- Weinblätter im Test: Wir haben acht ungefüllte Weinblätter eingekauft und neun, die mit Reis gefüllt sind.
- Im Fokus: Die Belastung mit Pestizidrückständen.
- Einige Produkte enthalten jede Menge Pestizide. Teils ist die Belastung so hoch, dass die Weinblätter aus unserer Sicht nicht hätten verkauft werden dürfen.
- Interessant: Manche Hersteller haben das Problem im Griff, denn elf Produkte sind "sehr gut".
Aktualisiert am 8.11.2023 | Ganze 19 Pestizide über Grenzwert – davon zwei, deren Anbau von der EU verboten oder nicht mehr zugelassen ist, und acht besonders bedenkliche: Manche Testergebnisse lassen uns fassungslos zurück. Das sind insgesamt 104 Notenabzüge für ein Produkt.
Zur Einordnung: Ab fünf Abwertungen hagelt es bei uns ein "ungenügend". Schlechter als "ungenügend" gibt es leider nicht – unsere Notenskala wollten wir für den Test Pestizide in Weinblättern nicht extra nach unten erweitern. Aber vielleicht denken Sie sich an dieser Stelle einfach ein "unterirdisch". Und das ist nicht der einzige Pestizidcocktail, auf den wir gestoßen sind.
Grenzwerte für Pestizide bei ungefüllte Weinblättern
Bis hierhin ist die Sachlage einfach – denn bei den kritisierten Produkten handelt es sich um ungefüllte Weinblätter. Und da gibt es gesetzliche Rückstandshöchstmengen, die die Produkte nicht überschreiten dürfen. Deswegen hätten auch die Weinblätter so nicht verkauft werden dürfen – auch in ihnen ist die Belastung höher als erlaubt. So weit, so einfach.
Unübersichtlich wird es bei gefüllten Weinblättern mit Reis
Kompliziert wird es bei den gefüllten Weinblättern mit Reis. Denn hier kommen (mindestens mal) zwei Komponenten zusammen: die Weinblätter und der Reis. Und es gibt da zwar gesetzliche Rückstandshöchstmengen – aber eben welche für Reis und wiederum andere für Weinblätter.
Da sich diese Werte nicht nur an gesundheitlichen Einschätzungen orientieren, sind sie häufig unterschiedlich hoch. Die für Weinblätter sind oft recht niedrig, für Reis liegen einige deutlich höher. Deswegen haben wir die Komponenten im Labor getrennt voneinander untersuchen lassen.
Rechtlich gesehen ist es dann dennoch schwierig, von einer "echten" Grenzwertüberschreitung zu sprechen, weil es natürlich Übertragungen der Pestizide von der einen zur anderen Zutat gegeben haben kann. Deswegen gibt es wohl kaum Untersuchungen von gefüllten Weinblättern, weil die Bewertung am Ende eben ziemlich kompliziert ist.
"Mischprodukte dürfen keine Grauzone sein"
Wir ducken uns aber nicht weg, wenn es kompliziert wird. Im Gegenteil. Denn solche Mischprodukte, die dürfen keine Grauzone sein, in der Hersteller sich alles erlauben können.
Zur Einordnung: Wenn wir trotzdem "über Grenzwert" schreiben, dann tun wir das, wenn entweder die Rückstandshöchstmengen im Reis und in den Weinblättern jeweils gerissen wurden – oder, wenn nur in einer Komponente ein Pestizid nachgewiesen wurde und der Stoff die Rückstandshöchstmenge dieser Komponente reißt.
Was wir uns sonst noch (Kompliziertes, weil ja, es ist kompliziert) bei der Bewertung gedacht haben, das lesen Sie ganz unten im Artikel im Abschnitt Testverfahren.
Darum sind importierte Weinblätter problematisch
Aber zurück zu dem Grund, warum wir uns eben nicht wegducken, wenn es kompliziert wird: Die gefüllten Weinblätter einer Marke im Test beispielsweise überschreitet aus unserer Sicht gleich mit neun (!) Pestiziden die jeweiligen Rückstandshöchstmengen. Insgesamt stecken 17 verschiedene Stoffe in den gefüllten Weinblättern, darunter zwei, die von der EU im Anbau verboten oder nicht mehr zugelassen sind.
Nun stammen die Blätter aus der Türkei, nicht aus der EU. Und das Absurde ist: Wir verbieten hier Pestizide, weil sie entweder schädlich sind für uns oder die Umwelt, erlauben aber den Import von Lebensmitteln, die mit exakt diesen Pestiziden belastet sind. Absurd also, aber legal.
Was der Anbieter zu den Funden sagt? Nichts zur Höhe, nichts zur Menge, nur: Unser Analyseansatz, die Trennung von Reis und Weinblättern, der sei nicht nachvollziehbar. "Der Maßstab für die Überprüfung sollte auf dem fertigen gesamten Produkt angelegt werden." Das wäre sicherlich bequemer; es gibt nämlich keine Rückstandshöchstmengen für gefüllte Weinblätter.
>> Das könnte Sie auch interessieren: Auch in unserem Test von 50 Früchtemüslis sind wir auf ganze Pestizidcocktails gestoßen. Der Negativrekord liegt bei 31 Pestiziden in einer Tüte. Mehr zum Test lesen Sie hier: Früchtemüsli im Test: Manche enthalten ganze Pestizidcocktails.
Entweder "sehr gut" oder "ungenügend"
Gegen die Extrembeispiele wirken einige der anderen "ungenügenden" Produkte fast harmlos – wobei sie das natürlich nicht sind. Auch sie enthalten jede Menge Pestizide, teils über der jeweiligen Rückstandshöchstmenge.
Und auf der anderen Seite der Tabelle? Ist tatsächlich alles grün. Erstaunlich: Ob gefüllte oder ungefüllte Weinblätter – entweder die Hersteller haben das Pestizidproblem komplett im Griff oder überhaupt nicht. Fast alle anderen Produkte enthalten nicht einmal geringe Spuren von Pestiziden. "Gute", "befriedigende", "ausreichende" oder "mangelhafte" Produkte gibt es nicht, ganz oder gar nicht. Es geht also – wenn man will.
Woher stammen die Weinblätter im Test?
Blau-weiße Verpackungen, "Dolmadakia", das griechische Wort für Weinblätter, steht groß auf der Produktvorderseite – einige Hersteller werben mit einer vermeintlich griechischen Herkunft, obwohl weder der Reis noch die Weinblätter aus Griechenland stammen.
Das ist dreist, aber erlaubt – wenn zumindest irgendwo auf der Verpackung ein klitzekleiner Hinweis steht, dass die "Primärzutaten", so nennt die EU das, nicht aus Griechenland stammen. "Nicht-EU" würde schon reichen – so richtig hoch hängt die Latte also nicht.
Wir wollten von den Herstellern wissen, woher die Weinblätter stammen, die wir getestet haben. Die meisten Produkte kommen aus der Türkei, gleich gefolgt von der eher überraschenden Herkunft China. Lediglich ein Produkt im Test kommt tatsächlich aus Griechenland.
Diesen Test haben wir zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 4/2023 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2024 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
Weiterlesen auf oekotest.de:
- Darum sollten wir Reisprodukte nur in Maßen essen
- Kokosöl und Kokosmilch: Wie gesund sind Kokosnuss-Produkte wirklich?
- Couscous im Test: Ist Couscous gesund?
-
Butter im Test: Fast alle Marken fallen durch
- Erdbeeren im Test: Oft mit Pestiziden belastet – und schlecht fürs Klima
-
Isotonische Getränke im Test: Von wegen gesunde Sportgetränke