Zigarettenkippen sorgen für mehr giftige Blaualgen in Gewässern

Autor: Michelle Sensel | Kategorie: Freizeit und Technik | 20.11.2024

Zigarettenkippen können das Wachstum von Blaualgen begünstigen.
Foto: Jacky Lawrence/Shutterstock

Achtlos weggeworfene Zigarettenkippen haben noch stärkere Auswirkungen auf die Umwelt als bisher angenommen: Sie können dazu beitragen, dass sich giftige Blaualgen besser in Gewässern vermehren – und das kann Probleme in Badeseen und der Trinkwasserversorgung verursachen. Das geht aus einer Untersuchung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) hervor. 

Schon lange ist bekannt, dass Nikotin und andere Inhaltsstoffe von weggeworfenen Zigarettenkippen Wasserlebewesen wie Fische, Krebse und Phytoplankton schädigen können.

Dr. Erika Martinez-Ruiz, Forscherin des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), hat jetzt in einer Laborstudie eine überraschende Entdeckung gemacht: Stoffe in den Zigaretten können auch dafür sorgen, dass Cyanobakterien, auch als Blaualgen bekannt, besser in Gewässern wachsen können.

Chemikalien schädigen "positive Parasiten"

Denn: Chemikalien wie Metalle und Nikotin aus Zigarettenkippen, die in Gewässern ausgewaschen werden, können die natürliche Infektion der Bakterien mit ihrem parasitären Pilz, dem Chytridpilz, hemmen. "Diese Hemmung wiederum fördert indirekt das Wachstum der Cyanobakterien und zeigt damit bisher unbekannte ökologische Auswirkungen von Zigarettenabfällen auf die aquatische Umwelt", erklärt Martinez-Ruiz.

Zwar hätten auch Temperatur und Nährstoffverfügbarkeit einen Einfluss auf die Ausbreitung der Bakterien. Chytridpilze spielten als Parasiten aber eine entscheidende Rolle bei der Regulierung von Cyanobakterien, weil sie die von ihnen infizierten Bakterienzellen eigentlich abtöten.

Warum sind Blaualgen gefährlich?

Laut dem Umweltbundesamt (UBA) enthalten Cyanobakterien eine große Bandbreite verschiedener Wirkstoffe – und einige davon sind sehr giftig. Darunter befinden sich Hepatotoxine (Lebergifte), Zytotoxine (Zellgifte), Neurotoxine (Nervengifte), sowie entzündlich wirkende und hautreizende Substanzen. Zudem gibt es laut UBA für einige Stoffe aus Cyanobakterien Hinweise auf Gentoxizität und dafür, dass sie Tumorwachstum auslösen oder fördern.

Darüber hinaus hätten Menschen, die mit Cyanobakterien in Kontakt kommen, oft unspezifische Symptome wie Reizungen oder allergische Reaktionen von Haut, Verdauungstrakt, Atemwegen, Augen und Ohren. Diese Symptome könnten allerdings selten einzelnen Substanzen oder Toxinen zugeordnet werden.

Wie kommen Menschen mit Blaualgen in Kontakt?

"Toxische Cyanobakterien können ein Problem für die Herstellung von Trinkwasser oder für die Nutzung von Freizeitgewässern darstellen", erklärt IGB-Professorin Justyna Wolinska. Genau da kommen Menschen auch mit ihnen in Kontakt.

"Menschen können Cyanobakterien und/oder ihren Cyanotoxinen durch die Nutzung von Gewässern mit hohen Mengen Cyanobakterien ausgesetzt sein – insbesondere bei Freizeitaktivitäten mit intensivem Wasserkontakt", heißt es dazu vom UBA. Deshalb wird im Sommer häufig vor Blaualgen in Badeseen gewarnt oder die Seen sogar kurzfristig geschlossen.

Auch im Trinkwasser können die Bakterien vorkommen – wenn die Trinkwasserversorgung aus mit Cyanotoxinen belasteten Gewässern erfolgt und die Trinkwasseraufbereitung nicht ausreicht, um sie zu entfernen. Auch wenn man beispielsweise Fisch aus stark belasteten Gewässern isst oder Nahrungsergänzungsmittel aus Cyanobakterien zu sich nimmt, könne man damit in Kontakt kommen.

Weitere Auswirkungen sollten erforscht werden 

Die Ergebnisse der IGB-Untersuchung könnten Anlass geben, weitere Auswirkungen von Zigarettenkippen auf Ökosysteme zu erforschen. "Herkömmliche Ökotoxizitätstests konzentrieren sich in der Regel auf die Auswirkungen einzelner Schadstoffe auf einzelne Arten", heißt es vom Forschungsteam.

Die aktuelle Studie zeige, dass das zu kurz greife. "Schadstoffe kommen in der Umwelt meist in Gemischen vor und wirken auf Systeme mit mehreren Arten. Dies zu berücksichtigen, würde die realen Bedingungen besser widerspiegeln und ein tieferes Verständnis der Auswirkungen von Schadstoffen auf aquatische Ökosysteme ermöglichen."

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