauf: Bei Austern etwa litt in einer Untersuchung die Fortpflanzungsfähigkeit, in einer anderen starben Würmer an den Umweltgiften, die sich an den Plastikteilchen abgelagert hatten. Miesmuscheln zeigten starke Entzündungsreaktionen, Krabben und Krebse hatten weniger Energie und brüteten weniger Eier aus, auch bei ihnen litt also die Fortpflanzungsfähigkeit.

Über belastete Beute, wie Krill und kleine Fische, nehmen auch Bartenwale, wie Blau-, Buckelwale Mirkoplastik auf, und das nicht gerade in kleinen Mengen. Einer Studie der US-amerikanische Universität Stanford zufolge, können die riesigen Säugetiere pro Tag bis zu 10 Millionen Mikroplastikteile aufnehmen. 

Wie groß die Plastikverschmutzung der Erde inzwischen ist, verdeutlicht darüber hinaus eine weitere Studie aus dem Jahr 2022. Darin dokumentierte ein Forschungsteam erstmals Mikroplastik im frischen Schnee der Antarktis. Dass Mikroplastik selbst an einem so entlegenen Ort vorhanden ist, verdeutlicht: Es ist höchste Zeit zu handeln. 

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