- Die meisten Nutztiere wie Kühe, Schweine und Hühner verbringen ihr gesamtes Leben ohne Platz oder Auslauf in riesigen Mastbetrieben. Die Massentierhaltung trägt erheblich zum Treibhauseffekt bei.
- Beim Menschen wiederum kann übertriebener Fleisch- und Wurstkonsum die Entstehung bestimmter Krankheiten begünstigen.
- Wir zeigen, warum es nichts mit Verzicht zu tun hat, weniger Fleisch zu essen. Im Gegenteil bedeutet es, viele neue kulinarische Highlights entdecken zu können.
Aktualisiert am 06.04.2021 | Die positive Nachricht vorweg: Im vergangenen Jahr haben wir Deutschen so wenig Fleisch gegessen wie seit mindestens 32 Jahren nicht mehr. Seit 1989 nämlich wird der Fleischkonsum pro Kopf und Jahr berechnet – und noch nie waren die Zahlen niedriger.
Trotzdem verzehren wir im Schnitt immer noch rund 60 Kilogramm (!) Fleisch pro Jahr, 2020 waren es "nur" noch 57,3 Kilogramm. Das ist nach wie vor mehr als ein Kilo Fleisch pro Woche. Dabei rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) dazu, nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche zu essen – hochgerechnet aufs Jahr entspricht das 15 und 31 Kilogramm.
Fest steht: Es steht deutlich zu viel Fleisch und Wurst auf unserem Speiseplan. Aber es scheint sich etwas zu ändern: Laut des kürzlich veröffentlichten Fleischatlases streichen vor allem jüngere Generationen zunehmend Schwein, Rind und Geflügel vom Teller. Elf Prozent der befragten 15- bis 29-Jährigen ernähren sich vegetarisch, rund zwei Prozent sogar vegan. Weitere 25 Prozent der Befragten gaben an, den eigenen Fleischkonsum zumindest bewusst einzuschränken.
Doch wie schädlich ist Fleischkonsum denn nun wirklich? Und wie schaffen wir es, weniger Tiere zu verspeisen? Wir haben zahlreiche Tipps für Sie gesammelt.
Weniger Fleisch essen und das Klima schützen
Es spricht viel dafür, weniger Fleisch zu essen: ökologisch, gesundheitlich und nicht zuletzt moralisch. So trägt die globale Viehhaltung zum Treibhauseffekt bei und belastet das Klima.
Nach Angaben der Naturschutzorganisation WWF ist der Agrar- und Nahrungsmittelsektor für rund 25 Prozent aller Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich und verbraucht 70 Prozent der Wasserreserven. Außerdem wird etwa ein Drittel der gesamten Landfläche für Acker- und Weideland genutzt, rund 30 Prozent davon wiederum für die Futtermittelproduktion.
Die massive Futterherstellung geht ihrerseits mit Abholzung und dem Verlust von Artenvielfalt einher: Etwa 70 Prozent der biologischen Vielfalt und sogar 75 Prozent der globalen Entwaldung gehen laut WWF aufs Konto der Nahrungs- und Futtermittelindustrie. Gerade in Südamerika werden wertvolle Wälder gerodet, die viel Kohlendioxid gebunden hatten.
Wenn jeder Bundesbürger nur einmal pro Woche auf Fleisch verzichten würde, könnte das zu einer jährlichen Einsparung von rund neun Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen führen, erklärt der WWF. Das entspricht 75 Milliarden Autokilometern.
Auch die Verdauungsgase der Tiere spielen eine entscheidende Rolle bei der Klimabelastung. Denn Rinder stoßen Methan aus, ein Treibhausgas, das 25-mal so wirksam ist wie Kohlenstoffdioxid. Weil die Fleischnachfrage weltweit immer weiter steigt, wird auch die Anzahl der Rinder zunehmen.
Darüber hinaus sinkt durch den Klimawandel auch der Nährwert von Futterpflanzen: In wärmeren Gebieten ist er häufig niedriger als in kühleren. Die Tiere müssen also mehr fressen, verdauen länger und geben mehr Methan ab.
Pflanzliche Ernährung senkt Treibhausgase um bis zu 70 Prozent
Wirtschaftswissenschaftler Marco Springmann und sein Team haben an der Universität Oxford verschiedene Ernährungsweisen untersucht und ihre Folgen bis ins Jahr 2050 prognostiziert. Das Fazit: Würden wir weltweit rein pflanzlich, also vegan, leben, gingen die ernährungsbedingten Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 70 Prozent zurück. Bei einer vegetarischen Ernährung sänken die Treibhausgase um 63 Prozent, bei weniger als 300 Gramm rotem Fleisch pro Woche würden die Emissionen immer noch um 29 Prozent abnehmen.
Den Wissenschaftler beschäftigen nun viele weiterführende Fragen: Lassen sich die Emissionen aus der Fleischproduktion mithilfe neuer technischer Lösungen reduzieren? Könnte eine Umstellung des Tierfutters helfen? Springmann geht allerdings davon aus, dass so maximal ein Drittel der Emissionen vermeidbar wären: "Einen Großteil werden wir nur durch geringeren Verzehr einsparen."
Übergewicht, Herzinfarkt, Diabetes: Schuld ist auch (zu) viel Fleisch
Die drastischen Folgen des Klimawandels sind für viele noch immer kein Argument, um weniger Fleisch zu essen. Anders sieht es mit der eigenen Gesundheit aus. Längst ist klar: Übermäßiger Fleischkonsum wirkt sich nicht gerade positiv auf die Gesundheit aus.
Wissenschaftler und Mediziner sehen einen engen Zusammenhang zwischen hohem Fleischkonsum und Volkskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Außerdem ergeben Langzeitbeobachtungsstudien weltweit, dass der hohe Konsum von rotem Fleisch – also Rind-, Schweine- und Lammfleisch – mit einem erhöhten Typ-2-Diabetesrisiko und dem Risiko einer Darmkrebs-Erkrankung verbunden ist.
Umgekehrt sinkt das Risiko für ernährungsmitbedingte Krankheiten teilweise deutlich, wenn man sich fleischlos ernährt – auch die Lebenserwartung von Vegetariern sei durchschnittlich höher, so der Gießener Ernährungswissenschaftler Claus Leitzmann gegenüber ÖKO-TEST 2017. Das liege allerdings auch daran, dass sich Vegetarier und Veganer ohnehin häufig gesundheitsbewusster verhielten: Sie rauchten seltener und trieben regelmäßiger Sport.
Vegetarische und vegane Ernährung ist keinesfalls ungesünder
Leitzmann betont aber, dass eine vegetarische oder vegane Ernährung nur dann gesund sein kann, wenn sie auch ausgewogen ist: "Wer kein Fleisch, aber dafür massenhaft Weißmehlprodukte, Zucker und Alkohol konsumiert, schadet sich natürlich trotzdem – und leidet im Zweifel unter Mangelerscheinungen." Für Leitzmann ist aber klar: "Aus ernährungsphysiologischer Sicht ist es nicht notwendig, Fleisch zu essen."
Obst und Gemüse enthalten sekundäre Pflanzenstoffe, die als gesundheitsfördernd gelten. Fleisch liefert dem Körper allerdings Eisen, hochwertiges Eiweiß und die Vitamine B1, B6 und B12 – ein zentrales Argument, das gerne von Gegnern der vegetarischen oder veganen Ernährung vorgebracht wird. Allerdings ist das Argument nicht unbedingt stichhaltig, denn pflanzliche Kost liefere genauso viel Eisen wie Mischkost, betont Leitzmann. Dieses werde aber schlechter resorbiert, also aufgenommen. "Die gleichzeitige Zufuhr von Vitamin-C-haltigen Lebensmitteln verbessert aber die Aufnahme."
Proteinmangel ist bei Veganern selten, sie sind in der Regel ausreichend mit den lebensnotwendigen Eiweißbausteinen versorgt. Allein Vitamin B12 ist in pflanzlichen Lebensmitteln so gut wie nicht enthalten. Für Vegetarier, die Milchprodukte und Eier essen, sei das nicht so problematisch. "Veganer sollten Vitamin B12 aber mit angereicherten Lebensmitteln, Supplementen oder Vitamin B12-haltiger Zahnpasta zuführen."
Weniger Fleisch essen: Widerstand gegen die Massentierhaltung
Auch ethische Gründe sind bei vielen Menschen für den Fleischverzicht ausschlaggebend: Das unsägliche Elend der Massentierhaltung – enge Kastenställe, Qualzuchten, gekürzte Schnäbel, kupierte Schwänze – verderben Ihnen die Lust am Schweineschnitzel oder der Hühnerbrust.
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Wer weniger Fleisch konsumiert, kann sich zumindest bessere Bio-Qualität leisten und Fleisch kaufen, das nicht aus konventioneller Massentierhaltung stammt.
Wie wir weniger oder gar kein Fleisch essen
Weniger Fleisch essen – das klingt für viele nach der Forderung, auf das geliebte Schnitzel, den saftigen Braten oder die Wurstsemmel zur Brotzeit zu verzichten. Das muss es aber nicht, denn: Weniger Fleisch heißt nicht, dass Sie gar kein Fleisch mehr essen dürfen.
Das Umweltbundesamt forderte jüngst, den Fleischkonsum in Deutschland insgesamt zu halbieren. Flexitarismus heißt das Zauberwort: Flexitarier ernähren sich nicht streng vegetarisch oder vegan, verzichten aber großteils auf Fleisch und Fisch. Das kann auch eine positive Rückbesinnung sein – früher gab es auch nur am Sonntag einen Braten und nicht jeden Tag Fleisch.
1. Fleischkonsum analysieren
Beobachten Sie zunächst Ihr eigenes Essverhalten und Ihren Fleisch- und Wurstkonsum. Machen Sie sich bewusst, an wie vielen Tagen in der Woche Sie Fleischprodukte essen. Überlegen Sie dann, wo Sie Fleisch und Wurst am einfachsten weglassen können.
Muss es morgens immer das Wurstbrötchen sein? Wie wäre es zum Beispiel mit einem vegetarischen oder veganen Frühstück? Sie können sich aus einer riesigen Auswahl an veganen Brotaufstrichen, Marmeladen oder Honig bedienen – oder Sie frühstücken Müsli, Cornflakes oder Porridge.
Auch mittags und abends können Sie Fleisch ohne Weiteres weglassen und zaubern sich beispielsweise ein veganes Curry mit Kokosmilch, Gemüse und Reis. Oder Sie kochen Pasta: Viele köstliche Nudelgerichte sind fleischlos, beispielsweise Erbsennudeln mit grünem Pesto. Wenn es doch die beliebten Spaghetti Bolognese werden sollen, können Sie Linsen statt Hackfleisch verwenden – oder Sie probieren einmal veganes Hackfleisch bzw. Hackersatz wie Sojageschnetzeltes aus.
Selbst Burger müssen nicht automatisch mit einem Rindfleischpatty belegt werden. Aus Kidneybohnen, Semmelbrösel, Ei, Tomatenmark, Senf und Gewürzen formen Sie in wenigen Minuten einen vegetarischen Burgerbratling. Sie können inzwischen auch viele vegane Burgerpattys kaufen – bei ÖKO-TEST schnitten allerdings nur vier Pflanzenburger "sehr gut" ab:
Fleischersatzprodukte liegen absolut im Trend, sodass Sie im Supermarkt oder Bioladen mittlerweile eine große Auswahl an vegetarischen und veganen Würsten, Nuggets, Schnitzeln und anderen pflanzlichen Fleischalternativen vorfinden.
Der Vorteil: Wenn Sie weniger Fleisch essen, steigert das auch Wertschätzung und Genuss, denn Sie freuen sich automatisch mehr auf die Gelegenheiten, an denen Sie bewusst ein gutes Bio-Steak oder eine Bio-Grillwurst genießen.
2. Neue Gerichte ausprobieren
Ändern Sie Ihre Einstellung zum Thema Fleischkonsum: Weniger Fleisch bedeutet nicht Verzicht, sondern unzählige neue Möglichkeiten! Seien Sie experimentierfreudig und kochen Sie neue Gerichte, kaufen Sie sich ein vegetarisches Kochbuch oder lassen Sie sich im Netz auf Foodblogs und Rezepteseiten inspirieren.
Fragen Sie in der Familie und im Freundeskreis nach fleischlosen Lieblingsgerichten. Wenn Sie sich zum gemeinsamen Nachkochen einladen, macht es doppelt Spaß.
3. Mitstreiter suchen und Fortschritte feiern
Seien Sie zu Beginn nicht zu streng zu sich, sondern im Gegenteil stolz darauf, wenn Sie eine Zeit lang weder Fleisch noch Wurst verzehrt haben. Jedes Ersatzprodukt, das Sie in den Einkaufswagen legen, senkt Ihren ökologischen Fußabdruck weiter und weiter. Achten Sie auch hier auf eine möglichst regionale Herkunft und darauf, dass nicht zu viele Zusatzstoffe verarbeitet sind.
Wem es schwerfällt, weniger Fleisch zu essen, sucht sich am besten einen Mitstreiter. Das können Partnerin oder Partner, die beste Freundin oder der Nachbar sein. Zusammen halten Sie auf jeden Fall länger durch, können sich gegenseitig anspornen und gemeinsam Erfolge feiern.