Die Lebensmittelpreise in Deutschland spiegeln nicht die wahren Kosten wider, die für Mensch und Umwelt entstehen. Berücksichtigt man Folgeschäden, müssten Lebensmittel deutlich teurer sein, darauf weist eine Studie der Universität Augsburg hin. Zentrale Fragen der Forscher um Wirtschaftswissenschaftler Tobias Gaugler: Wie teuer müssten Lebensmittel tatsächlich sein? Was wäre, wenn Kunden an der Supermarktkasse die wahren Preise zahlen müssten?
Bei ihren Berechnungen berücksichtigen die Forscher Umweltschäden, die durch Stickstoff, Treibhausgas-Emissionen und Energieverbrauch entstehen. Diese sogenannten "versteckten Kosten" werden bislang nicht auf die Erzeuger- und Ladenpreise angerechnet, sondern von der Allgemeinheit bezahlt. Bei den Berechnungen wurden Lebensmittel aus ökologischer und konventioneller Landwirtschaft gegenübergestellt.
Die von der Tollwood GmbH für Kultur- und Umweltaktivitäten und der Schweisfurth Stiftung in Auftrag gegebene Studie ist eine der ersten Studien, die für Deutschland die Umweltbelastungen bei der Lebensmittelproduktion berechnet hat. Zum Redaktionsschluss gibt es keine Hinweise darauf, dass die Arbeit bereits in einer wissenschaftlichen Publikation veröffentlicht wurde.
Der „wahre“ Preis von Fleisch, Milch, Obst & Gemüse
Folgende Hinweise gibt die Arbeit zu tatsächlichen Preisen: Konventionell erzeugtes Fleisch müsste eigentlich das Dreifache kosten, Milch das Doppelte. Für Obst und Gemüse müssten Käufer ein knappes Drittel mehr zahlen.
Die versteckten Kosten bei biologischen Lebensmitteln würden diese auch verteuern, aber lang nicht so massiv wie bei konventionellen Lebensmitteln. Für Bio-Fleisch müsste man 80 Prozent mehr bezahlen, für Milch ein Drittel mehr, Obst und Gemüse wären nur sechs Prozent teurer.
Hier die „wahren Kosten“ laut Studie im Vergleich:
- Fleisch aus konventioneller Landwirtschaft: + 196 Prozent
- Milch aus konventioneller Landwirtschaft: + 96 Prozent
- Obst und Gemüse aus konventioneller Landwirtschaft: + 28 Prozent
- Fleisch aus ökologischer Landwirtschaft: + 82 Prozent
- Milch aus ökologischer Landwirtschaft: + 35 Prozent
- Obst und Gemüse aus ökologischer Landwirtschaft: + 6 Prozent
Die Kosten für Bio-Lebensmittel würden weniger steigen – das begründen die Wissenschaftler mit dem Verzicht auf mineralischen Stickstoffdünger beim Anbau und dem geringeren Einsatz von industriell produziertem Kraftfutter bei der Tierhaltung. Wären die von den Wissenschaftlern berechneten Preise Realität, wären Bio-Produkte kaum teurer als konventionell erzeugte. Die Nachfrage nach Bio-Produkten würde steigen.
Bei tierischen Produkten ist die Höhe der externen Kosten und Preisaufschläge vor allem durch die energieintensive Aufzucht der Nutztiere zu erklären. Dazu zählen Futtermittelanbau, Beheizung und Belüftung der Ställe sowie der der Stoffwechsel der Tiere. Bei der Verdauung der pflanzlichen Nahrung wird das Treibhausgas Methan frei.
Nicht alle Faktoren berücksichtigt
Die Forscher geben zu bedenken, dass die wahre Preisdifferenz noch viel höher ist: „Die Datenlage zu gravierenden weiteren Umweltfolgen, wie beispielsweise zu den gesellschaftlich-sozialen Auswirkungen von Antibiotikaresistenzen oder den ökologischen Auswirkungen durch den Einsatz von Pestiziden, ist so unzureichend, dass keine Aussagen in der Studie darüber getroffen werden konnten“.
Wahre Preise sind gerechtere Preise
Die Preise für konventionelle Lebensmitteln sind so billig, weil sie von allen Seiten stark subventioniert werden: von der EU, vom Bund und von den Ländern. Folgekosten werden von der Allgemeinheit getragen. Ein Beispiel sind die Kosten, die für die Trinkwasseraufbereitung anfallen, weil zu viel Nitrat im Boden ist. Die Landwirtschaft ist für gut sieben Prozent der Treibhausgas-Emissionen zuständig (Quelle: Umweltbundesamt). Auch hier entstehen Schäden, die spätere Generationen bezahlen müssen.
ÖKO-TEST meint: Gerechter wäre es, wenn die Menschen, die konventionelle Lebensmittel kaufen, auch die späteren Schäden gleich an der Supermarktkasse mitbezahlen müssten. Und wenn die, die diese Produkte meiden und Bio-Produkte kaufen, die Schäden auch nicht mitfinanzieren müssten.