Warum wir es bei dem Bertolli Olivenöl so eilig haben? Nun, der Anbieter des Bertolli-Öls, die Deoleo Deutschland GmbH, war not amused, als er die Ergebnisse der von uns beauftragten Labore gelesen hat. Wir informieren die Hersteller grundsätzlich vorab über die Laborergebnisse – nicht unsere Bewertung – damit sie Stellung nehmen können.
Wir bekamen daraufhin Post von einer Anwaltskanzlei, die uns darüber informierte, dass man möglicherweise – sollten wir die Ergebnisse veröffentlichen – "einstweilige Maßnahmen gegen die Veröffentlichung" ergreifen werde. Das könnte also heißen, dass uns ein Gericht per einstweiliger Verfügung sehr schnell untersagt, diesen Artikel hier weiterhin zu veröffentlichen – bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung, ob wir die Behauptungen hier aufstellen dürfen oder nicht.
Neben den Unterlassungsforderungen könne eine solche Veröffentlichung allerdings auch erhebliche Schadensersatzansprüche zur Folge haben, stellt die Kanzlei fest – "erhebliche" und "Schadensersatzansprüche" ist gefettet, damit wir es nicht überlesen.
Bertolli Olivenöl im Test "mangelhaft": Die Gründe
Doch warum bekommt das Bertolli Olivenöl die Gesamtnote "mangelhaft"? Die Antwort hat einen einzigen Grund: Mineralölbestandteile. Das von uns beauftragte Labor hat in der untersuchten Charge die gesättigten Kohlenwasserstoffe MOSH/MOSH-Analoge in einer Höhe gemessen, die wir als "stark erhöht" bewerten.
Zudem hat das Labor die besonders bedenklichen aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffe MOAH im Bertolli Olivenöl nachgewiesen. MOSH können sich im Körper anreichern – was das für die menschliche Gesundheit bedeutet, ist noch völlig ungeklärt. MOAH sind noch bedenklicher, darunter können sich Stoffe befinden, die krebserregend sind.
Deswegen sagt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung ganz klar: MOAH haben in Lebensmitteln nichts zu suchen. Wir ziehen hier für die Belastung mit Mineralölbestandteilen vier Noten ab, womit das Bertolli Natives Olivenöl Extra Originale bei einem Gesamturteil "mangelhaft" landet.
Die Mineralölbelastung im Test ist übrigens nichts Bertolli-spezifisches: Nur ein einziges Produkt ist komplett frei davon. In allen anderen stecken zumindest MOSH/MOSH-Analoge und in sieben Ölen hat das Labor auch die besonders bedenklichen MOAH nachgewiesen.
Weshalb Deoleo die Veröffentlichung verbieten will
Zwei Gründe:
- der Fund von Mineralölbestandteilen
- die Ergebnisse der sensorischen Prüfung
Zu Punkt Nr. 1: Mineralölbestandteile
Das von uns beauftragte Labor hat in der untersuchten Charge des Bertolli Olivenöls MOSH/MOSH-Analoge und MOAH nachgewiesen. Die Anwaltskanzlei weist uns darauf hin, "dass nach wie vor wissenschaftlich völlig ungeklärt ist, ob MOSH/POSH bzw. MOAH negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat."
Nun ja, erst einmal: Dass MOAH in Lebensmitteln absolut nichts zu suchen haben, da sich darunter krebserregende Verbindungen finden können – darüber müssen wir wohl nicht ernsthaft diskutieren. Und dass MOSH sich im Körper anreichern, ist auch klar.
Es stimmt tatsächlich, dass völlig unklar ist, was sie dort anrichten. Da kann man natürlich sagen: Passt schon, wird schon. Wir sagen hingegen: Aus Gründen des vorbeugenden Verbraucherschutzes sollten die MOSH-Gehalte so weit wie irgend möglich reduziert werden. Und dass das geht, zeigt ein Anbieter in unserem Test, in dessen Olivenöl weder MOSH/MOSH-Analoge, noch MOAH nachweisbar waren.
Labor wendet offizielle Normmethode für Analyse an
Das Labor, das wir beauftragt haben, ist eins der führenden Labore der Welt in dieser Analytik, selbstverständlich dafür akkreditiert, und testet nach einem etablierten europäischen Normverfahren. Sicherer und besser geht es also nicht.
Die Anwaltskanzlei der Deoleo Deutschland GmbH zweifelt die Ergebnisse dennoch an. Denn: Ihres Wissens existiere derzeit "keine zuverlässige Methode, um natürlich auftretende Kohlenwasserstoffe von auf Mineralöl basierenden Kohlenwasserstoffen zu unterscheiden", zudem sei die Methode ohnehin "umstritten". Nur: Unser Labor kann das, zweifelsfrei. Und die Methode ist nicht "umstritten", sie ist eine offizielle Normmethode für die Analyse von Ölen und Fetten.
Wie sieht es mit der Messunsicherheit aus?
Die Anwaltskanzlei geht zudem von einer Messunsicherheit der Labormethode von bis zu 70 Prozent aus, womit überhaupt keine belastbaren Ergebnisse möglich seien. Erst einmal: Willkommen im Laboralltag, liebe Anwaltskanzlei. Jede Messmethode hat eine teils erhebliche Messunsicherheit – es gibt keine "wahren" Werte, es gibt grundsätzlich nur Annäherungen.
Unser Labor misst so genau, dass es nicht 70, sondern 40 Prozent sind – noch genauer geht es aktuell nicht. Das ist übrigens keine ungewöhnlich hohe "Messunsicherheit", auch wenn sich das für Laien vielleicht erst einmal so anhört.
Und selbst wenn wir zu Deoleos Gunsten 40 Prozent abziehen würden: Die gemessene Belastung mit MOSH/MOSH-Analoga ist im Bertolli Olivenöl derart hoch, dass wir sie selbst dann noch mit "stark erhöht" und somit "mangelhaft" bewerten würden. Nur was, wenn dieser ominöse "wahre" Wert 40 Prozent über dem gemessenen liegt?
Bertolli Olivenöl im Test: Ergebnisse der Sensorikprüfung
Zu Punkt Nr. 2: sensorische Prüfung
Die untersuchte Charge des Bertolli Olivenöls hat unseren geschulten Sensorik-Prüferinnen und -Prüfern nicht ganz so gut geschmeckt, wie die Deoleo Deutschland GmbH das gern gehabt hätte. So richtig relevant ist das nicht, weil wir nur wirkliche Fehler im Geschmack abgewertet haben – also etwa, wenn ein Olivenöl "ranzig" schmeckte.
Das konnte die Deoleo Deutschland GmbH zu dem Zeitpunkt aber nicht wissen, weil wir den Herstellern wie gesagt vorab zur Stellungnahme grundsätzlich nur die Laborergebnisse, nicht unsere Bewertung mitteilen.
Jetzt ist es aber gar nicht so, dass Deoleo das Ergebnis unserer Sensorikprüfung anzweifelt. Im Gegenteil: Von der Firma selbst beauftragte Prüfungen seien allein in diesem Jahr bei zwei Chargen des Bertolli Natives Olivenöl Extra Originale zum selben Ergebnis gekommen, teilt uns die Kanzlei mit. Aber eben bei 16 Chargen auch nicht.
Offizielle Verordnung sieht Test eines Produkts vor
Wir könnten die Bewertung eines Naturprodukts nicht allein auf eine Charge stützen, meint die Anwaltskanzlei. Sie stützt sich dabei auf ein Urteil des Oberlandesgerichts München, das vor ein paar Jahren zu dem Schluss kam, damals ging es um Salat.
Wir meinen allerdings: Salat ist kein Olivenöl. Und auch die offizielle Verordnung für die Überprüfung von Olivenöl sieht nur das Testen eines einzigen Produkts vor. Die Anwaltskanzlei schreibt: Bei dem Ergebnis dieser Charge handle es sich "um natürliche Schwankungen oder schlichtweg einen sog. Ausreißer".
Wir meinen: Ja, ok, und dann ist das egal? Und die Verbraucherinnen und Verbraucher, die ein Bertolli Olivenöl einer dieser drei Chargen kaufen, die haben halt einfach Pech gehabt? Ist der Anbieter nicht für den Geschmack, die Qualität und die Schadstofffreiheit jeder einzelner seiner Chargen verantwortlich?
Was der Anbieter des Bertolli Olivenöls vorschlägt
Wir könnten natürlich von einer Veröffentlichung absehen, schlägt uns die Anwaltskanzlei vor. Klar, könnten wir. Wollen wir aber nicht. Und jetzt wird es abenteuerlich: In dem Fall könnten wir unsere Bewertung anhand des "tatsächlich erzielten" Sensorikwerts vornehmen – also der Aufzählung der von Deoleo selbst in Auftrag gegebenen Untersuchungen anderer Chargen, für die uns nicht einmal Untersuchungsberichte vorliegen.
Bewertung als Gemeinschaftsprojekt quasi. Ein interessantes Verständnis von Pressefreiheit, das dem Vorschlag zugrunde liegt. Vielleicht hat auch jemand aus der Presseabteilung der Deoleo Deutschland GmbH Lust, den Text zu schreiben?
So setzt sich das Gesamturteil zusammen
Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe und Sensorik. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note.
Weil das von uns beauftragte Labor in der untersuchten Charge des Bertolli Natives Olivenöl Extra Originale einen von uns als "stark erhöht" bewerteten Gehalt an MOSH/MOSH-Analoga gemessen und zudem MOAH nachgewiesen hat, ziehen wir vier Noten ab. Damit lautet das Testergebnis Inhaltsstoffe und Sensorik und somit auch das Gesamturteil "mangelhaft".
Der Test zeigt: Die meisten Olivenöle rasseln gnadenlos durch und schneiden "mangelhaft" oder "ungenügend" ab. Im Test von 20 Olivenölen erreichte nur ein Produkt ein "sehr gut", zwei weitere waren "befriedigend".
Sie haben es bis hier her geschafft?
Wunderbar! Vielleicht sieht die Deoleo Deutschland GmbH ja nun doch von rechtlichen Schritten ab und investiert die gewonnene Zeit in die Sicherstellung der Qualität jeder einzelner ihrer Chargen. Wir würden uns freuen – für uns und für die Kundinnen und Kunden des Bertolli-Öls.
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