Neue Ernährungstrategie der Regierung stößt auf verhaltenes Echo

Autor: Redaktion (lw) | Kategorie: Essen und Trinken | 17.01.2024

Regierung beschließt Strategie für gesündere Ernährung
Foto: Shutterstock/Marina Litvinova

Die Regierung hat eine neue Ernährungsstrategie beschlossen. Ziele sind: weniger Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln, dafür mehr Bio und Regionales in Mensen und Kantinen. Doch weder Lebensmittelindustrie noch Umweltverbände zeigen sich begeistert: Den einen geht das Papier zu weit – den anderen nicht weit genug.

Die Regierung hat heute eine neue Ernährungsstrategie unter dem Titel "Gutes Essen für Deutschland" beschlossen. Damit soll laut Kabinett besonders die Ernährung von Kindern und Jugendlichen stärker in den Blick genommen werden. Eilig hat man es indes nicht: Die Umsetzung erster Maßnahmen soll bis 2025 folgen, und als "Vision" ist in dem Dokument formuliert: "Bis 2050 ist es für alle Menschen in Deutschland möglich und einfach, sich gut zu ernähren."

Das sieht die Ernährungsstrategie vor

Das 73-seitige Strategiepapier zielt unter anderem auf folgende Punkte ab: Lebensmittel in Deutschland sollen …

  • weniger Zucker,
  • weniger Fett und
  • weniger Salz enthalten – vor allem Lebensmittel für Kinder.

Zudem sollen Kantinen und Mensen zukünftig stärker …

  • auf Bio-Lebensmittel sowie
  • auf regionale Lebensmittel setzen.

Die Regierung wünscht sich zudem eine stärker pflanzenbasierte Ernährung, also weniger Fleisch auf deutschen Tellern. Darüber hinaus sollen zukünftig weniger Lebensmittel im Abfall landen. In der Strategie wird erneut betont, dass die Regierung plant, an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Lebensmittel zu verbieten – ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, das seit Monaten keine Fortschritte macht.

"Ich will, dass jeder eine echte Wahl für gutes Essen bekommt", sagte Ernährungsminister Cem Özdemir. Leckeres, gesundes und nachhaltiges Essen dürfe nicht vom Geldbeutel abhängen oder davon, aus welcher Familie man komme. "Entscheiden muss sich dann jeder selbst, da hat niemand jemandem etwas vorzuschreiben", betonte der Politiker.

"Gutes Essen für Deutschland" kann nicht begeistern

Die Reaktionen auf die Regierungspläne fielen verhalten aus, egal ob sie aus dem Lager der Opposition, aus der Industrie oder von unabhängigen Organisationen kamen. Einige Stimmen:

  • Steffen Bilger, stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion, kritisierte: "Wer die Ernährungsfrage vorrangig unter Gesichtspunkten wie sozialer Gerechtigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe betrachtet, überfrachtet das Thema. Deshalb verliert sich die Strategie in Allgemeinplätzen und Ankündigungen." Er fand: "Wie wir uns ernähren, das muss auch künftig vor allem eine persönliche Entscheidung sein."
  • Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zeigte sich unzufrieden, allerdings aus anderen Gründen: Während die Ziele der Strategie richtig seien, fehlten konkrete Zielvorgaben und wirksame Maßnahmen. "Mit der heute veröffentlichten Ernährungsstrategie zeigt die Bundesregierung, dass sie die grundlegenden Probleme erkannt hat", so DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner, der bemängelte: "Maßnahmen, die die Ernährungsindustrie in die Pflicht nehmen, steuerliche Ansätze wie die Absenkung der Mehrwertsteuer für Obst und Gemüse auf 0 Prozent oder die Erhebung einer Zuckersteuer fehlen komplett. Übrig bleibt – wenig."
  • Ähnlich äußerte sich Dr. Carola Reimann vom AOK-Bundesverband, die die Zielsetzung der Strategie ebenfalls begrüßte, aber kritisierte: "Bei den konkreten Maßnahmen bleibt die Strategie allerdings an vielen Stellen schwammig. Teilweise bleibt das Strategie-Papier hinter den Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung und des wissenschaftlichen Beirats am Bundesernährungsministeriums zurück – zum Beispiel bei der Forderung nach Subventionen für Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte und der Weiterentwicklung der Kennzeichnungsregeln."
  • Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), bemängelte, in der Strategie suche man vergebens "fiskalische Instrumente, beispielsweise die Streichung der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse oder die Einführung einer Herstellerabgabe auf stark gesüßte Getränke".
  • Mehr Ambitionen hatte sich auch der WWF gewünscht: "Kurzfristig könnte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf gesunde Erzeugnisse wie Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte streichen. Mittelfristig braucht es eine Neuausrichtung der Lebensmittelbesteuerung in Form einer Nachhaltigkeitssteuer", so Elisa Kollenda, Referentin für nachhaltige Ernährung beim deutschen WWF.
  • Die Industrie fürchtete sich derweil vor allem vor strengeren Auflagen. So sagte Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands: "Man kann natürlich ganz einfach vorschlagen, dass die Mehrwertsteuer gesenkt bzw. erhöht wird – aber wie viel bringt das im Endeffekt? Erst mal entsteht dadurch ein hoher bürokratischer Aufwand und die Nachfrage verschiebt sich unter Umständen gar nicht."

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Mit Material der dpa.