Das Frühjahr ist ein beliebter Zeitpunkt, um mit einer Diät zu beginnen. Eine seit einigen Jahren angesagte Methode, die schnelle und vermeintlich nachhaltige Erfolge in Aussicht stellt, ist die Sirtfood-Diät. Abnehmwillige sollen durch diese Diätform bis zu drei Kilo pro Woche verlieren können.
Entwickelt wurde die Sirtfood-Diät von den beiden amerikanischen Ernährungswissenschaftlern Glen Matten und Aidan Goggins. Im Mittelpunkt stehen ausgewählte pflanzliche Lebensmittel: Sie enthalten Substanzen, die, zusammen mit einer eingeschränkten Kalorienzufuhr, die Sirtuine im Körper aktivieren sollen.
Das sind Enzyme bzw. Proteine, die den Erfindern zufolge den Stoffwechsel anheizen und dadurch – angeblich – die Fettverbrennung auf Trab bringen können.
Sirtfood-Diät: Was steckt dahinter?
Hinter der Sirtfood-Diät steht eigentlich ein Anti-Aging-Konzept, das seit einigen Jahren intensiv erforscht wird. Schließlich scheinen sich die Sirtuine offenbar günstig auf Stoffwechsel- und Alterungsprozesse auszuwirken. Sie werden vor allem durch Hungerphasen und daraus folgendem zellulären Stress ausgelöst. So sollen Reparatur- und Schutzmaßnahmen in Gang gesetzt werden.
Damit geht auch die Zellerneuerung und womöglich der Aufbau neuer Muskelmasse einher. Wissenschaftler haben bisher sieben Sirtuine im menschlichen Körper gefunden. Sie werden als "Sirt1" bis "Sirt7" bezeichnet. Am besten erforscht wurde bislang das Sirt1: Seine Aktivierung setzen die Forscher in Tierexperimenten mit einer deutlichen Lebensverlängerung in Verbindung.
Auch bestimmte Pflanzenstoffe in Nahrungsmitteln, die "Sirtfoods", sollen die Produktion der Sirtuine anregen können. Daher handle es sich den Verfechtern dieser Diätmethode zufolge nicht nur um eine reine Diät, sondern eine langfristige Ernährungsform, die zu einem gesunden, langen Leben verhilft.
Was sind Sirtfoods?
Bei der Sirtfood-Diät dreht sich alles um die sogenannten Sirtfoods: Ausgewählte Obst- und Gemüsesorten, die reich an bestimmten sekundären Pflanzenstoffen sind, insbesondere an antioxidativ wirkenden Polyphenolen. Diese Lebensmittel sollen die Sirtuine aktivieren und damit den Stoffwechsel beschleunigen.
Forschende haben bisher rund 20 verschiedene pflanzliche Moleküle ermittelt, die dies möglich machen sollen. Als wichtiger Sirtuin-Aktivator gilt Resveratrol. Die Substanz ist insbesondere in Rotwein und dunkler Schokolade zu finden, daher ist beides in der Sirtuin-Diät erlaubt – natürlich nur in Maßen. Außerdem wirken beispielsweise auch das Allicin in Knoblauch, das Curcumin in Kurkuma oder das Quercetin in Äpfeln als Aktivatoren.
Darüber hinaus gelten unter anderem diese Lebensmittel als Sirtfood:
- Obst: Äpfel, Himbeeren, Heidelbeeren, Aprikosen, Kirschen, Pflaumen, Trauben, Zitrusfrüchte (v.a. Grapefruit)
- Gemüse: Grünes Blattgemüse wie Grünkohl, Brokkoli, Spinat, Rucola und Chicorée sowie Sellerie, Tomaten, Zwiebeln und Knoblauch
- Kräuter: Petersilie, Liebstöckel
- Gewürze: Chili, Kurkuma, Zimt, Kapern
- Nüsse: Walnüsse, Cashewkerne
- Sonstiges: Olivenöl, Soja, Buchweizen, grüner Tee, Kaffee, Kakao, Zartbitterschokolade, Rotwein
So funktioniert die Sirtfood-Diät
Die Sirtfood-Diät gliedert sich in drei unterschiedlich langen Phasen und kann je nach Ratgeber variieren:
- Phase 1: In den ersten drei Tagen wird die Kalorienzufuhr auf 1.000 Kalorien pro Tag reduziert. So soll der Stoffwechsel in Schwung und der Körper auf die bevorstehende Umstellung vorbereitet werden. Auf dem täglichen Speiseplan stehen eine Sirtfood-Mahlzeit und drei grüne Säfte bzw. Smoothies. Diese sollten ebenfalls aus den oben genannten Obst- und Gemüsesorten bestehen.
- Phase 2: Die Kalorienzufuhr wird ab dem vierten Tag der Diät auf 1.500 Kalorien erhöht. Nun dürfen für vier Tage zwei Sirtfood-reiche Mahlzeiten pro Tag gegessen und zwei Smoothies getrunken werden. Die Phase wird beendet, wenn das Wunschgewicht erreicht ist.
- Phase 3: Die dritte Phase ist zeitlich unbegrenzt. Sie soll als nachhaltige Ernährungsumstellung gesehen werden und der Stabilsierung des neuen Gewichts dienen. Es wird empfohlen, rund 1.800 Kalorien pro Tag aufzunehmen; andere Ratgeber sehen keine weitere Kalorieneinschränkung vor. Wichtig ist, das Gewicht zu halten und nicht in alte Essgewohnheiten zurückzufallen. Für mindestens eine Woche sollten die Sirtfoods weiterhin Hauptbestandteil der Ernährung sein.
Ab der dritten Phase sind auch andere Obst- und Gemüsesorten erlaubt. "Normale" eiweißreiche Lebensmittel, wie Fisch, Eier und helles Fleisch (Hähnchen, Pute) dürfen nun ebenfalls in Kombination mit reichlich Sirtfoods auf dem Teller landen.
Essentiell ist es, sich durch eine insgesamt ausgewogene Ernährung ausreichend mit allen Nährstoffen zu versorgen. Erst dann sollen die Sirtuine ihre volle Wirkung entfalten können. Übrigens: Auch Bewegung und Sport werden in der Sirtfood-Diät empfohlen.
Wie sinnvoll ist die Sirtuin-Diät?
Stellt sich die Frage, wie empfehlenswert die Sirtfood-Diät ist. "Das Prinzip der Diät ist nicht verkehrt", findet Professorin Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. "Die Sirtuin-Diät basiert schließlich auf gesunden, pflanzlichen Lebensmitteln, die zu einer ausgewogenen Ernährung beitragen." Sie sei also für gesunde Menschen weder schädlich noch gefährlich.
Der schnelle Gewichtsverlust sei aber weniger den Sirtuinen zu verdanken als dem starken Kaloriendefizit. "Wenn man nur 1000 Kalorien pro Tag zu sich nimmt, nimmt man natürlich ab", sagt die Ernährungsforscherin, die auch an der Universität Potsdam lehrt. Für "äußerst fragwürdig" hält sie das Prinzip, Sirtuine fürs Abnehmen anregen zu wollen. "Es gibt noch keine wissenschaftlichen Beweise dafür, dass die Aktivierung von Sirtuinen durch bestimmte Lebensmittel zum Abnehmen führt."
Zwar sei erwiesen, dass Fettzellen im Labor bei einer Sirtuinaktivierung mit dem Fettabbau beginnen. "Das ist aber mit der realen, menschlichen Ernährung nicht zu vergleichen." Auch was den Alterungsprozess betrifft, gebe es noch Forschungsbedarf. "Die Alterung und die allgemeine Gesundheit werden von mehreren Faktoren beeinflusst, nicht nur von den Sirtuinen allein", so Susanne Klaus.
Ein weiterer Kritikpunkt: "Die Sirtfood-Diät ist langfristig nicht gut durchzuhalten. Denn was passiert, wenn ich abgenommen habe? Ich esse wieder wie vorher und nehme wieder zu", betont die Wissenschaftlerin. Daher sei bei der Sirtfood-Diät viel Disziplin gefragt – ansonsten droht der befürchtete Jojo-Effekt.
Helfen Sirtuine beim Muskelaufbau?
Sport und Bewegung sind ebenfalls ein fester Bestandteil der Sirtfood-Diät. Dabei sollen die Sirtuine, wie bereits erwähnt, den Muskelaufbau fördern. Der Theorie nach setzen die Enzyme die Muskeln bei Ernährungsmangel unter Stress, um ihre Reparaturmechanismen zu aktivieren. Dadurch soll neue Muskelmasse entstehen, auch unabhängig vom Training.
Belegt ist das aber nicht. Generell ist es höchst unwahrscheinlich, dass der Körper auch ohne Sport Muskeln wachsen lässt. Diese Meinung teilt auch die Forscherin Susanne Klaus. "Es ist nicht möglich, allein über die Ernährung Muskeln aufbauen zu können. Dafür ist auch Bewegung wichtig – entweder durch die üblichen Alltagsbewegungen oder durch sportliche Betätigung."
Kritik an Rotwein und Schokolade
Den Fokus auf Lebensmittel zu legen, die reich an wertvollen sekundären Pflanzenstoffen sind, begrüßt auch Astrid Donalies von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). "Das entspricht unserer Empfehlung, mindestens fünf Portionen Gemüse und Obst am Tag zu essen", sagt die Pressesprecherin und Ökotrophologin. Zudem könne die Sirt-Diät dazu beitragen, weniger tierische und industrielle Fertigprodukte zu konsumieren.
Manche Lebensmittel, die zu dieser Diät dazu gehören, sieht die DGE-Expertin aber kritisch – allen voran Rotwein. "Der gilt zwar als Sirtfood, weil er Resveratrol enthält. Aber dieser Pflanzenstoff würde erst einen positiven Effekt haben, wenn man zehn Liter Rotwein am Tag trinkt. Das ist natürlich nicht zu empfehlen."
Außerdem sei Rotwein nicht nur reich an Kalorien, sondern als Zellgift an der Entstehung vieler Krankheiten beteiligt. "Es gibt keinen risikofreien Alkoholkonsum", betont die Ernährungsexpertin. Wer abnehmen und sich generell gesund ernähren möchte, sollte vor allem energiefreie Flüssigkeiten wie Wasser oder ungezuckerte Früchtetees trinken.
"Auch Schokolade und Datteln sind sehr gehaltvoll und sollten deshalb nur in geringen Mengen gegessen werden." Darüber hinaus hebt Astrid Donalies die Wichtigkeit hervor, sich auf Dauer nicht nur streng von den Sirtfoods zu ernähren. "Das Essen und die Mahlzeiten sollten abwechslungsreich sein und idealerweise mit Gemüse- und Obstsorten zubereitet werden, die gerade Saison haben."
Diese Personen sollten auf die Sirtfood-Diät verzichten
Die Sirtfood-Diät kommt vor allem für Menschen in Frage, die eine gewisse Disziplin mitbringen. Wer sollte aber besser die Finger davon lassen? "Kinder und Jugendliche sollten sich keiner Diät unterziehen. Denn sie brauchen für ihre körperliche und geistige Entwicklung eine optimale Versorgung mit Energie und allen Nährstoffen", sagt Astrid Donalies.
Auch Schwangeren und Stillenden sei eine Diät nicht zu empfehlen – egal in welcher Form. "Es ist wichtig, dass sich die genannten Personengruppen möglichst vielseitig ernähren und sich bei der Lebensmittelauswahl nicht einschränken", erklärt die Ernährungswissenschaftlerin. Menschen mit Adipositas, die die Sirtfood-Diät ausprobieren möchten, sollten ihr Vorhaben mit einer zertifizierten Ernährungsberaterin bzw. einem zertifizierten Ernährungsberater besprechen.
Bei regelmäßiger Medikamenteinnahme empfiehlt Astrid Donalies die Rücksprache mit einem Arzt bzw. einer Ärztin. "Manche Wirkstoffe vertragen sich nicht mit bestimmten Nahrungsmitteln. Das gilt zum Beispiel für Grapefruits, die zu den Sirtfoods zählen." Außerdem sollten eventuelle Lebensmittelunverträglichkeiten bei der Sirtfood-Diät berücksichtigt werden.
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