Leinsamen im Test: Die Hälfte ist mit Mineralöl belastet

Magazin Februar 2022: Vitamine | Autor: Cordula Posdorf/Hanh Friedrich | Kategorie: Essen und Trinken | 09.02.2022

Im Test: 20 Mal geschrotete Leinsamen. Welche Produkte sind empfehlenswert?
Foto: ÖKO-TEST

Weil sie viele Ballaststoffe, pflanzliches Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren enthalten, sind Leinsamen eigentlich gesund. Doch unser Test zeigt: Es stecken teilweise auch unerwünschte Stoffe in den Produkten. Am häufigsten kritisieren wir aus unserer Sicht "erhöhte" Gehalte an Mineralöl. 

  • Wir haben 20 Packungen geschrotete Leinsamen eingekauft und getestet.
  • Nur ein Produkt schneidet mit Bestnote ab. 
  • Ein paar Leinsamen im Test sind mit Mineralöl verunreinigt. 
  • Ärgerlich: Einige Hersteller zeigen wenig Verantwortung für die Arbeitsbedingungen in den Anbauländern.

Ab damit in den Joghurt oder ins Müsli: Zwei Löffel geschrotete Leinsamen können schon viel für eine ausgewogene Ernährung bringen. Der hohe Anteil guter Ballaststoffe und der angenehm nussige Geschmack sind dabei nur zwei von mehreren Vorteilen.

Dm, Davert, Demeter & Co.: Leinsamen im Test

Damit Leinsamen auch wirklich gesund sind, sollten sie natürlich frei von Schadstoffen sein. Und das ist in unserem Test leider oft nicht der Fall. Unsere Kritik in Kürze: Wir beanstanden aus unserer Sicht "erhöhte" Mineralölgehalte, zudem steckt in einem Produkt das Spritzgift Glyphosat. Nur ein Produkt schneidet insgesamt mit "sehr gut" ab. Sieben weitere können wir mit dem Gesamturteil "gut" empfehlen.

Mineralöl ist ein Problem in den Leinsamen im Test. Insgesamt zehnmal kritisieren wir Verunreinigungen mit gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen (MOSH) und chemisch sehr ähnlichen Verbindungen (MOSH-Analoge). MOSH reichern sich im menschlichen Körper an. Welche Folgen das hat, ist noch unklar.

Leinsamen gelten als gesund, da sie viele Ballaststoffe, pflanzliches Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren enthalten.
Leinsamen gelten als gesund, da sie viele Ballaststoffe, pflanzliches Eiweiß und Omega-3-Fettsäuren enthalten. (Foto: Maryna Osadcha/Shutterstock)

Mineralöl als Problem in Leinsamen

Die Belastung in einem der Testschlusslichter ist nach ÖKO-TEST-Bewertung sogar "stark erhöht" und überschreitet den Orientierungswert, den Lebensmittelproduzenten und Überwachungsbehörden für Ölsaaten vereinbart haben. In diesem Produkt hat das Labor auch noch aromatische Mineralölkohlenwasserstoffe (MOAH) nachgewiesen, die nun wirklich überhaupt nichts in Lebensmitteln zu suchen haben.

Zur Stoffgruppe der MOAH können auch krebsverdächtige Verbindungen gehören. Denkbar wäre, dass die Mineralölbestandteile etwa aus Verpackungen in den Schrot übergegangen sind.

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Ist Blausäure in Leinsamen gefährlich? 

Was viele nicht wissen: Leinsamen gehören, wie bittere Aprikosenkerne und Bittermandeln zu den Lebensmitteln, die natürlicherweise relativ viel sogenannte cyanogene Glykoside enthalten, aus denen beim Kauen und Verdauen Blausäure freigesetzt wird.

Das ist erst mal kein Grund zur Panik, denn der menschliche Körper kann bestimmte Mengen an Blausäure abbauen. Zudem gibt es anders als bei hoch belasteten bitteren Aprikosenkernen keine Berichte über Vergiftungserscheinungen oder gar Todesfälle durch Leinsamen.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat festgestellt, dass aus Leinsamen weniger Blausäure ins Blut gelangt als aus Aprikosenkernen.

Das Risiko für Kinder ist nicht geklärt 

Die Fachleute befanden selbst hoch belastete Leinsamen für gesundheitlich unbedenklich, sofern ein Erwachsener nicht mehr als 15 Gramm pro Mahlzeit isst - ausgehend von 3 Mahlzeiten pro Tag. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte man also nicht mehr als höchstens zwei Esslöffel pro Mahlzeit rohe Leinsamen essen.

Unklar hingegen ist die Sicherheit von rohen Leinsamen für Kinder. Wir monieren bei einer Reihe von Produkten, dass auf den Verpackungen der Hinweis auf eine maximale Aufnahmemenge und/oder die Information, dass die Leinsamen für Kleinkinder überhaupt nicht geeignet sind, fehlt. Beides freiwillige, jedoch wichtige Angaben. 

Leinsamen können zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen.
Leinsamen können zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen. (Foto: Angelika Heine/Shutterstock)

Bisher ist kein gesetzlicher Grenzwert festgelegt 

Einen gesetzlichen Grenzwert für Blausäure in Leinsamen gibt es noch nicht, aber auf EU-Ebene wird aktuell über einen Höchstgehalt von 150 Milligramm pro Kilogramm diskutiert. Daran orientiert bewerten wir den Gehalt in einigen Produkten als "erhöht".

Übrigens: Blausäure verflüchtigt sich, wenn Leinsamen erhitzt werden

Überzeugen die Leinsamen im Geschmack?

Das ist ansonsten im Leinsamen-Test aufgefallen: 

  • Gute Nachricht aus dem Labor: Die in den Leinsamen enthaltenen empfindlichen Fette waren nicht ranzig. Die Sensorikexperten nahmen nur einmal Geruchsauffälligkeiten wahr: Ein Produkt roch leicht alt und sehr leicht fischig.
  • Blei und Cadmium hat das beauftragte Labor nur in geringen Spuren gefunden und bis auf ein Produkt, das Spuren des Spritzgifts Glyphosat enthielt, waren alle anderen frei von Pestiziden.

Kein Produkt im Test stammt aus Deutschland

Obwohl Flachs auch hierzulande gedeiht und Leinsamen deshalb ein "heimisches Superfood" sein sollen, stammen von den getesteten Leinsamen null aus Deutschland. Je einmal sind immerhin Rohstoffe aus Österreich, Italien, Polen und Frankreich verarbeitet.

Die beiden am häufigsten vertretenen Anbauländer sind aber Kasachstan und Indien, Länder mit einer eher unsicheren rechtlichen und sozialen Lage – wie auch Russland. Bei Herkunftsländern mit einem höheren Risiko für Menschenrechtsverletzungen kommt es besonders darauf an, dass Anbieter sich darum kümmern, dass die Arbeitsbedingungen auch am Anfang ihrer Lieferkette in Ordnung sind. 

Wir baten die Firmen für alle Leinsamen im Test darum, uns deren Stationen vor dem Verkauf transparent zu machen. Für die Risikoländer fragten wir nach Bemühungen um faire Arbeitsbedingungen und baten um aussagekräftige Dokumente. In acht von 14 Fällen legten die Anbieter uns externe Zertifikate und Auditberichte vor, die sich an internationalen Sozialstandards orientieren.

Für vier weitere Produkte aus Risikoländern machten die Firmen uns immerhin ihre Lieferketten nachvollziehbar. Was wir als sehr schlechtes Zeichen werten ist, dass wir für zwei Leinsamen überhaupt keine Antwort bekommen haben.

Tipps zum Verzehr von Leinsamen

  • Wenn man Leinsamen isst, sollte man dazu reichlich trinken. Ohne Flüssigkeitszufuhr können geschrotete Leinsamen so verkleben, dass sie den Darm verschließen.
  • Geschrotete Leinsamen eignen sich auch als Ei-Ersatz zum Beispiel beim Backen von Rührkuchen oder Vollkorngebäck oder zum Binden von Bratlingen. Sie geben dem Ganzen einen leicht nussigen Geschmack. Um ein Ei zu ersetzen, einen Esslöffel Leinsamenschrot mit drei Esslöffeln warmem Wasser anrühren. Wenn Leinsamen gebacken sind, muss man sich, wie oben bereits erwähnt, keine Sorgen wegen der giftigen Blausäure machen. Sie verflüchtigt sich bei Hitze.
  • Geschrotete Leinsamen werden schnell ranzig. Das spricht dafür, kleinere Packungen zu kaufen. Möglichst luftdicht verschlossen aufbewahren.

Weiterlesen auf oekotest.de:

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Wir haben 20 Mal geschrotete Leinsamen eingekauft. Entsprechend der deutlich größeren Verbreitung von Bio-Leinsamen haben wir 18 Produkte mit Bio-Label und nur zwei aus konventionellem Anbau in den Test aufgenommen.

In spezialisierten Lebensmittellaboren ließen wir die Samen auf Pestizidrückstände und eine Reihe von weiteren Stoffen untersuchen. So können sich in Leinsamen die giftigen Schwermetalle Blei und besonders Cadmium aus dem Boden ansammeln. Und ihre große Oberfläche macht die geschrotete Saat anfällig für Schimmelpilze und Verunreinigungen mit Mineralöl. Natürlicherweise in den Samen enthalten sind Stoffe, die Blausäure freisetzen können. Hier wollten wir wissen, ob besonders hohe Konzentrationen vorkommen. Sensorikexperten prüften Aussehen und Geruch der Samen auf Reinheit und Frische.

Außerdem baten wir die Hersteller darum, uns die Lieferkette der Rohware transparent zu machen und uns ihre Bemühungen um angemessenen Arbeitsschutz für die Menschen vor Ort zu belegen.

Bewertungslegende 

Produkte mit dem gleichen Gesamturteil sind in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKOTEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt.

Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um vier Noten: ein Untersuchungsergebnis an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH und MOSH-Analoge) der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 4 mg/kg (in der Tabelle: "MOSH stark erhöht"). Zur Abwertung um jeweils zwei Noten führen: a) ein Untersuchungsergebnis an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH und MOSH-Analoge) der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 2 bis 4 mg/kg (in der Tabelle: "MOSH erhöht"); b) der Nachweis von aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffen (MOAH), wenn nicht schon für MOSH/MOSH-Analoge um vier Noten abgewertet wurde (in der Tabelle: "MOAH nachgewiesen"). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Untersuchungsergebnis an gesättigten Mineralölkohlenwasserstoffen und Analogen (MOSH und MOSH-Analoge) der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 1 bis 2 mg/kg (in Tabelle: "MOSH leicht erhöht"); b) ein als besonders bedenklich eingestuftes Pestizid mit einem gemessenen Gehalt von mehr als 0,01 mg/kg (hier: Glyphosat); c) ein gemessener Blausäuregehalt von mehr als 150 mg/kg geschroteter Leinsamen (in Tabelle: "Blausäure erhöht"). Unter dem Testergebnis Sensorik führt zur Abwertung um eine Note: ein Mangel im Geruch beschrieben als "leicht alt, sehr leicht fischig".

Testergebnis Arbeitsschutz und Transparenz: Unter dem Testergebnis Arbeitsschutz und Transparenz führt zur Abwertung um zwei Noten: keine ausreichenden Belege für Bemühungen um den Arbeitsschutz der Mitarbeiter in einem als kritisch eingestuften Anbauland in Form von externen Zertifizierungen oder Audits. Als Nachweise werteten wir eine SMETA-Auditierung (= Sedex Virtual Assessment Report) und/oder eine We-Care-Zertifizierung des Herstellers oder Vorlieferanten (We Care = Managementstandard für Nachhaltigkeit in der Lieferkette). Zur Abwertung um eine Note führt: eine nicht ausreichend anhand von Dokumenten belegte Lieferkette. Wurden vom Hersteller generell keine Angaben zum Arbeitsschutz oder zur Lieferkette gemacht, ist das Testergebnis Arbeitsschutz und Transparenz "ungenügend". Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führen zur Abwertung um jeweils eine Note: a) eine fehlende (aber gesetzlich nicht vorgeschriebene) Verzehrempfehlung zur täglichen maximalen Leinsamenmenge für Erwachsene und/oder ein fehlender (aber gesetzlich nicht vorgeschriebener) Hinweis, dass der Verzehr von Leinsamen für Kleinkinder nicht geeignet ist (z.B. "für Kinder unter 4 Jahren nicht geeignet"); b) ein fehlender (aber gesetzlich nicht vorgeschriebener) Hinweis zur reichlichen Flüssigkeitszufuhr (z.B. "Mit ausreichend Flüssigkeit verzehren, da Leinsamen ein hohes Quellvermögen besitzen."); c) Werbung mit Selbstverständlichkeiten.

Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode.

Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Arbeitsschutz und Transparenz, das "ungenügend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um zwei Noten. Ein Testergebnis Arbeitsschutz und Transparenz, das "befriedigend" oder "ausreichend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "befriedigend" ist, verschlechtert das Gesamturteil um eine Note. Testergebnisse Arbeitsschutz und Transparenz und Testergebnisse Weitere Mängel, die "gut" sind, verschlechtern das Gesamturteil nicht.

Testmethoden 

Pestizide: nach ASU L 00.00-34; GC-MS/MS und LC-MS/MS.
Glyphosat: LC-MS/MS.
Mineralöl: nach DIN EN 16995: 2017, modifiziert. Die Modifikation betrifft die Verseifung und eine andere Matrix.
Aflatoxine: nach DIN EN 14123: 2008, modifiziert. Die Modifikation betrifft eine andere Matrix, sowie eine Teilautomatisierung von Aufarbeitungsschritten.
Blei, Cadmium: Aufschluss nach DIN EN 13805: 2014; Messung nach DIN EN 15763: 2010.
GVO-Screening: PCR.
Blausäure: DIN EN 16160:2012 mod./HPLC; die Modifikation betrifft eine andere Matrix.
Sensorik: nach ASU L 00.90-16: 2006. Nach Einzelprüfungen werden die Einzelergebnisse in der Gruppe diskutiert und ein gemeinsames Gesamtergebnis erarbeitet.
PVC/PVDC/chlorierte Verbindungen in der Verpackung: Röntgenfluoreszenzanalyse.

Einkauf der Testprodukte: Oktober 2021

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