207 Umweltschützer sind 2017 weltweit getötet worden - fast vier pro Woche. Zu diesem Ergebnis kommt die britischen Menschenrechtsorganisation Global Witness (GW) in ihrem aktuellen Jahresbericht. 2017 sei damit das tödlichste Jahr seit Beginn der Dokumentation durch GW. Zu Beginn vor 15 Jahren seien vor allem Umweltschützer im Dunstkreis von Rohstoffminen in Entwicklungs- und Schwellenländern Ziel von Gewalt und Tötungen gewesen. Inzwischen träfen Repressalien, psychische und physische Gewalt überwiegend Aktivisten rund um den Agrarsektor im globalen Süden.
Global Witness: höchste Mordrate an Umweltschützern in Brasilien und auf den Philippinen
Allein 57 Aktivisten sind in Brasilien getötet worden; mehr als jemals zuvor binnen eines Jahres in einem einzigen Land. 48 Tötungsdelikte dokumentierte die NGO auf den Philippinen. "So viele gab es noch nie in einem einzigen asiatischen Land." 60 Prozent der Tötungsdelikte insgesamt entfielen auf Lateinamerika. Ein Viertel der Anschläge seien direkt oder indirekt von regulären Truppen - also Armee, Polizei oder ähnlichen offiziellen Sicherheitskräften - verübt worden. Auch das ist ein trauriger Höchststand.
Global Witness: Paramilitärs töteten kolumbianischen Umweltschützer mit 14 Schüssen
GW listet zahlreiche getötete indigene und kommunale Führer sowie Umweltaktivisten auf, die versucht hatten, ihre Dörfer und Gemeinschaften etwa vor Bergbau, industrieller Landwirtschaft oder ähnlichem Landraub zu bewahren. Beispielhaft nennt sie den Kolumbianer Hernán Bedoya, auf den 14 Schüsse von Paramilitärs abgefeuert worden seien. Er starb bei dem Versuch, in seiner Heimat eine Palmöl- und Bananenplantage zu verhindern. Acht Dorfbewohner seien auf den Philippinen getötet worden, weil sie sich gegen eine Kaffeeplantage auf ihrem Land aufgelehnt hatten. Global Witness zufolge soll eine Militäreinheit für dieses Massaker verantwortlich sein.
Getötete Umweltaktivisten: Dunkelziffer laut Global Witness deutlich höher
Die Datenlage insgesamt sei dürftig, trotz zahlreicher Helfer und Informanten weltweit, schreibt GW weiter. Daher geht die Nichtregierungsorganisation davon aus, dass die Dunkelziffer weit höher liegt als die weltweit bestätigten 207 Tötungen. Außerdem sei Mord nur die "ungeheuerlichste Form der angewandten Praktiken, um Umweltaktivisten zum Schweigen zu bringen". Niedrigschwelliger seien Todesdrohungen, Haft, Einschüchterung, Cyber-Angriffe, sexuelle Gewalt und juristische Klagen.
Global Witness: Landraub für Plantagen für Palmöl und Kaffee nimmt zu
"Brutale Angriffe auf diejenigen, die ihr Land vor zerstörerischer Landwirtschaft - etwa Landraub für Palmöl, das in Alltagsdingen wie Seife verwendet wird, und Kaffee - nehmen stark zu", schreibt Global Witness. Regierungen und Wirtschaft sollten Maßnahmen ergreifen, um die Angriffe zu beenden und Verteidiger zu unterstützen.
Industrie, Regierungen und Behörden oft in Gewalt gegen Umweltschützer verwickelt
In vielen Fällen seien die lokalen Behörden, oft sogar die Regierungen eines Landes in Gewalt gegen Umweltschützer verwickelt. Auch ganze Industriezweige mischten aktiv mit. "Aktivisten werden ermordet, während Regierungen und Wirtschaft den schnellen Profit über den Schutz menschlichen Lebens stellen", sagt Ben Leather von Global Witness. Auf der anderen Seite gebe es Regierungen, die zeigten, dass sie ihre Macht auch zum Schutz der lokalen, oft indigenen Bevölkerung einsetzen könne. "Vor allem können sie verhindern, dass Bedrohungen überhaupt entstehen, indem sie lokalen Gemeinschaften zuhören, ihre Rechte respektieren und sicherstellen, dass Geschäfte verantwortungsvoll durchgeführt werden."
Respekt und Aufmerksamkeit für Umweltaktivisten gefordert
Global Witness appelliert an Menschen vor allem in Industrieländern, die Arbeit der Umweltschützer in Entwicklungs- und Schwellenländern zu unterstützen, sei es durch Aufmerksamkeit, Spenden oder bewusste Kaufentscheidungen. "Denn deren Arbeit unter Einsatz ihres Lebens schützt einige der weltweit wichtigsten und artenreichsten Lebensräume. Das ist globaler Klimaschutz."
ÖKO-TEST prüft bei Waren Einhaltung sozialer und ökologischer Standards
Schon seit einigen Jahren hinterfragt ÖKO-TEST bei Waren, deren Rohstoffe aus Entwicklungs- und Schwellenländern stammen, das soziale und ökologische Engagement der Unternehmen, die so genannte Corporate Social Responsibility. So werten wir ab, wenn Hersteller und Anbieter nicht bestätigen können, dass ihr verwendetes Palmöl von Plantagen stammen, die hohe ökologische und soziale Standards erfüllen. Nur wenn die Transportkette und die Zertifikate lückenlos dokumentiert sind, kann es für diese Produkte ein "sehr gut" geben.
https://www.globalwitness.org/en/campaigns/environmental-activists/at-what-cost/