Schimmelpilzgift in Apfelsaft: Was hat es mit Patulin auf sich?

Interview mit der Biologin Dr. Franziska Blaum

Autor: Rebecca Welsch | Kategorie: Essen und Trinken | 22.10.2024

In Äpfel und Apfelerzeugnissen bildet sich besonders häufig Patulin
Foto: Pixel-Shot/Shutterstock

Äpfel sind ein gesunder und leckerer Snack. Es sei denn, sie enthalten Schimmelpilzgifte. Äpfel und Apfelerzeugnisse beinhalten besonders oft das Mykotoxin Patulin, welches als Nervengift zu Verdauungsstörungen führen kann. Was ist das Problem mit Patulin und kann die Bildung verhindert werden?

Dass wir in unserem aktuellen Apfelsaft-Test auf das Schimmelpilzgift Patulin gestoßen sind, war eine Überraschung. In unserem vorangegangenen Test waren Schimmelpilzgifte nämlich gar kein Thema.

Warum ist Patulin ein Problem in Äpfeln und Apfelerzeugnissen? Und was können die Hersteller gegen das Schimmelpilzgift tun? Dr. Franziska Blaum, Biologin und Projektleiterin bei ÖKO-TEST, gibt Antworten.

Äpfel werden von Schimmelpilzen befallen 

Was ist Patulin eigentlich genau? 

Franziska Blaum: Patulin ist ein Mykotoxin, das von verschiedenen Schimmelpilzen gebildet werden kann. Insbesondere der Schimmelpilz Penicillium expansum ist die Hauptursache für die Fäulnis von Äpfeln. Wenn Äpfel bräunlich-faul sind, enthalten sie oft dieses Toxin. In etwa 40 Prozent der braunfaulen Stellen von Äpfeln ist Patulin nachweisbar.

Ein guter Nährboden für Schimmelpilze, die Patulin bilden, sind Früchte, die durch Insekten, Vögel oder während der Verarbeitung beschädigt wurden. 

Und wie kommt das Patulin dann in den Saft?

Blaum: Wenn man Äpfel presst, die schon von Schimmelpilzen befallen sind und deshalb Patulin enthalten, ist das Risiko groß, dass auch im Saft Patulin nachweisbar ist. Denn Patulin-Gehalte in befallenen Stellen von Äpfeln können recht hoch sein, sodass bereits geringe Mengen verschimmelter Äpfel ausreichen, um eine große Menge Apfelsaft auf Werte bis oder über 50 µg/kg, also den EU-Höchstwert, zu kontaminieren.

Patulin kann Erbrechen und Verdauungsstörungen auslösen

Welche Auswirkungen hat Patulin auf den Körper?

Blaum: Patulin hat zwar antibiotische Eigenschaften, wird aber aufgrund seiner Giftigkeit nicht als Antibiotikum eingesetzt. Dass Schimmelpilze antibiotisch wirkende Stoffe bilden, ist übrigens nichts ungewöhnliches: Penicillin wird auch von Schimmelpilzen gebildet. 

Patulin wird zudem als genotoxisch eingestuft. Das bedeutet, dass es die DNA schädigen kann. Das Schimmelpilzgift ist jedoch nicht krebserzeugend. Als Nervengift kann Patulin aber zu Erbrechen, Verdauungsstörungen wie Magenschleimhautentzündungen und in extremen Fällen auch zu Organblutungen führen. Außerdem soll Patulin leberschädigend sein. 

Es gibt seit 2003 einen EU-Grenzwert für Patulin, diesen halten alle Apfelsäfte in unserem Test ein. Warum werten wir dann trotzdem ab?

Blaum: Die Empfehlung der EU-Kommission zur Prävention und Reduzierung der Patulinkontamination von Apfelsäften sieht als Zielwert 25µg/kg vor. Aber: Die EU-Höchstmenge für Patulin in Apfelsäften und Apfelerzeugnissen, die für Säuglinge und Kleinkinder ausgelobt sind, liegt nur bei 10 µg/kg.

Im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes sind wir der Meinung, dass es für die Hersteller möglich sein sollte, diesen Zielwert einzuhalten. Entsprechende Maßnahmen wie eine sorgfältige Lagerung und Ernte, eine umsichtige Verarbeitung, sowie eine sorgsame Sortierung helfen dabei, die Patulinkontamination zu kontrollieren. Dass dies möglich ist, zeigt ja auch unser Test: In zahlreichen Apfelsäften konnten wir kein Patulin nachweisen.

Was Hersteller gegen Patulin tun können

Was können Safthersteller tun, um Patulin im Saft zu verhindern?

Blaum: Das wichtigste ist, von Schimmel betroffene Äpfel nicht zu verarbeiten. Dafür braucht es eine sorgfältige Ernte, bei der insbesondere sichtbar verdorbene Äpfel bereits aussortiert werden.

Bei der Lagerung sollten die Hersteller darauf achten, dass Schimmelbildung vermieden wird, etwa durch geeignete Temperaturen und wenig Luftfeuchtigkeit. Auch vor der Verarbeitung der Äpfel sollte nochmals kontrolliert werden, dass das Obst schimmelfrei ist. 

    Kann ich erkennen, dass ein Apfelsaft Patulin enthält?

    Blaum: Darauf sollte man sich nicht verlassen. Direkt riechen, schmecken oder sehen kann man Patulin im Saft nicht. Aber: Wenn ein Saft ungewöhnlich und muffig riecht, kann das ein Hinweis auf mikrobielle Aktivität sein. Dann sollte der Saft nicht mehr getrunken werden.

    In welchen Produkten kann Patulin noch vorkommen?

    Blaum: Patulin kommt in unterschiedlichen Lebensmitteln wie Obst, Gemüse oder Getreide vor. Die wichtigste Kontaminationsquelle sind jedoch belastetes Kernobst und Kernobsterzeugnisse. Äpfel und Apfelprodukte sind besonders häufig betroffen.

    Sollte ich Äpfel mit Faulstellen nicht essen? 

    Blaum: In einem Abstand von mehr als zwei Zentimeter von der befallenen Stelle ist Patulin in Äpfeln nicht mehr nachweisbar. Das heißt, dass man die befallenen, braunen Stellen großzügig herausschneiden sollte. Äpfel mit Faulstellen sollten aber nicht mehr gelagert werden. Und: Patulin ist hitzebeständig, es wird durch Garen also nicht vollständig zerstört. 

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