Frau Hinsch, kann man die glyphosathaltigen Pils noch trinken?
Birgit Hinsch: Ja, grundsätzlich schon. Man muss die Kirche im Dorf lassen. Die Glyphosatmengen, die wir darin gefunden haben, sind wirklich sehr gering. Sie betragen wenige Mikrogramm pro Liter. Ausreißer nach oben haben wir nicht gefunden.
Warum bewertet ÖKO-TEST die Rückstände dann negativ?
Weil Krebsforscher der Weltgesundheitsorganisation Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen einstufen. Sie beurteilen es auch als möglicherweise erbgutschädigend. Das heißt, ein Restrisiko ist nicht ganz auszuschließen.
Deutsche Behörden und die EU bewerten Glyphosat als nicht krebserregend. Warum ist ÖKO-TEST anderer Meinung?
Eine abschließende und vor allem neutrale wissenschaftliche Beurteilung fehlt bisher. Ganz im Gegenteil tobt derzeit eine unfassbare Lobbyschlacht um das Mittel. So weigert sich die Bundesregierung bis heute vehement, ein umstrittenes Behördenpapier über die Krebsrisiken von Glyphosat zu veröffentlichen. Dabei wird der Behörde vorgeworfen, bei wichtigen Untersuchungen nicht unabhängig geforscht, sondern von der Industrie abgeschrieben zu haben. Und der Hersteller Bayer erklärt offenbar zwischenzeitlich munter weiter, Glyphosat sei weniger giftig als Backpulver und Kochsalz. Da geben wir lieber nicht vorzeitig Entwarnung.
Für uns steht der vorsorgende Schutz der Vebraucher an erster Stelle. Wir schließen uns deshalb der Bewertung der WHO an. Solange nicht das Gegenteil bewiesen ist, sehen wir auch geringe Mengen an Glyphosat in Lebensmitteln kritisch.
Warum aber bewertet ÖKO-TEST nicht strenger?
Weil die gefundenen Gehalte eben doch sehr klein sind, deutlich kleiner als noch 2016, als das Münchner Umweltinstitut Biere auf Glyphosat untersuchte. Da lagen die Gehalte teils im zweistelligen Mikrogrammbereich pro Liter.
Können Lebensmittelhersteller die Rückstände überhaupt vermeiden?
Wie unser Test zeigt, ist das sehr wohl möglich. Denn 28 Biere im Test enthalten kein Glyphosat. Die Brauereien haben sich offenbar gekümmert und ihre Kontrollen verschärft. Deutsche Braugerste etwa darf kurz vor der Ernte nicht mehr mit Glyphosat gespritzt werden. Andererseits sind Brauereien rein mengenmäßig auch auf Importe angewiesen – und da muss genau kontrolliert werden.
Was müsste passieren, um das Risiko für den Menschen zu minimieren?
Das Beste wäre, den Einsatz von Glyphosat ganz zu verbieten oder bis zu einem endgültigen Verbot stark einzuschränken. Das nützt nicht nur den Menschen, es ist auch gut für die Umwelt. Das Bundesamt für Naturschutz hat sich kürzlich damit befasst und eindeutig festgestellt, dass die Ausbringung des Spritzmittels zu einem Rückgang der Artenvielfalt beiträgt. Das Breitbandherbizid wird vor der Aussaat und auf Stoppelfeldern nach der Ernte gespritzt – mit dem Ziel, sämtliche Ackerbeikräuter zu vernichten und die Flächen für den Anbau zu räumen. Unter den fehlenden Beikräutern leidet dann aber auch der Bestand von Insekten und kleinen Wildtieren.
Birgit Hinsch ist Testredakteurin für Lebensmittel und Getränke. Die Ernährungswissenschaftlerin arbeitet seit 2003 für ÖKO-TEST.