Weit gereister Irrsinn: Erdbeeren trocknen Anbauländer aus
Endlich Frühling, die Regale füllen sich – mit Erdbeeren. Also zugreifen? Besser noch nicht, raten die ÖKO-TEST-Autorinnen Kerstin Scheidecker und Katja Tölle in ihrem neuen Buch „Gibt’s das auch in Grün?“. Denn die ersten Erdbeeren im Regal stammen meist aus Ägypten oder Marokko und kommen mit dem Flugzeug zu uns. Auch die spanischen Erdbeeren sind ökologisch bedenklich – und deutsche haben zu diesem Zeitpunkt die schlechteste Klimabilanz von allen.
Erdbeeren liegen auf Platz 4 der beliebtesten Früchte in Deutschland. „Kaufen sollten Verbraucher sie aber besser nicht jetzt, sondern erst ab Ende Mai bis Anfang Juli, wenn sie auch hier auf den Feldern wachsen“, raten Scheidecker und Tölle. Denn: Die allermeisten Früherdbeeren stammen aus Spanien, genauer aus der andalusischen Provinz Huelva, eine der trockensten Regionen Europas. Das macht den Anbau extrem wasserintensiv. „Laut WWF verbraucht 1 Kilo Erdbeeren im Durchschnitt rund 300 Liter Wasser und fährt dann noch die rund 2.500 Kilometer per Lastwagen zu uns“, heißt es im Buch. Dazu kommt, dass immer mehr Landwirte vor Ort tiefe, illegale Brunnen graben, um an das Wasser für den Anbau zu kommen. Dabei rücken sie immer näher an den Nationalpark Coto de Doñana. Das einst wichtigste Feuchtgebiet Spaniens ist mittlerweile ausgetrocknet.
Flugerdbeeren schneiden noch schlechter ab
„Wasserintensive Früchte wie Erdbeeren in dermaßen trockenen Regionen anzubauen, ist ökologischer Irrsinn“, betont Katja Tölle, stellvertretende Chefredakteurin von ÖKO-TEST. Das gelte auch für Erdbeeren aus Marokko oder Ägypten. Deren CO2-Fußabdruck ist im Vergleich zu spanischen Erdbeeren rund 5,5-Mal so hoch, weil sie eingeflogen werden. Und das zu Preisen, mit den die heimischen Erdbeerbauern Ende Mai kaum mithalten können, sagt Tölle. So hätten die günstigsten Erdbeeren beim letzten Test von ÖKO-TEST gerade einmal 1,94 Euro pro 500 Gramm gekostet. Ein Schnäppchen-Preis, den die Umwelt in Ägypten und Andalusien und auch die Menschen, die die Früchte dort anbauen, teuer bezahlen. So arbeiten viele Pflücker für weniger als den Mindestlohn und leben in Ghettos ohne Zugang zu sauberem Wasser. Der Test zeigte im vergangenen Jahr auch, dass viele der Erdbeeren mit Pestizidrückständen belastet waren.
Also besser deutsche Früherdbeeren kaufen?
Bloß nicht, sagt Scheidecker. Sie stammen aus energieintensiven Gewächshäusern und sind damit tatsächlich noch schlechter für die Umwelt als spanische Erdbeeren aus dem Freiland. Der Ratschlag der Autorinnen fällt daher einhellig aus: „Auch wenn es schwerfällt: Besser noch ein kleines bisschen warten, bis die heimischen Früchte reif sind“, rät Scheidecker. Denn: „Die schmecken auch besser.“ In Spanien werden nämlich hauptsächlich festere Sorten angebaut, die gut für den Transport sind, dafür aber auch weniger aromatisch schmecken. Wer auch in anderen Bereichen nachhaltig einkaufen will, findet im Buch „Gibt’s das auch in Grün?“ viele weitere praktische Tipps und spannende Hintergrundinformationen – vom Waschmitteleinkauf über Fashion bis hin zu Ökostrom.
Kerstin Scheidecker, Katja Tölle
Gibt’s das auch in Grün?
Tricks der Industrie durchschauen,
nachhaltig einkaufen
2024, 240 Seiten, € 24,-
ISBN 978-3-593-51837-4
Auch als E-Book erhältlich
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