Wundermittel Zitronenwasser? 5 Mythen im Check

Autor: Rebecca Welsch | Kategorie: Essen und Trinken | 10.04.2025

Zitronenwasser am Morgen: Was ist dran an dem Hype?
Foto: cityfoto24/Shutterstock

Viele schwören auf Zitronenwasser als Vitamin C-Booster, Detox-Getränk und Abnehmhilfe. Doch was ist dran an diesen Mythen? Wir schauen uns an, welche Vorteile Zitronenwasser tatsächlich hat – und was sich nicht wissenschaftlich belegen lässt. 

Wer nach dem Aufstehen ein Glas (Leitungs-)Wasser mit dem Saft einer ausgepressten Zitrone trinkt, tut dem Körper angeblich etwas Gutes. Kaum ein Morgenritual wird so oft gepriesen.

Vermeintliche Vorteile des Getränks sind: 

  • Zitronensaft enthält viel Vitamin C
  • Zitronenwasser entgiftet den Körper
  • Heißes Zitronenwasser hilft bei Erkältungen 
  • Zitronenwasser gleicht den Säure-Base-Haushalt aus
  • Zitronenwasser hilft beim Abnehmen

Doch ist an diesen Mythen wirklich etwas dran? Wir schauen uns an, welche wissenschaftlich belegten Vorteile Zitronenwasser für den Körper hat – und wo es sogar schaden kann. 

Mythos 1: Zitronensaft enthält viel Vitamin C

Zitronensaft enthält Vitamin C, das eine entscheidende Rolle in zahlreichen Stoffwechselprozessen spielt. Es unterstützt den Aufbau von Zähnen, Knochen und Bindegewebe, trägt zur Wundheilung bei und stärkt das Immunsystem.

Außerdem wirkt Vitamin C antioxidativ: Es fängt schädliche Verbindungen wie freie Radikale ab, bevor sie Schaden anrichten und schützt so die Zellen im Körper vor Schäden. Freie Radikale entstehen durch Stoffwechselprozesse, aber auch durch äußere Einflüsse wie UV-Strahlung, Umweltgifte oder Rauchen. Gibt es zu viele von ihnen, führt das im Körper zu oxidativem Stress, der mit Alterungsprozessen und Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung steht. 

Ein Glas Wasser mit Zitrone am Morgen soll wahre Wunder bewirken.
Ein Glas Wasser mit Zitrone am Morgen soll wahre Wunder bewirken. (Foto: pixel-shot/Shutterstock)

Die empfohlene Referenzmenge für Männer liegt laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) bei 110 mg Vitamin C pro Tag und für Frauen bei 95 mg

Übrigens: Menschen, die rauchen, haben höhere Stoffwechselverluste und niedrigere Vitamin-C-Konzentrationen im Blut als Nichtraucher. Deshalb sollten sie besonders viel Vitamin C zu sich nehmen. Ihr Umsatz an Vitamin C ist nach Angaben der DGE um 40 Prozent höher. Bedeutet: Für Raucherinnen liegt der Referenzwert bei 135 mg Vitamin C pro Tag und für Raucher bei 155 mg.

Vitamin C-Bedarf mit Obst und Gemüse decken 

Dennoch sollte man den Vitamin-C-Gehalt von Zitronen nicht überschätzen. Es gibt viele Früchte, die wesentlich mehr Vitamin C enthalten. Zitronen haben einen Vitamin-C-Gehalt von 50 mg pro 100 g. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 130 g liefern Zitronen also etwa rund 65 mg pro Stück. Das ist im Vergleich aber gar nicht hoch: Hagebutten haben mit 1.250 mg Vitamin C pro 100 g den höchsten Vitamingehalt, gefolgt von Sanddorn (450 mg), schwarzen Johannisbeeren (170 mg) und Petersilie (160 mg).

Auch mit vielen Gemüsesorten lässt sich der Bedarf einfach decken, so das Bundeszentrum für Ernährung (BZfE). Eine Portion Brokkoli (200 g) enthält etwa 180 mg Vitamin C – und 100 Gramm rote Paprika enthalten etwa 140 mg. Mit beiden Gemüsesorten decken Frauen und Männer ihren täglichen Vitamin C-Bedarf. 

Die meisten Menschen müssen sich allerdings keine Gedanken um ihren Vitamin C-Haushalt machen. Generell ist es laut Dr. Matthias Riedl, Leiter des Medicum Hamburg und Ernährungsmediziner bei der NDR-Serie Die Ernährungs-Docs, unwahrscheinlich, dass man zu wenig Vitamin C zu sich nimmt.

"Es gibt seit den 70ern einen totalen Vitaminhype", betont Dr. Riedl. "Aber es gibt hierzulande eigentlich keinen Mangel, wer sich ausgewogen und mit viel Obst und Gemüse ernährt, dürfte eigentlich kein Problem mit zu wenig Vitamin C haben."

(Foto: ÖKO-TEST)

Mythos 2: Zitronenwasser entgiftet den Körper

Ein weiterer Mythos behauptet, dass man mit Zitronenwasser "den Körper entgiftet". Das ist laut DGE jedoch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Zudem sei eine Reinigung des Körpers von Schadstoffen aus wissenschaftlicher Sicht nicht nötig. Es sei auch nicht klar, von welchen Schadstoffen man den Körper befreien solle. 

Laut DGE kann sich ein gesunder menschlicher Körper selbst "reinigen", indem er unerwünschte Stoffe über Leber, Nieren, Darm, Haut und die Atmung ausscheidet. 

Mythos 3: Heißes Zitronenwasser hilft bei Erkältungen 

Auch bei Erkältungen schwören einige Menschen auf Zitronenwasser, allerdings in Form von einer "heißen Zitrone". Darunter versteht man ein Getränk aus dem Saft einer ausgepressten Zitrone in heißem Wasser, gesüßt mit Honig.

Der Mythos lautet, dass heiße Zitrone Vitamin C sowie keim- und entzündungshemmende Stoffe aus dem Honig enhält und somit Erkältungen kurieren kann. Doch das stimmt nicht so ganz: Da Vitamin C sehr hitzeempfindlich ist, verliert das Getränk laut Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) bei zu hohen Temperaturen seine positive Wirkung. Auch der Honig sollte nicht auf mehr als 40 Grad Celsius erhitzt werden, damit seine Inhaltsstoffe erhalten bleiben.

Eigentlich sollte man den ausgepressten Zitronensaft also gar nicht mit heißem Wasser mischen, sondern mit kaltem. Anschließend kann man das Getränk auf Trinktemperatur erwärmen.  

Das bekannte Hausmittel sollte also eher lauwarm getrunken werden als zu heiß. Und auch dann ist es kein Allheilmittel: Bei einer akuten Erkältung kann auch die positive Wirkung von Vitamin C laut BZfE wenig tun.  Vorbeugend könne die lauwarme Zitrone aber das Immunsystem unterstützen. 

Mythos 4: Zitronenwasser gleicht den Säure-Basen-Haushalt aus

Viele Menschen trinken Zitronenwasser, weil sie glauben, dass sie damit ihren Säure-Basen-Haushalt in Einklang bringen können. Denn: Obwohl der Saft einer Zitrone mit einem pH-Wert von etwa 2,4 zu den Säuren zählt, sind Zitronen als sogenanntes basenbildendes Lebensmittel bekannt.

Das liegt daran, dass der Zitronensaft nach dem Stoffwechsel im Körper basische Rückstände hinterlässt. Denn bei der Verstoffwechselung werden die Säuren in der Leber abgebaut, und es bleiben basische Mineralstoffe wie Kalium und Magnesium zurück. Der Zitronensaft wird also basisch. 

Doch warum soll es gut sein, basische Zitronen zu essen? Diese Annahme beruht auf der sogenannten basischen Ernährung. Das Ernährungskonzept geht davon aus, dass säurebildende Lebensmittel wie beispielsweise Fleisch, Brot und Pasta zu einer Übersäuerung des Körper führen – welche den Körper auf Dauer belasten kann. So ist in Ernährungsratgebern die Rede davon, dass Betroffene müder und empfindlicher für Stress seien oder beispielsweise an Muskel- und Gelenkbeschwerden litten.

Säure-Basen-Haushalt gleicht sich in der Regel von selbst aus

Zitronen sollen, ebenso wie andere basische Obst- und Gemüsesorten, helfen den Säure-Base-Haushalt auszugleichen. Laut DGE gelten Obst, Gemüse, Kräuter, Keimlinge, einige Nüsse (Mandeln, Walnüsse, Paranüsse, Macadamianüsse und Pistazien) sowie "hochwertiges" Öl (Lein-, Oliven- oder Rapsöl) als Basenbildner.

Jedoch sei die Einteilung der Lebensmittel nicht immer einheitlich und teilweise nicht nachvollziehbar. In Veröffentlichungen würden sich sehr unterschiedliche Angaben zur Wirkung der Lebensmittel auf den Säure-Basen-Haushalt finden. Dementsprechend fehlt es laut DGE an wissenschaftlichen Belegen für die Vorteile des Ernährungskonzepts.

Auch Riedl denkt, dass man nicht extra Zitronenwasser trinken muss, um den Körper vor einer Übersäuerung zu schützen: "Der Körper reguliert den Säure-Base-Haushalt eigentlich von allein." Lediglich Menschen, die beispielsweise Probleme mit der Niere hätten, müssten in ihrer Ernährung auf den pH-Wert ihrer Lebensmittel achten. Auch die DGE betont, dass "bei gesunden Menschen schwerwiegende Störungen des Säure-Basen-Haushalts durch bestimmte Lebensmittel nicht zu befürchten sind."

    Mythos 5: Zitronenwasser hilft beim Abnehmen

    Ein weiterer Mythos über Zitronenwasser lautet, dass dieses beim Abnehmen helfen kann. Doch stimmt das wirklich? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten. Es gibt insgesamt nur wenige Studien zu diesem Thema. 

    Eine Studie ist eine koreanische Forschung aus dem Jahr 2015. Diese zeigt, dass die Zitronenwasser-Diät beim Abnehmen helfen könnte. Dafür wurden 84 übergewichtige Frauen in drei Gruppen eingeteilt:

    • Eine Gruppe erhielt über sieben Tage keine feste Nahrung, sondern hauptsächlich Wasser mit Zitrone, Ahornsirup und Cayennepfeffer.
    • Die zweite Gruppe trank das gleiche Getränk ohne Zitronensaft.
    • Die Kontrollgruppe durfte feste Nahrung essen, jedoch nur genauso wenig Kalorien wie die zwei anderen Gruppen.

    Es zeigte sich, dass das Zitronenwasser zur Reduzierung von Körpergewicht und Insulinresistenz beitrug, auch die Entzündungsmarker gingen zurück. Die Veränderungen waren signifikant größer als in den anderen beiden Gruppen. Inwiefern dies jedoch ein Resultat der Zitrone ist, bleibt unklar.

    Der Gewichtsverlust kommt wohl eher vom Kaloriendefizit. Da die zweite Gruppe und die Kontrollgruppe jedoch genauso wenig Kalorien zu sich genommen haben, bedeutet das, dass die stärkeren Effekte in der Zitronengruppe nicht nur auf das Defizit zurückzuführen sein können – möglicherweise spielen laut den Forschenenden Zitronen-Polyphenole, die als sekundäre Pflanzenstoffe in den Zitronen stecken, oder andere bioaktive Substanzen eine Rolle.

    Studie: Mäuse nahmen weniger an Gewicht zu 

    Eine japanische Studie aus dem Jahr 2008 untersucht, welchen Einfluss Zitronen auf das Körpergewicht von Mäusen haben. Dafür erhielten zwei Mäusegruppen eine fettreiche Diät. Eine davon bekam zusätzlich 0,5 Prozent Zitronen-Polyphenole ins Essen gemischt.

    Es zeigte sich, dass die Mäusegruppe, die Zitronen-Polyphenole im Essen hatten, weniger an Körpergewicht zunahm als die Vergleichsgruppe. Und das, obwohl beide die gleiche Kalorienmenge erhielten. Auch der viszerale Fettanteil war in der Zitronen-Gruppe signifikant niedriger, zudem war die Insulinsensitivität höher, was das Diabetesrisiko senkt. 

    Das deutet laut den Forscherinnen und Forschern darauf hin, dass die Polyphenolen möglicherweise eine präventive Wirkung gegen Fettleibigkeit und Insulinresistenz haben. Sie betonen jedoch, dass weitere Untersuchungen notwendig sind, um die Mechanismen genau zu verstehen und die Übertragbarkeit auf den Menschen zu bestätigen. 

    Bedeutet: Die beiden Studien weisen auf positive Effekte von Zitronenwasser hin. Es braucht jedoch noch mehr Forschung zu dem Thema. 

    Ein Glas (Zitronen-)Wasser kann den Appetit zügeln 

    Klar ist: Ein Glas (Zitronen-)Wasser kann helfen, den Appetit zu zügeln. Denn das Wasser füllt den Magen. Was zur Folge hat, dass man weniger Hunger verspürt. Dafür braucht es aber streng genommen kein Zitronenwasser, ein einfaches Glas Wasser hat laut Riedl den gleichen Effekt. 

    Riedl wünscht sich eine Doppelblindstudie zu der Thematik. Für den Ernährungswissenschaftler ist es durchaus plausibel, dass das Zitronenwasser bei der Gewichtsabnahme helfen kann, jedoch nur begrenzt: "Ich kann mir vorstellen, dass grüner Tee einen ähnlichen Effekt hat."

    Übrigens: Zitronenwasser wird auch nachgesagt, bei der Gewichtsreduktion zu helfen, weil es Vitamin C enthält. Das ist an vielen Stoffwechselprozessen beteiligt. Allerdings gibt es, wie oben erläutert, einige Lebensmittel, die deutlich mehr Vitamin C enthalten. 

    Wo Zitronenwasser sogar schaden kann 

    Während das Vitamin C in der Zitrone gut für die Zähne ist, schädigt die Zitronensäure dem Zahnschmelz. Deshalb sollte man den Mund nach dem Zitronenwasser mit klarem Wasser ausspülen. Auch sollte man nicht direkt danach die Zähne putzen.

    Das Trinken mit dem Strohhalm, was für manche vielleicht eine plausible Lösung für das Problem erscheint, verschlimmert die Lage nur noch: "Mit einem Strohhalm ist die Flüssigkeit länger im Mund, was zu noch mehr Schäden führt", meint Riedl. Am besten sei es eigentlich, das Zitronenwasser so schnell wie möglich zu schlucken "wie einen Shot".

    Auch der Mythos, dass Zitronenwasser die Zähne natürlich weiß macht, stimmt nicht ganz. Zwar werden die Zähne kurzfristig heller, weil der empfindliche Zahnschmelz abgetragen wird. Das mache den Zahn danach aber umso anfälliger für Verfärbungen, etwa durch Kaffee und Rotwein. Auch das unter dem Zahnschmelz liegende Dentin, das gelblich schimmert, wird so sichtbarer. "Daraus folgt, dass die Zähne sogar gelb werden, es ist also das Gegenteil von Bleaching", erklärt Riedl. 

    Auch Menschen, die einen empfindlichen Magen haben oder zu Sodbrennen neigen, sollten vorsichtig sein: Zitrone wirkt im Magen sauer, deshalb kann das Trinken von Zitronenwasser eine Belastung sein. Nimmt der Körper zu viel Vitamin C zu sich, können laut DGE vorübergehend Magen-Darm-Beschwerden wie etwa Durchfall auftreten. Das passiert aber eher bei der Zufuhr von 3 bis 4 Gramm Vitamin C, nicht durch ein Glas Zitronenwasser. 

    Fazit: "Kann man machen, muss man aber nicht" 

    Ja, Zitronenwasser enthält Vitamin C, was wiederum das Immunsystem unterstützt und es gibt Hinweise darauf, dass Zitronenwasser beim Abnehmen helfen kann. Allerdings gibt es Lebensmittel, die deutlich mehr Vitamin C enthalten, etwa Brokkoli, Paprika und Hagebutten. Und: Ein Glas Wasser kann den Magen vor dem Essen etwas füllen – auch ohne den Zusatz von Zitronensaft. 

    Wenn Sie regelmäßig Zitronenwasser trinken, sollten Sie außerdem nicht außer Acht lassen, dass dieses dem Zahnschmelz massiv schadet

    Riedls Fazit lautet: "Zitronenwasser kann man machen, muss man aber nicht."

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