Oliven werden schon seit Jahrtausenden angebaut und zu Öl verarbeitet – und das nicht nur im Mittelmeerraum. Auch im Nahen Osten und in Afrika hat das "flüssige Gold" eine lange Geschichte. Bereits in der Antike wussten die Menschen von der gesunden Wirkung von Olivenöl und wendeten es innerlich wie äußerlich an.
Noch heute gehört Olivenöl in Ländern wie Italien, Griechenland und Spanien zu den Grundnahrungsmitteln. Wie Studien zeigen, scheinen die Menschen aus der Mittelmeerregion wohl gesünder zu sein: Sie sollen unter anderem weniger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht leiden und eine insgesamt höhere Lebenserwartung haben. Was hat Olivenöl damit zu tun?
Fettsäuren im Olivenöl sind gut für das Herz
"Olivenöl besteht zum Großteil aus einfach ungesättigten Fettsäuren, vor allem Ölsäure. Das ist eine Omega-9-Fettsäure, die sich positiv auf den Cholesterinspiegel und die Herzgesundheit auswirkt", erklärt Diplom-Ökotrophologin Dagmar von Cramm. "Denn sie kann das schädliche LDL-Cholesterin senken – ein Blutfett, das dazu neigt, die Arterien zu verstopfen", sagt die Bestsellerautorin, die auch auf ihrem Youtube-Kanal viele gesunde Rezepte zeigt.
Die Folge von "verkalkten" Arterien (Arteriosklerose): Es droht eine koronare Herzkrankheit. Tritt sie auf, wird das Herz nicht mehr mit genug Sauerstoff versorgt. Die Gefahr steigt, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu erleiden. "Die Ölsäure im Olivenöl kann das Risiko dafür senken", betont Dagmar von Cramm.
Daneben habe die Ölsäure noch einen weiteren Vorteil: "Sie ermöglicht die Aufnahme der wertvollen Omega-3-Fettsäuren im Körper." Sie gehören zu den mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die zu etwa zehn Prozent im Olivenöl enthalten seien. "Die Omega-3-Fettsäuren tragen in besonderem Maße zu gesünderen Blutfetten bei und beugen so Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor", betont Dagmar von Cramm. Sie seien besonders wichtig, da der Körper sie nicht selbst herstellen kann.
"Die 'guten' Fette sind also ein Grund, warum Olivenöl und die mediterrane Ernährung beziehungsweise Diät so gesund ist." Allerdings stecken diese "guten Fette" auch in anderen Lebensmitteln, die am Mittelmeer oft gegessen werden, wie Fisch und Nüssen. Ebenso häufig kommt dort frisches Obst und ballaststoffreiches Gemüse auf den Tisch. Rotes Fleisch und Milchprodukte sind dagegen seltener auf dem Speiseplan zu finden.
Auch Pflanzenstoffe machen Olivenöl gesund
Olivenöl weist aber nicht nur eine gesunde Fettsäurezusammensetzung auf. "Es ist auch reich an sekundären Pflanzenstoffen, genauer gesagt, an Polyphenolen", sagt Dagmar von Cramm. Die machen einerseits das Öl länger haltbar, indem sie verhindern, dass es durch den Kontakt mit Sauerstoff ranzig wird. Auf der anderen Seite werden ihnen auch eine Reihe an gesundheitsfördernden Wirkungen zugeschrieben.
"Polyphenole wirken entzündungshemmend und antioxidativ. Sie verstärken daher den positiven Effekt der Fettsäuren auf das Herz und die Gefäße", hebt die Ernährungsexpertin hervor. "Außerdem können diese bioaktiven Pflanzenstoffe unsere Zellen vor freien Radikalen schützen." Dabei handelt es sich um Sauerstoffverbindungen, die der Körper teils selbst bildet, die aber auch durch äußere Einflüsse wie Stress, UV-Strahlung und schädliche Umweltstoffe entstehen. Ein hoher Anteil an freien Radikalen kann "oxidativen Stress" auslösen. Dieser steht im Verdacht, Krebs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen mitzuverursachen.
Eine Substanz im Olivenöl wirkt ähnlich wie Ibuprofen
Zu den wichtigsten Polyphenolen im Olivenöl gehören Oleocanthal und Oleuropein. Die beiden Bitterstoffe sind hauptverantwortlich für den scharfen bzw. bitteren Geschmack, durch den sich hochwertiges Ölivenöl auszeichnet.
Oleocanthal ist unter allen Speiseölen nur im Olivenöl enthalten. Die Substanz besitzt stark antientzündliche Eigenschaften und wirkt ähnlich wie das Schmerzmittel Ibuprofen: Sie hemmt die "Cox-Enzyme" im Stoffwechsel, die an bestimmten Entzündungsreaktionen beteiligt sind. Darüber hatte ein internationales Forscherteam 2005 im britischen Fachblatt "Nature" berichtet.
Akute Schmerzen lassen sich jedoch nicht mit Olivenöl bekämpfen. Denn 50 Gramm Olivenöl am Tag haben nur zehn Prozent der Wirkung einer Ibuprofen-Dosis für Erwachsene. Oleocanthal sei aber vermutlich eine Erklärung für die gesundheitsfördernde Wirkung der mediterranen Diät, schrieben die Wissenschaftler.
Olivenöl enthält viel Vitamin E
Mit Vitamin E steckt im Olivenöl neben den Polyphenolen noch ein weiteres wirkungsvolles Antioxidans. Das zellschützende, antientzündliche Vitamin ist in besonders großen Mengen in dem mediterranen Speiseöl enthalten. Zusätzlich gestärkt werden die Abwehrkräfte und das Immunsystem durch Vitamin A.
Beide Vitamine sind fettlöslich und können daher durch das Olivenöl sehr gut aufgenommen werden. "Allerdings muss man dazu sagen, dass bei einer gesunden, vielseitigen Ernährung kein Mangel an diesen Vitaminen besteht", sagt Dagmar von Cramm.
Olivenöl kann Diabetes vorbeugen
Darüber hinaus sättigt Olivenöl gut, fördert die Verdauung und lässt den Blutzuckerspiegel nicht so stark ansteigen. Studien deuten sogar darauf hin, dass es das Risiko für Diabetes reduzieren kann. "Das liegt vor allem an den Polyphenolen Luteolin und Apigenin, die zur Gruppe der Flavone gehören", erläutert die Ernährungswissenschaftlerin.
"Denn sie hemmen die Enzyme zur Zucker- und Fettbildung. Das bremst die Zuckerneubildung in der Leber und die Fettbildung, es verhindert also eine Leberverfettung." Zudem würden die Flavone die Insulinantwort verbessern. Damit kann Olivenöl zwar keine Medikamente ersetzen, aber als Bestandteil einer gesunden Ernährung zu ausgewogeneren Blutzuckerwerten beitragen.
Ein weiterer positiver Effekt: Die Fettsäuren im Olivenöl halten den Darminhalt geschmeidig. Daher dient das Öl auch als Hausmittel gegen Verstopfung. Aber Achtung: Eine zu große Menge Olivenöl kann zu Durchfall führen.
Nur Olivenöle höchster Qualität sind gesund
So lang die Liste der positiven Wirkungsweisen auch sein mag: Wer von den gesunden Eigenschaften des Olivenöls wirklich profitieren will, muss zu den edelsten Produkten greifen. "Erstklassiges Olivenöl zeichnet sich dadurch aus, dass die Oliven frisch nach der Ernte schonend kaltgepresst und nicht raffiniert, also erhitzt wurden. Auf diese Weise bleiben die wertvollen Pflanzenstoffe und die Aromen erhalten", berichtet Dagmar von Cramm.
Olivenöle der ersten Güteklasse sind an der Aufschrift "Natives Olivenöl extra" oder "Olivenöl extra nativ" zu erkennen. Im Italienischen tragen sie den Zusatz "Extra vergine", das heißt so viel wie "extra jungfräulich". Diese Öle dürfen ausschließlich aus der ersten Pressung der Oliven gewonnen werden, und zwar bei maximal 27 Grad.
"Diese niedrige Temperatur macht Olivenöl der ersten Pressung so besonders, weil dabei auch empfindliche Substanzen erhalten bleiben. Andere Öle werden ja selbst bei Kaltpressung heißer", bemerkt die Ökotrophologin.
Weitere Produktionsbedingungen: Die Olivenöle müssen einwandfrei schmecken und riechen. Zudem darf der Säuregehalt nicht höher als 0,8 Prozent sein – sonst würde sich das negativ auf den Geschmack auswirken. Auch die Zugabe von Chemikalien ist tabu. "Ein solches naturbelassenes Olivenöl ist, neben Rapsöl und Leinöl, eines der gesündesten Speiseöle, die es gibt", sagt Dagmar von Cramm.
Allerdings: Olivenöl gilt als meistgefälschtes Lebensmittel. Die Öle können etwa aus unterschiedlichen Ländern stammen und mit billigeren Pflanzenölen vermischt worden sein. Dabei ist es technsich möglich, sensorische Fehler zu entfernen.
Hinzu kommt, dass es in fast allen Regalen nur noch Olivenöle mit dem Aufdruck "extra nativ" stehen. Somit stellt diese Angabe allein kein Qualitätsmerkmal mehr dar. Schauen Sie sich deshalb die Flaschen genauer an. Auffschluss über die Qualität können weitere Infos zur Herkunft, zur Olivensorte und zum Erntejahr geben. Von zentraler Bedeutung ist der Geruch und der Geschmack – allerdings lässt sich das im Markt natürlich nicht überprüfen.
Viele Olivenöle sind mit Mineralöl belastet
Gefälschtes Olivenöl ist aber nicht das einzige Problem. Viele Produkte sind außerdem mit Mineralöl verunreinigt – und das nicht zu knapp. Das zeigt unser aktueller Test: Von 19 Produkten der höchsten Güteklasse "nativ extra" ist nur eine geprüfte Flasche nicht damit belastet.
Die meisten Öle fallen mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch. Mehr dazu erfahren Sie hier: Olivenöl-Test: Bis auf eins alle mit Mineralöl verunreinigt.
Hochwertiges Olivenöl kalt oder lauwarm genießen
Neben der Qualität spielt auch die Art der Zubereitung eine wichtige Rolle. "Kaltgepresstes Olivenöl hat einen Rauchpunkt von maximal 190 Grad", erklärt Dagmar von Cramm. Bis zu diesem Punkt sei es erhitzbar, ohne dass es verbrennt und sich giftige Stoffe bilden.
Allerdings komme es einer Verschwendung gleich, ein erstklassiges, kaltgepresstes Olivenöl zu erhitzen. "Die gesunden Pflanzenstoffe können sich beim Braten oder Dünsten zersetzen. Deshalb würde ich für diese Zwecke besser ein günstigeres Produkt nehmen", sagt Dagmar von Cramm.
Ihre Empfehlung lautet, hochwertiges, teures Olivenöl nur kalt oder lauwarm zu genießen, etwa im Salat. "Es eignet sich aber auch gut zum Verfeinern von Speisen. Man kann es zum Beispiel, wie in Italien üblich, ganz einfach über eine frisch gebackene Pizza träufeln", schlägt sie vor. Eine andere Möglichkeit sei, statt Butterflöckchen einfach etwas Olivenöl ins gedünstete Gemüse oder Kartoffelpüree zu geben.
Da Olivenöl hauptsächlich aus Fetten besteht, sollte es nur in Maßen genossen werden. Generell rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), pro Tag nur 10 bis 15 Gramm Öl zu sich zu nehmen. Zur Orientierung: Ein Esslöffel entspricht rund zehn Gramm.
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