Immer wieder ist in unseren Tests von "hochverarbeiteten Lebensmitteln" die Rede – zuletzt beim Proteinriegel-Test. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Wir erklären, welche Lebensmittel hochverarbeitet sein können, woran man das erkennen kann und warum man sie am besten meiden sollte.
Was sind hochverarbeitete Lebensmittel?
Grundsätzlich werden Lebensmittel und Getränke, deren Rohstoffe viele Verarbeitungsprozesse durchlaufen haben, als stark verarbeitete Lebensmittel bezeichnet. Sie sind also weit weg von ihrem natürlichen Ursprung. Oft sind in den Lebensmitteln weitere, insbesondere energiereiche Zutaten wie gesättigte Fettsäuren und Zucker sowie Zusatzstoffe wie Aromen, Konservierungsmittel und Farbstoffe enthalten.
Wie erkennt man hochverarbeitete Lebensmittel?
Viele Ernährungsempfehlungen basieren auf den Energie- und Nährstoffgehalten von Lebensmitteln. Dazu gehört etwa der Nutri-Score. Eine brasilianische Forschungsgruppe hat aber noch eine andere Bewertungsmethode entwickelt: In dem Bericht "A new classification of foods based on the extent and purpose of their processing" stellen sie den NOVA-Score vor.
Dieser wurde entwickelt, um den Zusammenhang zwischen dem Verzehr stark verarbeiteter Lebensmittel und der Wirkung auf die menschliche Gesundheit zu erfassen und zu beschreiben. Durch den Score sollen Verbraucherinnen und Verbraucher besser einschätzen können, wie stark ein Lebensmittel verarbeitet ist.

Seit der ersten Vorstellung wurde der NOVA-Score konstant weiterentwickelt. Er unterteilt Lebensmittel grob in vier Stufen:
1. Stufe: Unverarbeitete bis minimal verarbeitete Lebensmittel
Unverarbeitete oder natürliche Lebensmittel werden direkt von Pflanzen oder Tieren gewonnen und nach der Entnahme aus der Natur nicht mehr verändert. Zu ihnen gehören: Obst, Gemüse, Eier und Pilze.
Minimal verarbeitete Lebensmittel hingegen sind natürliche Lebensmittel, die zwar verarbeitet wurden, dies jedoch nur sehr wenig. Die Lebensmittel wurden etwa gereinigt, ungenießbare oder unerwünschte Teile entfernt, sie wurden unter Umständen konserviert, lagerfähig oder genießbar gemacht.
Öle, Fette, Zucker, Salz oder andere Stoffe wurden hingegen nicht zugesetzt. Zu den minimal verarbeiteten Lebensmitteln gehören laut des NOVA-Scores: Nudeln, Kaffee, Tee und getrocknete Früchte.
2. Stufe: Verarbeitete Zutaten
Verarbeitete Zutaten sind Lebensmittel, die meist nicht zum direkten Verzehr gedacht sind. Oft werden sie mit anderen Lebensmitteln der Stufe 1 kombiniert, etwa für einen besseren Geschmack. Die Zutaten stammen aus Lebensmitteln der 1. Stufe und werden durch Pressen, Raffinieren, Zerkleinern, Mahlen und/oder Trocknen gewonnen. Zu den verarbeiteten Zutaten gehören beispielsweise pflanzliche Öle, Butter, Zucker und Salz.
3. Stufe: Verarbeitete Lebensmittel
Verarbeitete Lebensmittel sind Produkte, die von der Industrie hergestellt wurden. Die unverarbeiteten oder minimal verarbeiteten Lebensmitteln werden konserviert oder schmackhafter gemacht. Dafür werden Salz, Zucker, Öl oder andere Stoffe der 2. Stufe benutzt.
Die meisten verarbeiteten Lebensmittel bestehen aus zwei oder drei Zutaten. Zu den verarbeiteten Lebensmitteln gehören: Schinken, gesalzene oder gezuckerte Nüsse, Fischkonserven, Käse, eingelegtes Gemüse, Bier und Wein.
4. Stufe: Hochverarbeitete Lebensmittel
Hochverarbeitete Lebensmittel sind industriell hergestellt und enthalten fünf oder mehr Zutaten, in der Regel aber sogar mehr. Lebensmittel der ersten Stufe sind nur zu einem geringen Teil oder gar nicht in hochverarbeiteten Produkten enthalten.
Hochverarbeitete Lebensmittel enthalten Zusatzstoffe, die oft natürliche Zutaten imitieren, wie beispielsweise Fruchtaroma. Deshalb erkennt man hochverarbeitete Lebensmittel auch an der Zutatenliste. Sind auf dieser Zahlen- und Buchstabenkombinationen wie E200–E203, E620–E625 oder E122, handelt es sich um hochverarbeitetes Essen.
Es gibt aber noch weitere Gemeinsamkeiten von hochverarbeiteten Produkten: Sie werden medial oft aggressiv beworben. Häufig werden sie von transnationalen Konzernen hergestellt. Beispiele für typische hochverarbeitete Produkte sind: kohlensäurehaltige Softdrinks, Chips, Eis, Schokolade, Süßigkeiten, Pommes, Tiefkühlpizza, Margarine und Brotaufstriche, Kuchen, Frühstücksflocken, Müsliriegel, Energiedrinks, Milchgetränke und Fruchtjoghurt.
Hochverarbeitete Lebensmittel können krank machen
Insgesamt betont die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), dass die NOVA-Klassifizierung zwar hilfreich sei, aber dennoch Einschränkungen hätte. Dies liege unter anderem daran, dass die Zuordnung von Lebensmitteln nach dem Verarbeitungsgrad Interpretationsspielraum lasse.
Die Erfinderinnen und Erfinder des NOVA-Scores leiten in einer neuen Publikation dennoch Ernährungsempfehlungen aus dem Score ab. Es gilt: Je weniger ein Lebensmittel verarbeitet ist, desto besser. Die goldene Regel lautet: Naturbelassene oder minimal verarbeitete Lebensmittel und frisch zubereitete Gerichte und Mahlzeiten sind ultraverarbeiteten Produkten vorzuziehen. Auch die ernährungspolitischen Ziele Frankreichs für 2018-2022 zielen darauf ab, den Verbrauch von hochverarbeiteten Lebensmitteln der 4. Stufe um 20% zu senken.
Ein Ziel mit dem sich letztlich jeder einen Gefallen tun würde. In Deutschland stammten bereits Anfang der 2000er-Jahre etwa 50 Prozent der gesamten Energieaufnahme von Erwachsenen aus stark verarbeiteten Lebensmitteln. Zu diesem Ergebnis kommt die Nationale Verzehrsstudie II, die vom früheren Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz beauftragt wurde und sich mit dem Ernährungsverhalten der Deutschen beschäftigt.
Die Ergebnisse der Studie sind nicht überraschend: hochverarbeitete Lebensmittel sind oft direkt verzehrfertig oder können schnell und einfach in der Mikrowelle oder im Ofen zubereitet werden. Außerdem sind sie lange haltbar.
Vitaminreiche Lebensmittel werden durch minderwertige ersetzt
Das Problem daran ist laut der brasilianischen Forschungsgruppe, die den NOVA-Score entwickelt hat, dass der Verzehr von hochverarbeiteten Lebensmitteln dazu führt, dass die unverarbeiteten und vitaminreichen Lebensmittel der 1. Stufe ersetzt werden und immer weniger Platz auf dem Speiseplan bekommen.
Die hochverarbeiteten Lebensmittel enthielten jedoch im Vergleich zu den unverarbeiteten Lebensmitteln oft viele ungesunde Fette, raffinierte Stärke, freie Zucker und zu viel Salz. Gleichzeitig sei der Anteil an wichtigen Nährstoffen wie Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen häufig gering. Dies könne zu Mängeln führen.
Die DGE hat 37 Studien zu hochverarbeiteten Lebensmitteln analysiert und kommt zu dem Schluss, dass Erwachsene, die viele stark verarbeitete Lebensmittel konsumieren, wahrscheinlich ein höheres Risiko für Übergewicht, Adipositas, Bluthochdruck, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben.
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