Ökostrom im Test: Viele Produkte fallen durch

Ratgeber Bauen & Wohnen 2021 | Autor: Kerstin Scheidecker | Kategorie: Bauen und Wohnen | 12.05.2021

Ökostrom-Vergleich: Wir haben die Produkte von 69 Ökostromanbietern genauer unter die Lupe genommen.
Foto: kirillov alexey/Shutterstock

Tragen Ökostromprodukte etwas zum Ausbau der erneuerbaren Energien bei? Zusätzlich zu dem, was das Gesetz verordnet? Ja. Aber: Von 69 Produkten im Test schneiden nur 10 "sehr gut" ab.

  • Wir bewerten zehn Produkte mit "sehr gut". Aus unserer Sicht leisten sie klar einen Beitrag zur Energiewende außerhalb des EEG.
  • Zwei Drittel der Tarife im Test schneiden "mangelhaft" ab.  
  • Ökostromprodukte bringen unserer Ansicht nach nicht automatisch die Energiewende voran.

Aktualisiert am 12.05.2021 | Das Segment der Ökostromprodukte ist unübersichtlich geworden. Daher ist es unser erstes Anliegen, mit unserem Ökostrom-Vergleich Klarheit zu schaffen. Wir wollen zeigen, was es eigentlich bedeutet, wenn Verbraucherinnen und Verbraucher auf Vergleichsportalen wie Verivox oder Check24 ihren Stromtarif wechseln und ein Produkt wählen, das sich "Ökostrom" nennt.

In Zusammenarbeit mit dem Saarbrücker Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES) hat sich ÖKO-TEST eine gründliche Analyse der Angebote auf dem freiwilligen Ökostrommarkt vorgenommen. Die aktuelle Auswertung der in Deutschland angebotenen Ökostromprodukte listet immerhin 1.284 Ökostromprodukte auf (Datenbasis: Get AG).

Nur rund 70 sind danach in mehr als 10.000 Gemeinden erhältlich. In unseren Test sind daher zunächst 69 Produkte eingegangen, die laut Datenbasis in den meisten Gemeinden erhältlich sind.

Ökostrom im Test: Was ist ein Ökostromprodukt? 

Bevor wir detaillierter auf unseren Test eingehen, klären wir zwei grundlegende Fragen:

1. Was ist ein Ökostromprodukt? 

Der Begriff "Ökostrom" ist nicht gesetzlich definiert. Um den sogenannten freiwilligen Ökostrommarkt vom EEG-Strom abzugrenzen, wird hier von "Ökostromprodukten" gesprochen. Nur diese dürfen die Anbieter an Verbraucher und Verbraucherinnen verkaufen. Dabei können sie Ökostromprodukte mit verschiedenen Tarifvarianten anbieten.

2. Was ist die EEG-Umlage? 

Die EEG-Umlage zahlen Endkunden an den Stromlieferanten anteilig zum Stromverbrauch. Der reicht diese an die Netzbetreiber weiter, die das Geld wiederum an die Anlagenbetreiber zahlen. Grundlegend gilt somit das Prinzip, dass die Stromkunden den – bisher sehr erfolgreichen – Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung bezahlen.

Grundsätzlich ist die EEG-Umlage für alle sogenannten nicht privilegierten Verbraucher, egal ob Unternehmen oder privater Haushalt, gleich hoch: Im kommenden Jahr soll diese bei 6,5 ct/kWh liegen. Dabei bestehen kontrovers diskutierte Privilegien für Industriekunden oder Großabnehmer.

Die umweltfreundlichste Energie ist die, die erst gar nicht produziert werden muss. Energiesparen ist das Beste für die Energiewende.
Die umweltfreundlichste Energie ist die, die erst gar nicht produziert werden muss. Energiesparen ist das Beste für die Energiewende. (Foto: Bildagentur Zoonar GmbH/Shutterstock)

Was hat Ökostrom mit der Energiewende zu tun?

Klar ist: Das, was wir als Ökostrom kaufen können, hat wenig mit dem zu tun, was die große Energiewende in Deutschland antreibt. Hierzulande gilt: Nur erneuerbarer Strom, dessen Erzeugung nicht via EEG-Umlage vergütet wurde, darf als Ökostromprodukt vermarktet werden. Anders ausgedrückt: Das, was wir als Ökostromprodukte kaufen können, ist das, was außerhalb der Finanzierung durch die Gesetzgebung für erneuerbare Energien entstanden ist oder entsteht.

So sind unter den Tarifen am Markt solche, die auf reinem Zertifikathandel mit norwegischer oder alpiner Wasserkraft aus jahrzehntealten Kraftwerken beruhen. Aus unserer Sicht bringen sie die Energiewende nicht voran.

Es gibt aber auch Tarife, mit deren Wahl Verbraucherinnen und Verbraucher in neue regenerative Kraftwerke – außerhalb der Finanzinstrumente des EEG – investieren. In diesem Test geht es uns darum, die Papiertiger von den wirksamen Tarifen zu unterscheiden.

Die entscheidenden Fragen im Test 

Für uns lauten die entscheidenden Fragen:

  1. Trägt das entsprechende Ökostromprodukt zum zusätzlichen Ausbau der erneuerbaren Energien bei?
  2. Oder sorgt es zumindest, mittels eines Post-EEG-Modells, für den Betrieb von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie, die keine EEG-Vergütung mehr erhalten und deren Fortbestand mangels Anschlussvergütung gefährdet ist?

Zur Erklärung: Was ist mit dem Post-EEG-Modell gemeint? Der erste Fall sind die sogenannten Ü20-EEG-Anlagen, die gerade aktuell den Gesetzgeber beschäftigen. Da die EEG-Vergütung (feste oder Marktprämie) 20 Jahre lang ausgezahlt wird, fielen im Januar 2021 die ersten Anlagen aus der Vergütung heraus. Dies gilt auch für die Anlagen, die mittels des Stromeinspeisegesetzes gebaut und in das EEG übernommen wurden.

Dieses 2021 kommende Ende des Vergütungszeitraums betrifft rund 7,7 Gigawatt der 120 Gigawatt der installierten Stromerzeugungsleistung aus Erneuerbaren Energien. Sofern diese Anlagen technisch noch gut erhalten sind und ihr Ersatz nicht durch neuere und pro Fläche ertragsstärkere Anlagen gewährleistet werden kann, ist ihr Erhalt im Regelfall notwendig für die Energiewende.

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Welche Ökostromanbieter sind empfehlenswert? 

Wir haben uns dazu die Internetseiten der Anbieter angesehen. Die guten Nachrichten des Ökostrom-Vergleichs: Zehn Produkte schneiden mit "sehr gut" ab. Sie leisten aus unserer Sicht klar einen Beitrag zur Energiewende außerhalb des EEG. Auf den Webseiten der Anbieter ist transparent ersichtlich, wie viel Geld die Kunden entweder pro Kilowattstunde oder pro Monat zahlen, welches die Anbieter dann in den Ausbau von erneuerbaren Energien stecken.

Weiterhin honorieren wir auch, wenn die Unternehmen zusätzliche Anlagen zubauen oder ihren Weiterbetrieb sichern. Die Projekte sind auf den Webseiten der Anbieter detailliert beschrieben und transparent dargestellt.

Neben diesen direkten finanziellen Beteiligungen würdigen wir auch, wenn die Anbieter der Ökostromprodukte in die Schaffung und Vermarktung von Post-EEG-Modellen investieren oder wenn sie in der "sonstigen Direktvermarktung" tätig sind.

Zur Erklärung der "sonstigen Direktvermarktung": Betreiber von EEG-Anlagen können monatsweise auf die EEG-Marktprämie verzichten und ihren Strom direkt vermarkten. Dies kann lukrativ sein, wenn sie aus dem direkten Verkauf des Stroms mehr Erlöse erzielen als mit der Marktprämie.

Ökostrom-Vergleich: Wir haben 69 Ökostromanbieter unter die Lupe genommen.
Ökostrom-Vergleich: Wir haben 69 Ökostromanbieter unter die Lupe genommen. (Foto: Man As Thep/Shutterstock)

Viele Produkte im Test fallen durch 

Die schlechten Nachrichten des Ökostrom-Vergleichs: Dem Großteil der getesteten Ökostromprodukte können wir nicht viel abgewinnen, sie schneiden "mangelhaft" ab. Die Anbieter dürfen sie zwar als Ökostromprodukte verkaufen, da sie aus einem mittels Herkunftsnachweisen zusammengestellten "grünen" Strommix bestehen. Manche davon haben auch Wasserkraftwerke in Süddeutschland oder im gesamten Alpenraum im Portfolio. Sie haben aber für uns keine nachvollziehbare Ausbauwirkung auf zusätzliche erneuerbare Energien oder lassen die Kundinnen und Kunden darüber vollends im Unklaren.

Sie tragen – zumindest gemäß den Infos auf ihren Webseiten – auch nicht zur Etablierung von Post-EEG-Modellen bei. Solche Produkte schneiden mit "mangelhaft" ab. Das ist insbesondere dann schade, wenn sie von Stromanbietern stammen, die eigentlich richtig viel für die Energiewende tun – Anbieter, die etwa viele durch die EEG-Umlage vergütete Kraftwerke bauen oder in ihrem Portfolio ausschließlich erneuerbare Energien haben.

Aus Perspektive der Verbraucherinnen und Verbraucher wären hier eine ehrliche Kommunikation und transparente Stromprodukte dringend notwendig.

Anbieter mit Kohle und Kernkraft: Die Bewertung

Für viele ist es aus politischen Gründen wichtig, wie die Firma aufgestellt ist, von der sie ein Ökostromprodukt erwerben. Gehört etwa ein Atomkraftwerkbetreiber zum Firmenverbund des Anbieters? Wie sieht es mit Kohlestrom aus? Wir haben solche Verflechtungen – im Gegensatz zu früheren Tests – in diesem Ökostrom-Vergleich nicht mehr bewertet.

Wir sind bei unserer Beurteilung von den Ökostromprodukten ausgegangen und haben geprüft, ob Produkte und Anbieter einen für uns nachvollziehbaren Beitrag zur Energiewende leisten. Das können auch Unternehmen, die aus historischen Gründen noch mit der Produktion fossiler oder nuklearer Energie verbunden sind, sich aber gerade wandeln.

Dass sich in diesem Test unter den Anbietern der "sehr guten" Produkten viele politisch engagierte Pioniere der erneuerbaren Energie finden, zeigt, dass diese Unternehmen nicht nur politisch korrekt sind, sondern auch professionell und transparent.

(Foto: ÖKO-TEST)

Auch andere Ökostromprodukte berücksichtigen 

So oder so lohnt es sich, die Stromanbieter genauer ins Visier zu nehmen. Unser Test deckt nur etwa sechs Prozent der Ökostromprodukte am Markt ab. Unter den übrigen Anbietern dürfte es noch viele weitere empfehlenswerte geben.

Es spricht zudem wenig dagegen, einen ganz normalen Stromtarif eines Anbieters zu wählen, der viele EEG-Anlagen betreibt, aber auf die Vermarktung von Ökostromprodukten verzichtet. Denn wie unser Test zeigt: Ökostromprodukte bringen aus unserer Sicht nicht automatisch die Energiewende voran. Wir konnten hier nur die Produkte aufnehmen, die in den meisten Gemeinden erhältlich waren. Es gibt noch viel zu testen. Wir bleiben dran. 

ÖKO-TEST Ratgeber 

Wir haben drei Tipps für Sie: 

  1. Die umweltfreundlichste Energie ist die, die erst gar nicht produziert werden muss. Energiesparen ist das Beste für die Energiewende.
  2. Ein wirksames Ökostromprodukt trägt transparent, etwa mittels eines klar definierten Aufpreises, zum Ausbau der erneuerbaren Energien bei.
  3. Sie wollen sich an Energiewendeprojekten finanziell beteiligen? Manche Anbieter bieten, oft zusammen mit Genossenschaften, schon Beteiligungen im niedrigen dreistelligen Eurobereich an.  

Die Testsieger, die Testtabelle sowie das gesamte Ergebnis im Detail lesen Sie im ePaper.

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 1/2021 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2021 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Bilder in der Produktübersicht: Ade Santani/Shutterstock

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir wollten wissen: Was tragen die Ökostromprodukte am Markt zum Ausbau der erneuerbaren Energien bei? In früheren Veröffentlichungen und Ökostromtests hatten wir uns bei der Auswahl der Tarife an der Eco-Top-Ten orientiert und an Labels, die für einen geprüften Zusatznutzen stehen. In Zusammenarbeit mit dem Saarbrücker Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme (IZES) hat sich ÖKOTEST eine grundlegende Analyse der Angebote auf dem freiwilligen Ökostrommarkt vorgenommen.

Die aktuelle Auswertung der in Deutschland angebotenen Ökostromprodukte listet immerhin 1.284 Ökostromprodukte auf (Datenbasis Get AG). Nur rund 70 sind danach in mehr als 10.000 Gemeinden erhältlich. In unseren Test sind zunächst 69 Produkte eingegangen, die laut Datenbasis in den meisten Gemeinden erhältlich sind. Die Prüfung weiterer Tarife und Produkte behalten wir uns vor.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des IZES haben eine Methode für die Prüfung entwickelt. Sie wollten vor allem wissen: Trägt das Produkt zum Ausbau erneuerbarer Energien, über das EEG hinaus, bei? Sind die Angaben transparent belegt? Durch Stromlabel? Ist transparent zugänglich, was das jeweilige Zertifizierungsinstitut geprüft hat? Gibt es andere Belege? Dazu haben sich die Forschenden die Internetseiten der Anbieter angesehen. Die Ergebnisse haben wir in einem Gesamturteil verarbeitet.

Bewertungslegende 

Die Bewertung erfolgte anhand der Webseiten der Anbieter/des Ökostromprodukts. Das Gesamturteil "sehr gut" vergeben wir für ein Ökostromprodukt mit einem transparent ausgewiesenen Aufschlag auf entweder den Kilowattstundenpreis oder den monatlichen Grundpreis und einer transparente Darstellung auf der Webseite, wie die Aufschläge für den Ausbau der erneuerbaren Energien verwendet werden und hiermit der EE-Ausbau nachvollziehbar gefördert wird und/oder der Anbieter vermarktet Anlagen, die in der sonstigen Direktvermarktung sind.

Das Gesamturteil "gut" vergeben wir an ein Ökostromprodukt, dessen Anbieter PPAs für Neuanlagen oder für Ü20-EEG-Anlagen nachweist, diese aber noch nicht in seinem Portfolio hat.

Das Gesamturteil "befriedigend" vergeben wir an: a) Ökostromprodukte mit Zertifikaten, die Aufpreise implizieren, aber nicht explizit vorgeben (Initiierung und Betrieb von ok.power- & ok-power+-Label/ renewable plus von Bischoff und Ditze und "Wegbereiter der Energiewende") und zu denen die Kunden nur bedingt Informationen zur Ausbauwirkung auf der Webseite erhalten; b) Ökostromprodukte mit einem (impliziten) Aufpreis, zu denen Kunden aber nur unübersichtliche und verwirrende Informationen auf der Webseite erhalten.

Das Gesamturteil "ausreichend" vergeben wir an a) Produkte, deren Anbieter in der sonstigen Direktvermarktung agieren, zu denen die Kunden auf der Webseite jedoch keinerlei Auskunft erhalten; b) Ökostromprodukte, mit Zertifikaten, die Aufpreise implizieren, aber nicht explizit vorgeben (Initiierung und Betrieb von ok.power- & ok-power+-Label/ renewable plus von Bischoff und Ditze und Wegbereiter der Energiewende), bei denen es aber gravierende Mängel in der Transparenz gibt (hier: Zertifikate nicht aufrufbar, Zertifikate nicht verlinkt).

Das Gesamturteil "mangelhaft" vergeben wir für a) ausgewiesene Ökostromprodukte, die nur auf der Basis von Herkunftsnachweisen zustande kommen, oder für Produkte, deren Anbieter mit bayerischem/alpinen Strom aus heimischen Wasserkraftwerken werben, zu deren zusätzlicher Ausbauwirkung sich aber keine Informationen finden lassen und keine kausale Beziehung nachweisbar ist; b) Produkte, deren Modell sich aus den Informationen auf der Webseite nicht nachvollziehen lässt.  

Erhebungszeitraum: Datenbasis GetAG: August 2020. Erhebung Produktdaten: September 2020 bis November 2020

Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 1/2021 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für den Ratgeber Bauen & Wohnen 2021 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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