27.04.2017 | PVC-Böden gelten seit einiger Zeit als Trendprodukte und die Absätze steigen. Hersteller bewerben sie als besonders haltbare, gut zu reinigende und vergleichsweise günstige "Allrounder", die nahezu jeden erdenklichen Bodenbelag täuschend echt imitieren können und mittlerweile auch schadstoffarm sein sollen. Ungeachtet dessen, dass längst nicht alle Produzenten auf umwelt- und gesundheitsschädigende Zusätze verzichten, verschweigt die Branche gerne ein weitaus grundlegenderes Problem der Böden: nämlich deren Ausgangsmaterial Polyvinylchlorid (PVC). Sein gesamter Lebenszyklus ist mit verheerenden Begleiterscheinungen für Mensch und Natur verbunden.
Test PVC-Böden: Bodenbeläge von Bauhaus, Hornbach, Hellweg, Toom, Globus & Co. auf Schadstoffe geprüft
Bereits die Herstellung des PVC-Polymers auf Basis von Erdöl und Steinsalz setzt gefährliche Schadstoffe frei: unter anderem Dioxine. Substanzen dieser Stoffgruppe können in die Luft, das Grundwasser und den Boden gelangen. Sie bauen sich biologisch nur sehr langsam ab, reichern sich vor allem über die Nahrungsaufnahme im tierischen und menschlichen Fettgewebe an und sind in unterschiedlichen Abstufungen toxisch.Das giftigste Dioxin, 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD), ist beispielsweise seit 1997 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als krebserzeugend eingestuft und bereits in kleinsten Mengen extrem toxisch.
Um das im Rohzustand spröde und harte PVC formbar zu machen, setzen Boden-Hersteller Weichmacher ein. In der Weiterverarbeitung kommen dabei immer noch häufig Phthalate zur Anwendung, die in Kinderprodukten gesetzlich reglementiert sind. Diese sind nicht fest im Material gebunden. Sie können vor allem über Hausstaub in den menschlichen Körper geraten und entweichen dauerhaft aus den Böden - erst wenn das Material porös wird, ist davon auszugehen, dass die enthaltenen weichmachenden Substanzen vollständig oder zumindest größtenteils ausgedünstet sind. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung sind Phthalate "mittlerweile überall in der Umwelt nachgewiesen". Allein in Westeuropa beläuft sich das jährliche Produktionsvolumen auf rund eine Million Tonnen. Mehr als 90 Prozent gehen in die Herstellung von Weich-PVC-Produkten wie Fußböden.
Im Test: Wir wollten wissen, in welchem Umfang bedenkliche Weichmacher und andere schädliche Zusätze heutzutage in PVC-Böden stecken. Deshalb haben wir bewusst auf Premiumprodukte der Branche wie besonders schadstoffarme Designbodenbeläge verzichtet. In die von uns beauftragten Labore gingen zwölf PVC-Böden von der Rolle.
In getesteten PVC-Belägen oft hormonell wirksamer Weichmacher nachweisbar
Das Ergebnis: In unserem Test PVC-Böden 2012 sind alle geprüften Produkte mit "ungenügend" durchgefallen. Dieses Mal schneiden immerhin jeweils zwei "befriedigend" und "ausreichend" ab. Trotzdem ist der Notenschnitt insgesamt wieder sehr schlecht: Acht Beläge fallen mit "ungenügend" durch.
Dies liegt vor allem an weichmachenden Inhaltsstoffen. Mehr als die Hälfte aller geprüften Böden überschreitet unsere Abwertungsgrenzen für gesetzlich reglementierte Phthalate deutlich und kassiert deshalb einen Abzug von vier Noten. Konkret beanstanden wir DINP, das unter anderem hormonell wirksam ist. Die Substanz gehört zu einer Gruppe von Phthalaten, die in Produkten, die von Kindern unter drei Jahren in den Mund genommen werden, gesetzlich reglementiert sind.
Mit einer Ausnahme stecken in allen Böden auch Ersatzweichmacher. Die gefundenen Verbindungen sind bislang nicht hinreichend auf mögliche gesundheitliche Risiken untersucht.
Zwei Produkte enthalten abwertungsrelevante Gehalte von Dibutylzinn (DBT). DBT kann bereits in kleineren Dosierungen das Immun- und Hormonsystem von Tieren und vermutlich auch das des Menschen beeinträchtigen. Gemäß dem europäischen Chemikalienrecht darf die Konzentration von Zinn in Produkten für die breite Öffentlichkeit bezogen auf deren Gewicht maximal 0,1 Prozent betragen.
PVC-Boden im Test: nur zwei von zwölf PVC-Bodenbelägen "befriedigend"
Sechs Böden enthalten phosphororganische Verbindungen, die in der Regel als Flammschutzmittel dienen, aber auch die Umwelt belasten. In fünf Produkten hat das von uns beauftragte Labor erhöhte Gehalte von Tributoxyethylphosphat (TBEP) vorgefunden, für das Studien auch haut- und augenreizende Wirkungen belegen. In einem weiteren Boden sind größere Mengen einer stark wassergefährdenden phosphororganischen Verbindung enthalten.
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