Die Verbraucherzentrale hat soeben einen neuen "Marktcheck" veröffentlicht, für den die Organisation rund 90 Produkte daraufhin untersucht hat, welche Aussagen die Hersteller zu den Klimaauswirkungen ihrer Produkte machen. Das Urteil: Wie aussagekräftig Angaben zur CO₂-Bilanz eines Lebensmittels sind, lässt sich meistens kaum beurteilen – vom Verbraucher am Supermarktregal schon gar nicht.
Für den Marktcheck "Klimawerbung auf Lebensmitteln" hatten Mitarbeiter der Verbraucherzentrale sich in Discountern, Super-, Bio- und Drogeriemärkten umgesehen und dort rund 90 Produkte erfasst, die mit klimabezogenen Aussagen ("klimaneutral", "CO₂-reduziert", "CO₂-positiv" usw.) warben.
Vor allem Bio-Produkte werben mit Klimaneutralität
Dabei stellte sich heraus, dass vor allem pflanzliche Ersatzprodukte (wie Hafermilch oder vegane Burger), Getränke, Spezial-Lebensmittel (wie Babynahrung) sowie Convenience-Produkte (also Fertiggerichte wie Tiefkühl-Pizza oder vorgewaschene Salate) mit klimabezogenen Aussagen versehen waren. Das verdeutlicht auch die folgende Grafik:
Bio-Produkte warben dabei laut Verbraucherzentrale sehr viel häufiger mit Klimaaussagen als konventionell erzeugte Lebensmittel. So war jedes zweite Produkt, das den Prüfern mit Klima-Werbung ins Auge fiel, ein Bio-Lebensmittel – und das, obwohl nur etwa eines von zwölf Produkten in einem gewöhnlichen Supermarkt bio ist.
Kein Lebensmittel ist je "klimaneutral"
Außerdem auffällig: Mit Abstand am häufigsten wurde auf den Produkten mit dem Begriff "klimaneutral" (55 Prozent der Nennungen) geworben, wie die folgende Grafik zeigt.
Die Verbraucherzentrale sieht in allen Aussagen, die eine vermeintlich positive oder neutrale Klimabilanz von Lebensmitteln naheliegen, ein "besonders hohes Irreführungspotential". Denn: Die Produktion von Lebensmitteln verursacht immer CO₂-Emissionen. Die Werbung mit "klimaneutral" meint meist, dass das Unternehmen die Emissionen an anderer Stelle ausgleicht, beispielsweise durch Klimaschutzprojekte, und dass die Erträge dann gegeneinander verrechnet werden.
Auch blieb laut Verbraucherzentrale bei einem Drittel der erfassten Auslobungen unklar, ob sich die Klima-Angaben auf die Verpackung, die Herstellung oder gleich auf das gesamte Produkt bezogen. Nach Einschätzung der Verbraucherzentrale sollten sich Klimaaussagen immer auf den gesamten Lebenszyklus eines Produkts beziehen, damit Verbraucher dessen Beitrag zum Klimaschutz sinnvoll einordnen könnten.
Ein weiterer Kritikpunkt: Bei vielen Produkten fehlte jede nähere Erläuterung der Klima-Werbung auf der Verpackung. So sei nicht klar, ob beispielsweise das Unternehmen selbst (aktiv) Emissionen reduziere oder ausschließlich (passiv) auf die Vermeidung von Emissionen an anderen Stellen setze.
Klima-Werbung wirft viele Fragen auf
Bei etwa der Hälfte der Produkte bemängelte die Verbraucherzentrale zudem fehlende Hinweise auf eine Prüfung der Behauptungen durch externe Dienstleister. So sei nicht ersichtlich, ob die klimabezogenen Angaben überhaupt überprüft würden – und wenn ja, von wem.
Aus ihren Beobachtungen leitet die Verbraucherzentrale eine Reihe von Forderungen an Politik und Industrie ab. Das sind die wichtigsten:
- Es braucht einheitliche rechtliche Vorgaben für die Verwendung von Klimaaussagen. Sogenannte Green Claims, also Werbeaussagen mit Umwelt- oder Klimabezug, sind bislang kaum reguliert. Das lädt zu Greenwashing oder gar Betrug ein.
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Nicht belegbare Klimaaussagen sollten verschwinden: Dazu gehören auch die Angaben "klimaneutral", "klimafreundlich" oder "CO₂-positiv".
- Unternehmen sollten stattdessen nur belegten Klimaschutzmaßnahmen werben dürfen.
- Klimaangaben, sofern vorhanden, sollten sich immer aufs gesamte Produkt und dessen gesamten Lebenszyklus beziehen – und nicht nur beispielsweise auf die Verpackung.
- Klimabezogene Werbung soll durch unabhängige Drittanbieter überprüft werden – und nicht nur vom Unternehmen selbst.
Das meint ÖKO-TEST zu Klima-Werbung
Auch ÖKO-TEST fordert klarere Regelungen, die es Verbrauchern ermöglichen, echte Nachhaltigkeitsbemühungen zu erkennen und von Greenwashing zu unterscheiden.
In unserem Test von Holzpellets, der im November-Magazin 2023 erschienen ist, werten wir auch Aussagen wie "klimaneutral", "CO₂-neutral" oder vergleichbaren Angaben auf den Verpackungen ab. Denn wir finden: Eine solche Werbung lässt die Pellets umweltfreundlicher erscheinen, als sie sind. Für uns ist das Greenwashing.
Den Vorschlag der EU-Kommission aus dem März 2023, eine neue Green-Claims-Richtlinie betreffend, finden wir vielversprechend, ebenso den vorherigen Vorschlag der Kommission zur "Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen" aus dem März 2022. Über beide Papiere wird innerhalb der EU-Gremien noch verhandelt. Ob, wann und in welcher Form sie einmal zu nationalen Gesetzen werden könnten, ist noch nicht zu sagen.
Unabhängig davon ist für uns aber klar: Mit Werbung, die Verbrauchern suggeriert, Konsum könne klimaneutral vonstatten gehen, muss Schluss sein. Zumal es für private Klimalabel derzeit keine verbindlichen Regeln gibt. Das muss sich ändern. Klare Kriterien, wie es beispielsweise beim Bio-Siegel der Fall ist, müssen her.
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