Ein Espresso nach dem Essen ist eine Wohltat, zumindest für Kaffeefans: Sie schätzen den kräftigen, leicht bitteren Geschmack des dunkelbraunen Getränks, den der Barista in die zierlichen Mokkatässchen laufen lässt. Die Kaffeebohnen, die in einen Espresso einfließen, werden meist besonders dunkel – nämlich all'italiana – geröstet, was zum speziellen Geschmack genauso beiträgt wie das Zubereitungsverfahren: dampfend heißes Wasser, durch Kaffeemehl gepresst.
Enthält Espresso besonders viel Koffein?
Gourmets wollen aus ihren Espresso-Tässchen die Noten von Schokolade, Nüssen und Zitrusfrüchten herausschmecken; Otto Normaltrinker können auf die Frage, was Espresso von einem schlichten Filterkaffee unterscheidet, immerhin antworten: Dass Espresso doch bekanntlich viel stärker sei als Kaffee.
Gemeint ist damit der Gedanke, dass in Espresso besonders viel Koffein enthalten ist: Der stimulierende Wirkstoff findet sich nicht nur in diversen Kaffeekreationen, sondern – unter dem Namen "Thein" oder "Teein" – auch in vielen Tees und (in geringen Mengen) sogar in Kakao.
Ja, Koffein wirkt – positiv wie negativ
Koffein wird zugleich gehasst und geliebt. Denn: Koffein erhöht zwar Aufmerksamkeit, Konzentration und Reaktionszeit, kann aber auch Unruhe, Schlafstörungen oder Herzklopfen verursachen.
Deshalb lehnen viele nach dem Essen einen Espresso mit dem Hinweis ab, sie würden die aufputschende Wirkung nicht gut vertragen. Ein Cappuccino hingegen wird gerne geordert, weil er – angeblich – nicht so stark sei.
Dabei handelt es sich bei der Vorstellung, Espresso sei besonders koffeinreich, um ein Missverständnis – zumindest um ein halbes. Denn: Tatsächlich enthält ein Tässchen Mokka oft weniger Koffein als beispielsweise eine Tasse Filterkaffe. Was aber vor allem daran liegt, dass Espresso in kleineren Mengen ausgeschenkt wird als andere Kaffeezubereitungen.
So viel Koffein können Sie in Espresso erwarten
Laut dem deutschen Kaffeeverband enthält ein typischer Espresso, wie man ihn an der Bar serviert bekommt (35 ml), zwischen 35 und 100 mg Koffein. Eine Tasse Filterkaffee (200 ml) 60 bis 130 mg Koffein. Im Mittel kommt die Tasse Espresso damit auf etwa 70, Filterkaffee auf etwa 95 mg Koffein.
Das US-amerikanische Landwirtschaftsministerium rechnet in seiner Datenbank ebenfalls mit rund 70 mg fürs Espressotässchen (35 ml); bei Starbucks kommen laut einer schottischen Labor-Studie aus dem Jahr 2012 etwa 50 mg Koffein in den Mokka (27 ml); ein anderes, privat beauftragtes Labor hat 2019 zwischen 50 und 70 mg Koffein pro typischer Espressoportion (25 bis 30 ml) gemessen; der Kaffeehersteller Tchibo wiederum gibt auf seiner Website für Espressi 35 bis 40 mg Koffein pro Tässchen an.
Von Tasse zu Tasse: Filterkaffee schlägt Espresso
Wie man es wendet: In den meisten Fällen hat die Portion Filterkaffee den höheren Koffeingehalt und bringt damit überraschenderweise den kräftigeren "Wumms" mit. Das hängt natürlich entscheidend von der Füllmenge ab. Denn: Rechnet man den typischen Espresso auf die gleiche Flüssigkeitsmenge hoch wie den typischen Filterkaffee, gewinnt der Espresso spielend wieder die Oberhand: Er ist dann mindestens dreimal, eher viermal so koffeinhaltig wie der klassische Tropf-, Brüh- oder Filterkaffee.
Damit gilt: Espresso kann zugleich stärker und schwächer ausfallen als klassischer Kaffee. Es kommt schlicht darauf an, ob man eine gefüllte Mokka- mit einer gefüllten Kaffeetasse vergleicht – oder zwei identische Mengen der verschiedenen Getränke miteinander.
Bleibt die Frage, warum Espresso – im 100-Milliliter-Direktvergleich – überhaupt viermal so viel Koffein enthält wie Filterkaffee? Mit der Röstung hat das nichts zu tun, eher im Gegenteil: Espressobohnen werden sehr dunkel geröstet und enthalten deshalb ab Werk sogar weniger Koffein als die helleren Bohnen, die normalerweise für Filterkaffee genutzt werden.
Viel Pulver + wenig Wasser = starker Kaffee
Der Hauptgrund ist natürlich: wenig Wasser, viel Pulver. Da Espresso mit weniger Flüssigkeit zubereitet wird als andere Kaffee-Spezialitäten, findet etwa die vierfache Menge Koffein pro Milliliter ins Tässchen.
Unabhängig davon können milligrammgenaue Angaben zur Koffeinmenge natürlich nicht in Stein gemeißelt sein. Denn: Der Koffeingehalt von Kaffeemehl kann je nach Kaffeebohne, Röstmethode, Röstgrad und vor allem Zubereitungsmethode stark variieren. Einige Mischungen im Handel sind besonders mächtig, andere verhältnismäßig mild; einige Bars servieren ihren Espresso besonders dünn, andere besonders stark.
Warum gilt Espresso dann als so stark?
Zuletzt bleibt die Frage: Woher könnte die – nicht ganz falsche aber auch nicht ganz richtige – Annahme kommen, dass Espresso so ein besonders potenter Wachmacher sei?
Bei dem Mythos rund um das Getränk spielen wohl mehrere Faktoren zusammen: Wie die, dass Espresso in kleineren Portionen verkauft und serviert wird, im Verhältnis teurer ist als Filterkaffee, die Bohnen dunkler geröstet werden – und natürlich die Tatsache, dass Espresso einfach intensiver und bitterer schmeckt.