"Die Lebensmittellobby arbeitet mit Hochdruck daran, die Berechnungsgrundlagen des Nutri-Score zu verändern", warnt Foodwatch in einer Pressemitteilung. Die Verbraucherschützer greifen vor allem den "Lebensmittelverband Deutschland" an. Sie stützen sich bei ihren Vorwürfen auf Dokumente des staatlichen Max-Rubner-Instituts (MRI), die an dieser Stelle veröffentlicht wurden.
Der Hintergrund: Mehrere Lebensmittelverbände hatten Forderungen gestellt, um die beschlossene Lebensmittelampel in ihrem Sinn anzupassen. Das Bundesernährungsministerium hatte daraufhin das MRI beauftragt, die Forderungen der Industrie zu prüfen. Die Ergebnisse dieser Prüfungen hat Foodwatch nun öffentlich gemacht – und nennt die Wünsche der Industrie, die Berechnungsgrundlage des freiwilligen Nutri-Score zu verändern, "absurd".
In der Bildstrecke: Das sind Forderungen der Lebensmittelindustrie – und das wären die Folgen.
1. Lobbywunsch: Fruchtsaft nicht als Getränk berechnen
Zuckrige Getränke sind eine der Hauptursachen für Übergewicht. Der Nutri-Score berechnet den Zuckergehalt in Getränken deshalb strenger als den in festen Lebensmitteln. Ginge es nach den Lebensmittelverbänden, würden Fruchtsäfte aber wie Lebensmittel berechnet.
Das hätte zur Folge, dass Traubensaft statt einem roten E ein grünes A bekäme – dabei enthält der Saft 60 Prozent mehr Zucker als beispielsweise Coca-Cola.
2. Lobbywunsch: Fruchtsaftkonzentrat wie Obst bewerten
Orangensaft wird nach der neuen Ampel mit einem gelben C bewertet, denn er enthält zwar viel Frucht und damit auch günstige Nährwerte, aber auch sehr viel Zucker (88 g/l). Wenn es nach der Industrie ginge – die will, dass Fruchtsaftkonzentrate wie Obst bewerten werden – bekäme er trotzdem ein dunkelgrünes A. Diese Best-Bewertung steht unter den Getränken bislang aber nur Wasser zu.
3. Lobbywunsch: Fleisch und Wurst schönrechnen
Der Lebensmittelverband fordert laut Foodwatch, dass Fleisch-, Wurst- und Grillwaren aufgrund ihres Proteingehalts positiver berechnet werden. Die Folge: Fettig-salzige Salami wie die von Ferdi Fuchs (Bild) würde ebenso besser abschneiden wie viele andere Fleischprodukte. Das MRI erteilte der Forderung eine klare Absage – es bestehe "kein Handlungsbedarf".
4. Lobbywunsch: Parallel weitere Kennzeichnungen zulassen
Außerdem wünschen sich die Lebensmittelverbände, dass neben dem Nutri-Score noch weitere Kennzeichnungsmodelle verwendet werden dürfen. Die Folge, so Foodwatch, wäre ein Kennzeichnungsdschungel im Supermarkt. Die zentrale Funktion des Nutri-Scores – Produkte auf einen Blick zu vergleichen – würde durch die Verwendung unterschiedlicher Modelle erschwert.
5. Lobbywunsch: Milchmischgetränke aufwerten
Ein weitere Forderung der Industrie: Milchmischgetränke besser bewerten. Das hätte unter anderem zur Folge, dass der stark gezuckerte Starbucks-Kaffee plötzlich grün (B) statt rot (E) wäre.
6. Lobbywunsch: Nutri-Score-Berechnung nur durch Hersteller
Die Lebensmittel-Verbände wünschen sich außerdem, dass nur die Hersteller den Nutri-Score ihrer Produkte berechnen dürfen, dessen Verwendung zudem freiwillig ist. Das hätte zur Folge, dass NGOs, Apps und Journalisten den Nutri-Score von Produkten nicht mehr beispielhaft berechnen dürften. Foodwatch bezeichnet das als "Zensur".
7. Lobbywunsch: Score nicht einheitlich berechnen
Der Lebensmittelverband fordert zudem, dass bestimmte Lebensmittelgruppen nicht einheitlich auf Basis von 100 Gramm bzw. 100 Millilitern berechnet werden, sondern aufgrund kleinerer Portionsgrößen – ohnehin ein beliebter Trick bei Nährwertangaben.
So könnte beispielsweise der Nutri-Score von Nutella von Rot auf Gelb springen – dieser Effekt trat laut Foodwatch zumindest ein, als die britische Ampelkennzeichnung derart abgeändert wurde. Denn: Bei Brotaufstrichen sind die angegebenen Portionsgrößen besonders klein (15 g).
So wird der Nutri-Score berechnet
Für die Berechnung des Nutri-Score werden günstige Nährstoffe, die man reichlich zu sich nehmen sollte, mit ungünstigen Nährstoffen, die nur in geringen Mengen verzehrt werden sollten, verrechnet. Positiv zu Buche schlagen Ballaststoffe, Proteine, Obst und Gemüse, negativ bewertet werden etwa gesättigte Fettsäuren, Zucker und Salz.
Das Ergebnis wird in eine fünfstufige Farbskala, die mit den Buchstaben A bis E hinterlegt ist, übersetzt. Eher ausgewogene Produkte erhalten ein dunkelgrünes A oder hellgrünes B, im mittleren Bereich gibt es ein gelbes C und eher unausgewogene Produkte wie Süßwaren oder fettige Snacks bekommen ein orangenes D oder gar ein rotes E.
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