- Im Test: 19 Mal braune, geschrotete Leinsamen. Alle Produkte stammen aus ökologischem Anbau.
- Die Leinsamen haben ein Problem mit Blausäure. Sie steckt in allen Produkten im Test – die Gehalte unterscheiden sich jedoch deutlich.
- Auch in der Kritik: Gefundene Mineralölbestandteile, ein besonders bedenkliches Pestizid, Cadmium sowie Mängel in Qualität und Geschmack.
- Nur ein Produkt ist empfehlenswert. Ganze zehn von 19 Leinsamen fallen durch.
Leinsamen sind die Samen der Leinpflanze, die rund um den Globus – in überschaubarem Umfang auch in Deutschland – angebaut wird. Mit einem Fettanteil von knapp 40 Prozent gehören Leinsamen zu den Ölsaaten, aus denen auch Leinöl hergestellt wird.
Sind Leinsamen gesund?
Leinsamen bestechen durch ihr günstiges Fettsäuremuster. Mehr als die Hälfte des enthaltenen Fettes besteht aus der essenziellen, mehrfach ungesättigten Alpha-Linolensäure. Darüber hinaus ist Leinsaat reich an Vitamin A, Proteinen und an Ballaststoffen. Durch ihr Quellvermögen binden Leinsamen große Mengen Flüssigkeit und gelten als verdauungsfördernd.
Leinsamen ganz oder geschrotet?
Da ihre feste Schale im Verdauungstrakt nur schwer aufgebrochen werden kann, sind die gesundheitsförderlichen Stoffe in geschroteten Leinsamen besser verfügbar als in den ganzen Samen. Leider gilt das auch für die giftige Blausäure, die beim Schroten oder Zerkleinern enzymatisch freigesetzt wird.
Blausäure in geschroteten Leinsamen als Problem
Wir haben 19 Mal braune, geschrotete Leinsamen getestet, alle stammen aus ökologischem Anbau. Auffällig: In allen Produkten wies das von uns beauftragte Labor Blausäure nach – die Gehalte unterscheiden sich jedoch deutlich. Zur Erklärung: Blausäure ist eine akut toxische Substanz, die aus bestimmten in Leinsamen enthaltenen sekundären Pflanzenstoffen, den sogenannten cyanogenen Glykosiden, entsteht.
Ab einer gewissen Konzentration kann Blausäure im Körper zu Vergiftungserscheinungen wie Kopfschmerzen, Atemnot und Schwindel führen – in schweren Fällen bis zum Koma oder sogar zum Tod.
Grenzwerte für Blausäure in Leinsamen
Seit 2023 gelten in der EU offizielle Grenzwerte für Blausäure in Leinsamen. Sind die Samen für den Rohverzehr gedacht, liegt er bei 150 Milligramm pro Kilogramm (mg/kg). Da sich Blausäure aber beim Erhitzen verflüchtigt, haben Hersteller die Möglichkeit, auf der Vorderseite der Verpackung gut lesbar den Warnhinweis "Nur zum Kochen und Backen verwenden. Nicht roh verzehren!" aufzubringen. Dann gilt für das Produkt ein höherer Grenzwert von 250 mg/kg.
Der größte Teil der Produkte in unserem Test trägt diesen Hinweis, daher haben wir für deren Bewertung den höheren Grenzwert angelegt. Ist der Hinweis jedoch nicht vorhanden, legen wir den strengeren Grenzwert an. Das Ergebnis: Aufgrund des analysierten erhöhten Blausäuregehalts erhalten 14 Leinsamen im Test Minuspunkte.
Leinsamen: Wie viele pro Tag sind in Ordnung?
Zusätzlich zu dem bereits angesprochenen Hinweis zum Erhitzen der Leinsamen sieht das österreichische Lebensmittelbuch Verzehrsbeschränkungen vor, die auf den Verpackungen geschroteter Leinsamen aufgebracht sein sollten:
- Erwachsene sollen nicht mehr als einen Esslöffel (das entspricht etwa 15 Gramm) geschroteter Leinsamen pro Mahlzeit zu sich nehmen.
- Kinder sollen höchstens einen Teelöffel (etwa 4 Gramm) am Tag essen.
- Für Kinder unter vier Jahren sind geschrotete Leinsamen nicht geeignet.
Der Körper von Erwachsenen und älteren Kindern kann Blausäure in moderaten Mengen zwar entgiften, für Babys und Kleinkinder kann sie jedoch deutlich schneller gefährlich werden.
Verzehrshinweise sind wichtig für Verbraucher
Bei einigen Produkten vermissten wir einen, zwei oder sogar jeden dieser Hinweise. Aus unserer Sicht ist nicht auszuschließen, dass Menschen geschrotete Leinsamen trotz des Erhitzungshinweises aus Gewohnheit roh verzehren. Zudem glauben wir, dass nicht unbedingt klar ist, wie schnell die Verzehrsmenge erreicht ist.
Und: Der alleinige Erhitzungshinweis klärt nicht über die Risiken auf. Daher halten wir die Hinweise für Verbraucherinnen und Verbraucher für sinnvoll und hilfreich. In Deutschland gibt es nichts Vergleichbares, weshalb wir uns für die Bewertung an den Kennzeichnungsempfehlungen aus Österreich orientiert haben.
Leinsamen immer mit viel Flüssigkeit zu sich nehmen
Weil Leinsamen stark aufquellen, können sie ohne eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu Verstopfung, im schlimmsten Fall sogar zu einem Darmverschluss führen. Deshalb sollte aus unserer Sicht auch hierzu ein deutlicher Hinweis auf der Verpackung zu finden sein. Auch das war nicht immer der Fall.
Mineralölrückstände in geschroteten Leinsamen
Im Gegensatz zur Blausäure stammen Mineralölrückstände in Leinsamen aus externen Quellen. Ein Faktor, den Hersteller im Rahmen ihres Qualitätsmanagements beeinflussen können.
Das Labor ist mehrfach auf gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH/MOSH-Analoge) gestoßen, einmal hat es auch aromatische (MOAH) nachgewiesen. Das Problem?
- MOSH/MOSH-Analoge reichern sich im menschlichen Fettgewebe und der Leber an. Sie stellen im Körper die wohl größte Verunreinigung dar. Was das genau für Folgen hat, ist bisher ungeklärt.
- MOAH sind noch problematischer. Sie können krebserregende Bestandteile enthalten.
Auffällig im Test: In einem Produkt stecken MOSH/MOSH-Analoge in einem Gehalt, der mehr als doppelt so hoch ist wie der von der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV) festgelegte Orientierungswert – und MOAH in Mengen, die den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Höchstgehalt überschreiten.
Besonders bedenkliches Pestizid gefunden
Pestizide dagegen sind in diesem Test kein großes Thema. Das liegt daran, dass chemisch-synthetische Pestizide in der Bio-Landwirtschaft grundsätzlich tabu sind. Hin und wieder kann es – zum Beispiel durch benachbarte, konventionell bewirtschaftete Felder – zu Verunreinigungen kommen. Geringe Spuren eines einzelnen Pestizids, wie sie das Labor in fünf Produkten in diesem Test nachgewiesen hat, sind aus unserer Sicht noch akzeptabel.
Einmal fand das Labor jedoch das als besonders bedenklich eingestufte Insektizid Chlorpyrifos in einer Menge, die den gesetzlichen Grenzwert überschreitet. In der EU ist Chlorpyrifos sogar für den Einsatz in der Landwirtschaft verboten. Die getestete Charge stammt zwar aus Indien, aber auch Ware, die von dort kommt, muss mindestens den EU-Vorgaben für Pestizidrückstände entsprechen.
Cadmium kann sich in Leinsamen anreichern
Letztlich sorgt noch ein Schwermetall für Kritik im Leinsamen-Test – und zwar gefundene "erhöhte" Gehalte an Cadmium. Es kann sich in Leinsamen anreichern, gilt aber als giftig und kann vor allem die Nieren schädigen.
Fettverderb und ranziger Geschmack
Auch über Fettverderb müssen wir sprechen. Leinsamen gehören zu den fettreichen Ölsaaten, die besonders anfällig für Fettverderb sind. Um diesen zu erkennen, ließen wir im Labor als Qualitätsparameter die Säure- und die Peroxidzahlen bestimmen und bewerteten die Ergebnisse angelehnt an die Leitsätze für Speisefette und -öle.
Zweimal lag die Peroxidzahl sehr deutlich über dem Richtwert der Leitsätze – ein Hinweis auf Fettverderb durch Oxidation. Und einmal war die Säurezahl mehr als doppelt so hoch wie vorgegeben. Das zeigt sich auch im Geschmack: Die Produkte schmeckten ranzig bzw. bitter. Auch eine zunehmende Bitterkeit ist ein Zeichen von Alterung.
Daneben bemängelten die Sensorikexperten beispielsweise einen "kaum saatigen" Geschmack sowie Fremdgerüche und -geschmäcker.
10 von 19 geschrotenen Leinsamen enttäuschen
All diese Kritik hat zur Folge, dass ganze 10 von 19 geschrotenen Leinsamen im Test durchfallen. Und nur ein Produkt ist empfehlenswert.
Tipps: Leinsamen sicher essen
Wie Sie merken, gibt es beim Verzehr von Leinsamen einiges zu beachten. Hier finden Sie kompakt die Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Warum sollen Leinsamen nicht roh verzehrt werden?
Blausäure ist natürlicherweise in Leinsamen enthalten und kann beim Zerkleinern freigesetzt werden. Der tatsächliche Blausäuregehalt lässt sich jedoch nur im Labor bestimmen.
Wer auf Nummer sicher gehen will, erhitzt die geschroteten Leinsamen vor dem Verzehr auf mehr als 26 Grad Celsius. Geröstete, gebackene oder gekochte Leinsamen sind unbedenklich, ebenso wie Leinöl.
Wichtig: Für Babys und Kleinkinder können schon geringe Mengen Blausäure gefährlich werden. Bewahren Sie Leinsamen also immer außerhalb der Reichweite kleiner Kinder auf und lassen Sie Kinder unter vier Jahren geschrotete Leinsamen nicht verzehren.
Ist es gesund, jeden Tag Leinsamen zu essen?
Zwar können die Körper älterer Kinder und Erwachsener Blausäure nach relativ kurzer Zeit entgiften, doch auch bei ihnen kann sie ab einer gewissen Konzentration zu Vergiftungen führen. Halten Sie sich deshalb bei roh verzehrten Leinsamen unbedingt an die empfohlenen Verzehrsmengen:
- Für Erwachsene: max. 15 Gramm bzw. einen Esslöffel Leinsamen pro Mahlzeit.
- Für Kinder über 4 Jahren: höchstens 4 Gramm bzw. einen Teelöffel Leinsamen am Tag.
Wie sollte ich Leinsamen zu mir nehmen?
Da Leinsamen stark aufquellen, sollten sie immer mit reichlich Flüssigkeit verzehrt werden.
Weiterlesen auf oekotest.de:
- Diätshakes im Test: Die meisten Shakes zum Abnehmen fallen durch
- Haselnüsse im Test: Labor entdeckt Schimmel und lebendes Insekt
- Cornflakes, Dinkelflakes & Co.: Die Hälfte mit Bestnote
- Tellerlinsen und Berglinsen im Test: Klimafreundlich und gesund?
- Mais im Test: Labor findet Bisphenol A in jedem Dosenmais