Zu eng, zu heiß, zu trocken: Auch in den Städten beobachten Forscherinnen und Forscher ein Baumsterben von größerem Umfang. "Bäume leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas, leiden aber selbst unter Hitze und Trockenheit", sagt Forstwissenschaftler Somidh Saha. Er leitet die vom Bundesforschungsministerium geförderte Innovationsgruppe "Urboretum" zum Bestand der Stadtbäume.
Um Bäumen in der Stadt das Überleben zu sichern, brauche es mehr Grünflächen sowie mehr Raum für Wurzeln und Baumkronen. Der Bestand müsse besser geschützt und erhöht werden, betont Saha vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) anlässlich des Tags des Baumes (25. April).
Beim Deutschen Städtetag rennen die Forschenden offene Türen ein. Die Kommunen tun viel für Schutz, Pflege und Neupflanzung. Doch manchmal fehlt es schlicht an Geld.
"Grüne Superhelden" leiden unter Klimastress
Für Städtetag-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy sind Bäume "grüne Superhelden". Doch auch die können schwächeln. So leiden von den etwa 35 einheimischen Baumarten in städtischen und stadtnahen Wäldern im Südwesten Deutschlands nach Schätzung von KIT-Forscher Saha fast alle unter Klimastress.
Allein in den Hitzesommern 2019 und 2020 sind demnach über die Hälfte der Stadtbäume geschädigt worden, bis zu einem Drittel der Jungbäume vertrocknete. Der finanzielle Schaden lag bei bis zu 5.000 Euro pro Baum.
Wurzel versus U-Bahn: Zu wenig Platz in der Stadt
Ein Hauptproblem neben Hitze und Trockenheit in der Stadt: "Bäume haben zu wenig Platz, zu wachsen", sagt KIT-Forscher Saha. Je mehr Raum Wurzeln haben, desto weniger müssen Bäume bewässert werden. Doch im städtischen Untergrund konkurrieren Baumwurzeln mit Rohren, Leitungen, Unterführungen und auch mit U-Bahnen.
Hinzu kommt, dass viele Stadtbäume in den Nachkriegsjahrzehnten gepflanzt wurden. Sie kommen ans Ende ihrer Lebenszeit.
Klimawandel: Nicht alle Bäume sind gut angepasst
Schwierig wird es dem KIT-Forscher zufolge angesichts des Klimawandels etwa für Buche, Fichte, Esche, Hainbuche, Spitzahorn oder Winterlinde. Andere Bäume wie Platanen, Silberlinden, Zürgelbäume oder Gleditschien könnten dagegen selbst in städtischen Wärmeinseln überleben. Sie gelten als Zukunfts- und "Klimabäume".
Baumarten, die sich nicht anpassen, sterben allmählich ab oder weichen in kühlere Gegenden aus, sagt Saha. Manche jedoch entwickeln auch Eigenschaften wie Trockenverträglichkeit, die in früheren Generationen einer Art nicht ausgeprägt waren.
Götterbaum verträgt Trockenheit – hat aber Nachteile
Robinie, Zürgelbaum, Silberlinde, Blumenesche oder Gleditschie – Städte pflanzen seit Jahren widerstandsfähige Bäume. Doch noch sei das Potenzial der Baumarten zur Kühlung der städtischen Umwelt unzureichend erforscht, sagt Saha.
Robust ist nicht immer erwünscht: So gedeiht der im 18. Jahrhundert aus China als Ziergehölz für Parks und Gärten geholte Götterbaum auch bei Trockenheit prächtig. Doch, so warnt Saha: "Er hat das Potenzial, andere Baumarten zu verdrängen."
Die Robinie tut das auch. Zum "Baum des Jahres" wurde sie wegen ihrer Widerstandsfähigkeit dennoch vor fünf Jahren gekürt – trotz Bedenken von Naturschützern.
Welche Bäume in der Stadt pflanzen? Die Vielfalt macht's
Die Wissenschaftler plädieren dafür, mehr Bäume aus der Mittelmeerregion zu testen, wie Ungarische Eiche oder Schmuckesche; und einheimische dürre-tolerante Sorten oder Varianten davon zu züchten, wie Elsbeere, Echte Mehlbeere, Trauben- oder Flaumeiche.
Bei einheimischen Bäumen haben Samen trockener Standorte einen Vorteil. Solche Bäume sind resistenter, wie der Vergleich von Rotbuchen auf kargen und feuchten Flächen zeigt.
Studie: Bäume können Hitzestunden in Städten reduzieren
"Bäume sind für die Städte von schier unschätzbarem Wert", betont Helmut Dedy vom Städtetag. Sie verbessern durch Schatten und Verdunstung das Mikroklima, kühlen Asphalt und Beton, nehmen Feinstaub auf und bieten Vögeln und Insekten ein Zuhause.
Ein Forschungsteam hat das für Karlsruhe genauer modelliert. "Wir können zeigen, dass eine Erhöhung des Baumbestandes um mindestens 30 Prozent die jährliche Zahl der extremen Hitzestunden um fast 64 Prozent und den jährlichen Wasserabfluss um 58 Prozent verringern könnte", fasst Saha, der Mitautor war, die Studie zusammen. Besonders bei dichter Bebauung könnten Bäume den Schutz vor Hitze und Hochwasser verstärken.
Wie wichtig Bäume für das direkte Wohlbefinden von Menschen in Städten sind, haben Saha und weitere Forschende mit einer Befragung von 302 Menschen untersucht. Ergebnisse: Sie gaben überwiegend an, sich an jenen Orten in der Stadt besonders wohlzufühlen, an denen sie selbst die allgemeine Artenvielfalt besonders hoch einschätzen. Zudem erhöhen ein hoher Beschattungsgrad durch Baumkronen und der Reichtum an großen Bäumen in der Stadt das Wohlbefinden der Bevölkerung.
Zum Tag des Baums: ein Appell an Städte
Saha und sein Team appellieren an Städte, noch mehr in ihre Bäume zu investieren. Viele Städte gestalten bereits seit längerem Plätze und Straßen wegen des Klimawandels um. Wichtig wären aus seiner Sicht langfristige Monitoring-Programme für Stadtbäume, mehr Kooperationen zwischen Kommunen und Wissenschaft und auch die Mithilfe der Bewohnerinnen und Bewohner, etwa durch Baumpatenschaften.
Viele Städte haben bereits Monitoring und Baumkataster. Die Finanzierung sei angesichts extrem angespannter kommunaler Haushalte aber nicht immer einfach, gibt Dedy zu bedenken.
Für Forscher Saha ist es "aus ökologischer und bio-meteorologischer Sicht absolut katastrophal", wenn neu gestaltete Plätze wie der Karlsruher Marktplatz nicht begrünt werden. Zugleich weiß er, dass örtliche Besonderheiten berücksichtigt werden müssen, wie eine U-Bahn unter dem Platz. Die Umgestaltung der City von Paris zeige aber: "Es ist auch immer eine Frage der politischen Motivation."