Wie müssen Lebensmittel gekennzeichnet sein, damit wir bessere Kaufentscheidungen treffen und uns gesünder ernähren? Diese Frage treibt unter anderem das Bundesernährungsministerium um, das sich – nach langem Hin und Her – inzwischen für die Lebensmittelampel Nutri-Score ausspricht.
Ein anderes Konzept ist das sogenannte PACE Food Labelling. Die Abkürzung steht für "physical activity calorie equivalent". Das Label zeigt ein Feld, das die in einem Lebensmittel enthaltenen Kalorien angibt und zwei weitere Felder, die darüber informieren, wie viele Minuten man joggen oder gehen müsste, um sie wieder abzutrainieren. Es betont damit den Aspekt Bewegung, der für eine gesunde Lebensweise ebenso bedeutsam ist wie die Ernährung.
Ein Schokoriegel in Sportminuten umgerechnet
Mit dem PACE-System bekommt man deutlich vor Augen geführt, dass die Pizza einen vierstündigen Verdauungsspaziergang nach sich ziehen sollte – und dass die Kalorien aus einem Salat in nur 15 Minuten verbraucht wären. Oder man erfährt, dass die 230 Kalorien aus einem kleinen Schokoriegel etwa 46 Minuten gehen oder 23 Minuten joggen erfordern würden. Eine solche Erkenntnis könnte wehtun. Wie sehr, das haben nun Wissenschaftlerinnen der britischen Universität Loughborough untersucht.
In einer Meta-Analyse werteten sie 14 Studien zu diesem Thema aus, die Ergebnisse wurden im "Journal of Epidemiology & Community Health" publiziert. Die Forscherinnen stellten fest, dass das PACE-Label die Kalorienaufnahme leicht reduzieren konnte: Im Schnitt wählten die Verbraucher Lebensmittel mit (pro Mahlzeit) etwa 65 Kilokalorien weniger aus. Im Vergleich zu anderen Labels oder gar keinen Labels konsumierten sie rund 80 bis 100 Kalorien weniger.
Im Schnitt 200 eingesparte Kalorien pro Tag
Rechnet man mit drei Mahlzeiten am Tag und zwei zusätzlichen Snacks, so die Forscherinnen, käme man etwa auf geschätzte 200 eingesparte Kalorien. Das klingt nach nicht besonders viel, die Wissenschaftlerinnen betonen jedoch: Schon eine kleine, langfristige Kalorienreduktion, kombiniert mit körperlicher Aktivität, könnte sich positiv auf die Gesundheit auswirken und Übergewicht in der Bevölkerung eindämmen.
Die Studienleiterin Amanda J. Daley sieht das PACE-Label daher als vielversprechenden Ansatz und erklärt: "Es ist eine simple Strategie, die von den Herstellern ganz einfach in die Verpackung von Essen und Getränken, von Supermärkten in die Preisschilder und von Restaurants und Fast-Food-Ketten in die Speisekarten integriert werden könnte."
"Extrem problematisch" für Menschen mit Essstörungen
So verlockend einfach und effektiv der Ansatz erscheint, um Adipositas entgegenzuwirken: Es gibt auch Kritik am PACE-Label. So zitiert "CNN" Nichola Ludlam-Raine, eine Sprecherin der British Dietic Association, die PACE als "extrem problematisch" für Menschen mit Essstörungen einschätzt. Denn das Label suggeriere, dass Essen "verdient" und wieder abtrainiert werden müsse.
Zudem fokussiere sich das Label ausschließlich auf Kalorien und nicht auf die Nährstoffe in den Lebensmitteln – so wie es etwa beim Nutri-Score der Fall ist. Ludlam-Raine gibt zu bedenken, dass man eine schlechte Ernährung mit Süßigkeiten und Softdrinks aber nicht einfach durch Sport kompensieren kann.
Noch keine Studie unter realen Bedingungen
Im Übrigen weist die aktuelle Meta-Analyse einige Schwächen auf. So wurden nur verhältnismäßig wenige Studien einbezogen und die Ergebnisse der einzelnen Studien waren zum Teil sehr unterschiedlich. Hinzu kommt, wie die Forscher selbst einräumen, dass die meisten Studien unter Laborbedingungen stattfanden – Untersuchungen unter realen Bedingungen, also etwa in Supermärkten oder Restaurants, müssten noch folgen.
Einen Beweis dafür, dass der Kalorien-Warnhinweis tatsächlich wirkt und dazu führt, dass Verbraucher weniger ungesunde Lebensmittel konsumieren, liefert die Studie nicht. Und möglicherweise könnte das Label manch einen erst recht vom Sport abhalten – denn wer mit einer Stunde joggen nur ein Viertel Pizza abtrainiert, lässt es womöglich ganz bleiben.
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