Knusper-Müsli, Cola, Limonaden: In vielen beliebten Fertigprodukten steckt laut einer Studie trotz einiger Reduzierungen immer noch viel Zucker – besonders auch in Lebensmitteln für Kinder. So enthielten Frühstückscerealien für Kinder im Schnitt 17 Gramm Zucker pro 100 Gramm, wie das bundeseigene Max-Rubner-Institut am Dienstag nach einer Auswertung für 2022 mitteilte – über die ganze Produktgruppe gesehen waren es 14,7 Gramm.
Bundesernährungsminister Cem Özdemir bekräftigte seine Pläne zu Werbeverboten für ungesündere Produkte an die Adresse von Kindern. Verbraucherschützer verlangten weitere gesetzliche Vorgaben, die Lebensmittelbranche warnte davor.
"Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden", sagte Özdemir in Berlin. Denn wer viel davon esse, erhöhe sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Übergewicht. "Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, Rezepturen zu verbessern", mahnte der Grünen-Politiker. Er ließ erkennen, dass er am Weg über freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter festhalten will. "Es ist nicht gottgegeben, wie viel Zucker in der Limonade ist."
Max-Rubner-Institut untersuchte 7000 Produkte
Hintergrund ist eine noch von der vorigen Bundesregierung gestartete Strategie, nach der sich Branchen zu Reduktionszielen bei Zucker, Fett und Salz bis 2025 verpflichten. Um die Zusagen zu Änderungen bei den Zutaten zu überprüfen, macht das Rubner-Institut ein regelmäßiges Monitoring.
Für die neue Auswertung kamen im vergangenen Herbst 7000 Produkte unter die Lupe. Darunter waren solche, die sich an Kinder richten – mit bunten Aufdrucken oder Spielzeugextras in der Packung.
Mehr Zucker in Light-Limos, weniger Zucker in Cerealien
- Beispiel Erfrischungsgetränke:
Über die ganze Palette von Colas, Limos und Mischgetränken lag der Zuckergehalt jetzt im Schnitt bei 6,0 Gramm pro 100 Milliliter – nach 6,3 Gramm bei der Basiserhebung 2018. Das seien "keine signifikante Veränderungen", erläuterte Institutspräsident Pablo Steinberg.
Bei Light-Limonaden habe es sogar ein Zuckerplus von 1,9 Gramm auf 2,8 Gramm gegeben. Bei gesüßten Getränken für Kinder sank der Zuckerschnitt von 7,2 Gramm 2018 zwar zunächst auf 5,4 Gramm 2019. Nun stieg er aber wieder auf 6,3 Gramm. Özdemir zeigte das mit Zuckerstückchen in einem Glas: "Da können Sie gleich den Zahnarzt mitbestellen, wenn Sie das regelmäßig trinken."
- Beispiel Frühstückscerealien:
Für die ganze Produktgruppe sei eine signifikante Zuckerreduktion zu sehen, erläuterte Steinberg – im Mittel von 18,4 Gramm 2016 auf nun 14,7 Gramm pro 100 Gramm. Jedoch stieg der mittlere Fettgehalt von 9,2 auf 10,9 Gramm je 100 Gramm.
Und Frühstücksprodukte mit Kinderoptik hatten im Schnitt 3,3 Gramm mehr Zucker pro 100 Gramm Packungsinhalt als die Gesamtgruppe. Auch bei anderen Lebensmitteln schnitten Kinderprodukte in früheren Studien ungünstiger ab, wie das Ministerium erklärte: Müsliriegel für Kinder hätten den höchsten mittleren Fettgehalt gehabt, Nudelsoßen für Kinder den höchsten mittleren Zuckergehalt unter Nudelsoßen.
Werbeverbot soll auf Abend beschränkt sein
Özdemir untermauerte daher seine Gesetzespläne zu Werbebeschränkungen für ungesündere Produkte an die Adresse von Kindern. "Niemand sagt, das soll verboten werden", sagte er mit Blick auf Herstellung und Verzehr solcher Lebensmittel.
Wenn die Industrie Zucker, Fett und Salz reduziere, könne sie auch normal werben. Überhaupt sei es eine Gerechtigkeitsfrage, dass alle Kinder gesund aufwachsen könnten, auch wenn Eltern teils nicht so gut darüber Bescheid wüssten.
Seine Pläne hat Özdemir nach Einwänden der mitregierenden FDP schon abgeschwächt. So sollen Werbeverbote auf Zeiten konzentriert werden, wenn besonders viele Kinder Fernsehen schauen – zum Beispiel werktags von 17.00 bis 22.00 Uhr. Zunächst war es von 6.00 bis 23.00 Uhr vorgesehen.
Foodwatch: Prinzip Freiwilligkeit hat versagt
Auch die Debatte über mehr Bremsen für Zucker, Fett und Salz fachten die Daten wieder an. Der Lebensmittelverband Deutschland warb für die freiwilligen Selbstverpflichtungen und hob "teilweise beachtliche Erfolge" bei Zutatenänderungen hervor. So würden Verbraucher ohne Geschmackseinbußen schrittweise mitgenommen, und Hersteller hätten weiter die Hoheit über ihre Produkte.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch monierte indes: "Das Prinzip Freiwilligkeit hat auf ganzer Linie versagt." Es brauche nun dringend gesetzliche Maßnahmen – neben "Junkfood-Werbeschranken" auch eine Limo-Steuer für stark gezuckerte Getränke. Özdemir sieht in der Koalition aber keine Mehrheit dafür.
ÖKO-TEST: "Ein Werbeverbot genügt nicht"
Kerstin Scheidecker, Chefredakteurin von ÖKO-TEST, zur Problematik der Kinderlebensmittel: "Um Kinder und Familien zu schützen, muss die Politik klare Gesetze für die Lebensmittelindustrie schaffen. Appelle reichen nicht aus – und ein Werbeverbot genügt am Ende auch nicht. Es ist ein großer Schritt nach vorne, aber Kinderlebensmittel mit zu viel Fett, Zucker oder Salz sollten gar nicht erst erlaubt sein."
Gleichzeitig weist Kerstin Scheidecker erneut daraufhin, dass sich das geplante Verbot ausschließlich gegen Werbung in den Medien richtet. "Was den Plänen nach erlaubt bleibt, ist, dass die Hersteller mit ihren Tricks direkt auf den Verpackungen ungesunder Kinderlebensmittel werben dürfen – etwa mit bunten Comicbildchen und vermeintlich gesunden Wirkungen von Lebensmitteln, die in erster Linie Zucker enthalten. Auch das ist ein Problem – und darf nicht erlaubt bleiben."
40 Kinderlebensmittel unter der Lupe von ÖKO-TEST
Für das März-Magazin 2023 nahm ÖKO-TEST 40 Kinderlebensmittel unter die Lupe. Dabei wählten wir beispielhaft zuckerhaltige Produkte aus, die etwa mit (Comic-)Figuren besonders Kinder ansprechen. Im Fokus der Untersuchung lag der enthaltene Zucker.
Das Ergebnis zeigte deutlich, dass Lebensmittel, die sich gezielt an Kinder richten, oft voller Zucker stecken. Besonders dreist: Häufig täuscht die Werbung vor, dass zuckrige Produkte gesund sein könnten.
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