Ein Liter Cola kostet 90 Cent, einen Liter Vollmilch dagegen bekommt man schon ab 55 Cent. Irgendetwas stimmt da nicht am Preisgefüge: Milch ist viel zu billig. Die Produzenten merken das schmerzhaft. Im Sommer 2020 zahlten die Molkereien den Milchbauern rund 32 Cent pro Liter – und das ist sogar schon mehr als noch vor einigen Jahren: 2009 war der Milchpreis auf beschämende 21 Cent je Liter gefallen.
Die Ausgaben für Futter, Treibstoff oder Dünger waren damit doppelt so hoch wie die Einnahmen durch den Milchverkauf. Die deutschen Bauern liefen damals Sturm und schütteten aus Protest Tausende Liter Milch auf die Äcker. Geholfen hat es ihnen wenig.
Faire Milch setzt ein Signal gegen Dumping
"Wir brauchen etwa 50 Cent pro Liter Milch, um wirtschaftlich arbeiten zu können", sagt Romuald Schaber, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM). Stattdessen aber müssten die Bauern zeitweise draufzahlen. An der 55-Cent-Milch verdiene niemand etwas, schimpfte der Sprecher der Milchbauern in einem Interview mit der Wochenzeitung Die Zeit: "Das ist Dumping von der Produktion bis zum Ladenregal."
Zunehmend bestimmt der Weltmarkt, welchen Wert die Milch hat. Auch deshalb gleichen die Preise bundesweit einer Achterbahnfahrt. Zwischen 21 und 42 Cent pro Liter für den Bauern war alles dabei und nichts stabil. So manchen hat das in den vergangenen Jahren aus der Kurve getragen: Von 2000 bis 2020 hat sich die Zahl der Milchbetriebe nahezu halbiert, auf nunmehr rund 58.000 Betriebe – immer noch geben jährlich 3.000 bis 5.000 Bauern auf, weil es sich für sie nicht mehr rechnet.
Faire Milch dank Bauerngenossenschaften
Vor allem die Zahl kleiner Milchviehhöfe geht zurück. Es sind Betriebe mit weniger als 50 Kühen, die der Preisdruck dahinrafft – solche, wie ihn auch Felix und Barbara Pletschacher im oberbayerischen Schleching führen. Nur 14 Kühe stehen auf ihrem Hof nahe der österreichischen Grenze. Doch den Pletschachers geht es gut. Weil sie einen Milchpreis erzielen, von dem sie leben können.
"Einen Hof mit 14 Kühen, den führt man doch nicht weiter", hatte Felix Pletschacher anfangs zu hören bekommen, als er die Milchviehwirtschaft von seinem Vater übernahm. Doch statt zu vergrößern, setzten er und seine Frau auf mehrere Standbeine – er arbeitet als Mechaniker, sie kümmert sich um die Ferienwohnung auf dem Hof – und auf ökologische Landwirtschaft.
Heute ist ihr Hof Mitglied in der Bauerngenossenschaft Milchwerke Berchtesgadener Land. Und die zahlt ihren Mitgliedern einen Literpreis von 40 Cent für konventionelle und über 50 Cent für Bio-Milch. Die Bio-Produkte der Genossenschaft sind mit dem Naturland Fair-Siegel ausgezeichnet.
Was ist fair an fairer Milch?
Beim fairen Handel mit den Ländern des Südens erhalten die Erzeuger für Bananen, Kaffee oder Kakao einvernehmlich festgelegte Mindestpreise, die sie gegenüber den Schwankungen des Weltmarktes absichern sollen. Angesichts der stark schwankenden Milchpreise könnten auch die hiesigen Bauern eine solche Absicherung gebrauchen. Das "Naturland Fair"-Siegel schreibt in den Richtlinien aber zumindest eine partnerschaftliche Preisfindung zur Deckung der Produktionskosten und einen angemessenen Gewinn fest.
Fair gehandelte Milch zu finden, ist für Verbraucher keine einfache Sache. Zwar kann das Label Naturland Fair hilfreich sein, doch allzu häufig ist es noch nicht zu finden. Wahlweise hilft auch der Griff zur Bio-Milch – Molkereien zahlen für sie in aller Regel höhere Preise, zum Teil wird die Bio-Milch aus eigener Molkerei auch regional vermarktet. Und ganz sicher ist eines: Ein Liter Milch zu 55 Cent kann nur unfair sein.
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