ÖKO-TEST: Was waren die dreistesten Fälschungen, die Ihnen bisher untergekommen sind?
Dr. Christian Gertz: Es gibt tatsächlich sehr plumpe Versuche – da wird dann einfaches Sonnenblumenöl genommen und mit etwas Kürbiskernöl eingefärbt. Und ich bin sicher: Selbst das würden viele Verbraucher wohl noch als Olivenöl durchgehen lassen. Aber die meisten Fälschungen sind heute doch etwas raffinierter.
Was sind die gängigsten Methoden?
Gertz: Vermischungen mit billigeren Pflanzenölen und minderwertigem Olivenöl. Oder es werden unerlaubte Verfahren angewandt, um sensorische Fehler zu entfernen. Ein anderes, großes Problem sind die Herkunftsangaben. Im Handel findet man häufig Olivenöle als Verschnitt von Ölen aus der Europäischen Gemeinschaft, manchmal auch aus Drittländern wie Tunesien oder der Türkei.
Wenn Sie auf dem Etikett so was lesen wie: "produziert in" oder "abgefüllt in", erfahren Sie lediglich, wo das Olivenöl abgefüllt wurde, nicht aber, wo das Öl selbst herkommt – und das auch bei wohlklingenden Markennamen. Aber ein Olivenöl aus Italien verkauft sich besser, also lässt man den Verbraucher in dem Glauben.
Gutes Olivenöl: Herkunft, Sorte und Erntejahr beachten
Gibt es Anhaltspunkte, auf die ich bereits im Supermarkt achten kann, wenn ich vor dem Regal stehe?
Gertz: Der Preis an sich ist natürlich kein Qualitätsmerkmal. Aber unter 10 Euro pro Liter bekommt man in der Regel kein gutes Olivenöl. Und je mehr Informationen auf dem Etikett stehen, desto besser. Wer Erntejahr, Olivensorte und Region angibt, gibt sich schon mal sehr viel mehr Mühe als der Durchschnitt – das ist schon ein erster Hinweis, dass auch das Öl Charakter hat.
Wie aussagekräftig sind Qualitätsbezeichnungen wie "nativ extra" noch?
Gertz: "Nativ extra" – auf Italienisch: "extra vergine" – hat seine Bedeutung als Qualitätsmerkmal völlig verloren. Das sieht man schon allein daran, dass es im Supermarkt fast nur noch "extra" zu kaufen gibt. Man sollte sich besser an weiteren Angaben zur Herkunft, Sorte und einem aktuellen Erntejahr orientieren. Und eben am Geschmack. Gutes Olivenöl erkennt man nur am Geschmack.
Wie gutes Olivenöl riechen und schmecken sollte
Kann ich meinen Geschmack trainieren?
Gertz: Ja, Sie können durchaus lernen, ein minderwertiges Öl von einem sensorisch guten Öl zu unterscheiden. Sie können damit anfangen, indem Sie einfach mal etwas Olivenöl in ein Weinglas füllen, es abdecken und zehn Minuten warten.
Wenn Sie das Weinglas dann in die Hand nehmen, aufdecken und sofort etwas riechen – frische Aromen wie Gras, Kräuter und Olive – dann ist das ein Zeichen für ein gutes Öl. Wenn Sie aber ihre Nase tief ins Glas stecken müssen, um überhaupt etwas zu riechen, wird es wohl kein gutes Öl sein.
Wie sollte es schmecken?
Gertz: Gutes Olivenöl der Kategorie "nativ extra" kann wie ein guter Wein ein weites Spektrum von Aromen aufweisen. Es kann nach frischem Gras, Olive und Zitrone riechen und nach reifer Tomate, Banane oder Artischocke schmecken. Am Ende bleibt oft im Mund andauerndes Aroma, manchmal auch Schärfe oder Bitterkeit.
EU-Verordnung zu Olivenöl ist nicht zeitgemäß
Warum ist es so einfach, Olivenöl zu verfälschen?
Gertz: Die EU-Verordnung, nach der die Ämter Olivenöl beurteilen und untersuchen, stammt aus dem Jahr 1991. Sie ist total veraltet. Die Herstellung von Olivenöl und die analytischen Möglichkeiten haben sich seitdem jedoch grundsätzlich verändert.
Warum wird die Verordnung dann nicht angepasst?
Gertz: Weil die Olivenöl-produzierenden Länder nicht daran interessiert sind. Dank der Verordnung können sie weiter sensorisch minderwertiges Olivenöl als "nativ extra" verkaufen, solange sie nur bestimmte Grenzwerte einhalten. Die Verordnung ist ein Kochbuch für Fälscher – sie mischen, bearbeiten und panschen eben so lange, bis sie diese Grenzwerte erreichen.
Habe ich als Verbraucherin bzw. Verbraucher überhaupt eine Chance, solche Fälschungen zu erkennen?
Gertz: Nein. Mit neueren Analysenverfahren kann man solche Dinge zwar nachweisen – mit den Methoden, die in der EU-Verordnung zugelassen sind, ist das jedoch nicht möglich. Die meisten Verbraucher wissen auch gar nicht, wie ein gutes Olivenöl schmeckt. Geschmacksnoten wie Schärfe und Bitterkeit, die eigentlich auf gute Qualität hinweisen, werden oft sogar als Fehler angesehen.
Experten-Tipp von Dr. Christian Gertz: Für die heiße Küche nehme ich ein Olivenöl in einer "Bag in Box", diese Verpackung hält Sauerstoff und Licht am besten fern und sorgt dafür, dass das Öl auch nach dem Anbruch noch mehrere Monate hält. Olivenöl ist übrigens ein sehr hitzestabiles Pflanzenöl – da kursieren immer noch viele Falschaussagen.
Für kalte Speisen wie Salate oder Fisch nehme ich ein gutes spanisches, italienisches, griechisches oder portugiesisches Öl. Das darf dann aber auch 30 Euro und mehr pro Liter kosten.
Weiterlesen auf oekotest.de:
- Rapsöl-Test: Die meisten Öle sind mit Mineralöl verunreinigt
- Sonnenblumenöl im Test: Mineralöl in fast allen Marken
- Balsamico im Test: Hersteller tricksen bei den Zutaten
- Feta und Schafskäse im Test: So steht es um Tierwohl und Inhaltsstoffe
-
So gut sind Löwensenf, Thomy & Co.
- Pesto-Test: Viele grüne Pestos mit Mineralöl und Pestiziden belastet