133 Ratenzahlungszuschläge bei Versicherungen im Test

Milliarden-Zuschlag, Milliarden-Streit

Ratgeber Rente, Geld, Versicherungen 8:2010 | | Kategorie: Geld und Recht | 01.10.2010

133 Ratenzahlungszuschläge bei Versicherungen im Test

Wer abstottert, zahlt mehr. Das gilt auch bei Versicherungen. Doch nach Meinung von Verbraucherschützern und Juristen können Kunden Ratenzahlungszuschläge teilweise zurückfordern, weil die Verträge nicht klar formuliert waren. ÖKO-TEST hat überprüft, wer Raten erhebt und was sie wirklich kosten.

Frei von Fehl und Tadel fühlt sich die Debeka Versicherung aus Koblenz. Beim Streit um die Transparenz von Ratenzuschlägen hat das Unternehmen die Nase vorne. "Außer in der Kfz-Versicherung erheben wir keine Ratenzuschläge", sagt Pressesprecher Christian Arns. Mit Ausnahme der Autoversicherung seien alle Beiträge als echte Monatsbeiträge kalkuliert. Im Bereich der Lebens- und Rentenversicherung gebe es für Jahreszahler sogar einen Rabatt von bis zu vier Prozent. An dieser Art der Preisgestaltung arbeiten derzeit alle in Deutschland tätigen Versicherer.

Der Ratenzuschlag ist tot, es lebe der Rabatt. "Wir sind dabei, zahlreiche Tarife umzustellen", erläutert Alois Schnitzer, Pressesprecher der HUK-Coburg. So habe man in der Autoversicherung längst einen Tarif, der einfach ausgedrückt auf Monatsbasis kalkuliert wird. "Das nimmt seit Anfang des Jahres bei allen Autoversicherern rapide zu", sagt Ivana Höltring von der Nafi-Unternehmensberatung aus Höxter. Das macht sogar Sinn. Denn Autofahrer, die ihre Prämie monatlich zahlen, verursachen mehr Unfälle als Jahreszahler. "Diese statistische Erkenntnis ist schon älter, wurde aber im Markt nicht berücksichtigt", so Schnitzer. Nun ist es eine gute Gelegenheit, Nägel mit Köpfen zu machen, denn die Branche will wegen der laufenden Rechtsstreitigkeiten weg vom Ratenzuschlag. In den Sachsparten, der Unfall-, Rechtsschutz- und Lebensversicherung könnten die Versicherer künftig Jahreszahler mit Rabatt belohnen.

Anders geht die HUK-Coburg in Haftpflicht-, Unfall-, den übrigen Sachversicherungen und beim Rechtsschutz vor. Hier gibt es keinen Ratenzuschlag mehr, wenn der Kunde per Lastschriftverfahren seine unterjährigen Prämien zahlt. Wer hingegen auf einer Zahlung per Rechnung beharrt, kann nur noch jährlich zahlen.

Die Versicherungen spielen auf Zeit

Grund für die Hektik der Assekuranzen: Die HUK-Coburg hat kurz vor einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs das Urteil der Vorinstanz anerkannt. Sie gibt nun für Kunden, die eine Riester-Rentenversicherung abgeschlossen haben und ihre Prämien in Raten zahlen, die deshalb erhobenen Zuschläge als effektiven Jahreszins an. Diese Information erhielten auch alle Kunden, die bereits einen Riester-Vertrag bei der HUK-Coburg haben. Damit hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) immerhin für eine Versicherung in einer Sparte erreicht, dass die Preiszuschläge für den Verbraucher besser verständlich sind. Bisher wurden die Zuschläge immer als Prozentwert von der Prämie dargestellt.

Das ließ sie geringer erscheinen. So ergibt ein Zuschlag von beispielsweise drei Prozent bei halbjährlicher Zahlungsweise einen effektiven Jahreszins von 12,75 Prozent. Der Grund ist einfach: Der Versicherer gewährt den Zahlungsaufschub nur für die Hälfte der Summe, und das auch nur für ein halbes Jahr. Denn der Kunde zahlt 515 Euro ja am 1. Januar und weitere 515 Euro sechs Monate später.

Die Versicherer wehren sich nun mit Händen und Füßen gegen die Ausweisung des Effektivzinses und vor allem gegen die Aussage, bei Ratenzahlung handele es sich um einen Kredit. Denn dann hätten sie gegen die vorgeschriebene Preisdarstellung verstoßen. Sie hätten auch über ein Widerspruchsrecht aufklären müssen, wie es bei Kreditgeschäften Vorschrift ist. Zumindest, so Verbraucherschützer, müssten die Kunden einen Teil des Ratenzuschlages zurückbekommen, weil sie bisher den Preis der Ratenzahlung nicht richtig einschätzen konnten. Zulässig sei nur ein effektiver Zins von vier Prozent. Insgesamt geht es um eine Menge Geld. "Rein rechnerisch", sagt Edda Castelló von der Hamburger Verbraucherzentrale, "hätten die Verbraucher Anrecht auf eine Gesamterstattung von 15 Milliarden Euro".

Mit Musterbriefen versucht die Verbraucherzentrale derzeit den Versicherten zu ihrem Recht zu verhelfen. Doch das bringt nicht viel, wie ÖKO-TEST-Leserin Ursula J. aus Glauchau erfahren musste. Sie hatte von der Cosmos eine Neuberechnung und Erstattung des Zuschlages verlangt. Doch der Versicherer aus Saarbrücken wimmelte die Kundin ab. Das Anerkenntnisurteil des BGH betreffe andere Versicherer nicht, da der BGH gar nicht entschieden, sondern der Versicherer sich vorab unterworfen habe. Somit gebe es auch keine höchstrichterliche Entscheidung.

Verbraucher werden abgewimmelt

Die dürfte noch Jahre dauern. Tatsächlich ist bisher nur die HUK-Coburg für Riester-Renten vor Gericht unterlegen. Weitere rund 30 Abmahnungen der Verbraucherzentrale Hamburg waren Mitte Juli 2010 noch nicht entschieden. Systematisch verweigern die Gerichte, einstweilige Verfügungen zu erlassen. "Die Richter sind der Meinung, es gebe keine Eilbedürftigkeit in den Verfahren", so Conrad Müller-Horn, Pressesprecher des Landgerichts Hamburg zu einem Unterlassungsverfahren gegen die Iduna Lebensversicherung (Az. 312 O 89/10). Faktisch könnten Unterlassungsurteile in der Zukunft ständig ins Leere laufen, wenn der Versicherer seine Verträge bereits umgestellt hat.

Den Kunden bleibt nur die individuelle Klage. Zu diesem Schluss ist auch ÖKO-TEST-Leserin Ursula J. gekommen. Da ist es gut zu wissen, dass rechtsschutzversicherte Kunden alle Anwalts- und Gerichtskosten ersetzt bekommen. Der Ratenstreit gegen den Versicherer ist abgedeckt, heißt es unabhängig voneinander bei den Rechtsschutzversicherern Roland und ARAG. "Allein gegen die eigene Rechtsschutzversicherung kann man nicht klagen", so ARAG-Sprecher Klaus Heiermann.

Eine Orientierung über die Höhe der Ratenzuschläge gibt die Untersuchung von ÖKO-TEST. Immerhin geben viele Versicherer nicht einmal auf Nachfrage die Höhe der Ratenzuschläge an. Betroffen sind übrigens immens viele Verbraucher, denn die meisten Kunden zahlen ihre Versicherungen in Raten, weil sie sich so besser aus dem laufenden Einkommen finanzieren lassen. Bei der Lebensversicherung schwankt der Anteil der Teilzahler je nach Anbieter zwischen 80 und 94 Prozent, in der Sach- und Haftpflichtversicherung zwischen 15 und 76 Prozent, in der Autoversicherung zwischen 44 und 50 Prozent.

Das Testergebnis

Das Testergebnis zeigt den Stand Anfang 2010. In vielen Fällen ist es für neue Verträge nicht mehr aktuell, weil fast alle Versicherer ihre Bedingungen mittlerweile umgestellt haben. Basis des Preises ist jetzt meist die Monatsprämie. Wer in längeren Intervallen zahlt, bekommt einen Rabatt. Doch Ziel des Tests war es nicht, die aktuelle, sondern die Situation bis Anfang 2010 darzustellen, aus der sich möglicherweise ein Rückzahlungsanspruch für die Kunden ergibt.

Insgesamt haben wir für 26 Assekuranzen ermittelt, ob Zuschläge erhoben werden, wenn Kunden ihre Prämie unterjährig in Raten zahlen. Die untersuchten Versicherer mit Marktführer Allianz und den Konzernen Ergo, HDI-Gerling, Zurich und HUK-Coburg repräsentieren über 60 Prozent des Marktes in der Lebens- und über 70 Prozent in der Schadenversicherung. Dass das Thema für die Versicherer höchst unangenehm ist, zeigt die hohe Verweigerungsquote. 15 Versicherer, also mehr als die Hälfte, wollen nicht an der Untersuchung teilnehmen oder blieben jede Antwort schuldig (siehe "Die Verweigerer"). Daher muss man die Versicherer belobigen, die trotz des heiklen Themas ihre Ratenzuschläge aufdecken. Demgegenüber teilt Marktführer Allianz lediglich mit, dass für Lebensversicherungen keine Ratenzuschläge verlangt werden. Anders als üblich verweigert sich auch die R+V. "Für andere Versicherer ergeben sich aus dem Anerkenntnisurteil keine rechtlichen Konsequenzen. Es gibt also keine grundsätzliche Entscheidung des Bundesgerichtshofs", wirbt die R + V um Verständnis für die Nichtteilnahme. Wenn niemand betroffen ist, ist es noch verwunderlicher, warum der Wiesbadener Versicherer zu seinen Ratenzuschlägen eisern schweigt. Der wahre Grund könnte sein, dass die R+V viel zu verlieren hat. Sie verlangt zwar nicht die höchsten, aber durchschnittlich recht hohe Zuschläge.

Trotz dieser Verweigerungshaltung kann ÖKO-TEST die Ratenzuschläge fast aller Verweigerer beziffern. Ermittelt wurden sie über eine Musterrechnung mit Originaldaten der Anbieter. Erstellt hat die Berechnungen der unabhängige Berater Georg Pitzl von der RiVer Vorsorge- und Versicherungsberatung GmbH aus Mering bei Augsburg. Berechnet wurden Auto-, Sach-, Haftpflicht-, Unfall- und Rechtsschutzpolicen. Dabei wurde mit unterschiedlichen Zahlweisen gerechnet. So konnten Versicherer enttarnt werden, die eine Teilnahme an der Untersuchung verweigern: Sind die unterjährigen Zahlungen hochgerechnet im Vergleich zur Jahresprämie höher, dann steckt in ihnen ein Ratenzuschlag.

Bei Lebensversicherungen und Riester-Policen wurde per Musterrechnung festgestellt, was ein Kunde zahlen muss, um eine bestimmte Versicherungssumme anzusparen. Doch hier kann der von uns gemessene Mehraufwand durch Teilzahlung mehrere Gründe haben. Er kann durch einen Ratenzuschlag entstehen oder aufgrund eines Zinseffektes. So stellen beispielsweise Allianz oder Provinzial Rheinland ausdrücklich gegenüber ÖKO-TEST fest, dass sie für kapitalbildende Policen keinen Ratenzuschlag erheben und in der Vergangenheit erhoben haben. Trotzdem wirkt sich auch bei den Produkten dieser Unternehmen aus, dass Teilzahlungen oft nur zeitanteilig verzinst werden. Wer seine Vorsorge mit kleinen Beträgen aufstockt, erhält weniger Zinsen gutgeschrieben als jemand, der auf einen Schlag alles zahlt. Das hat einen negativen Einfluss auf die Auszahlung am Ende des Vertrages. Möglich ist auch, dass Ratenzuschlag und schlechtere Verzinsung gemeinsam Grund für den Mehraufwand bei Teilzahlungen sind. Um die Daten mit allen anderen Versicherungssparten zu vergleichen, haben wir den Mehraufwand aber auch bei kapitalbildenden Policen in einen effektiven Jahreszins umgerechnet. Wer für sich persönlich Klarheit haben will, sollte im Vertrag nachsehen oder seinen Versicherer anschreiben und nachfragen, ob ein Ratenzuschlag erhoben wird und in welcher Höhe. Gibt es keine Antwort, kann diese Frage kostenlos der Versicherungsombudsmann in Berlin klären.

Den höchsten Ratenzuschlag überhaupt nimmt der Volkswohlbund in der Kfz-Versicherung. Wer dort seine Prämie in monatlichen Raten leistet, muss einen Effektivzins von über 21 Prozent bezahlen. Auf den nächsten Rängen folgen Deutscher Ring, Kravag, R+V, VHV und nochmals der Volkswohlbund. Monatszahler müssen hier für einige Versicherungen einen Effektivzins von rund 18,6 Prozent mehr zahlen. Vierteljährliche Zahler werden mit bis zu 17 Prozent zur Kasse gebeten, gut 14 Prozent sind der Normalfall. Wer in zwei Raten zahlt, muss in der Mehrzahl der Fälle mit fast 13 Prozent Mehrbelastung rechnen.

Für viele Kunden könnte es einen Großteil der Zuschläge zurückgeben. Beispiel: Hat ein Kunde 1.200 Euro gezahlt und lag der Effektivzins bei rund 14 Prozent, könnte er - falls die Gerichte bei ihrer derzeitigen Meinung bleiben - alles über dem gesetzlichen Zins von vier Prozent zurückerhalten, hier also pro Vertragsjahr 43 Euro. Bei einer Laufzeit des Vertrages von drei Jahren wären das knapp 130 Euro und bei zehn Jahren sogar über 400 Euro.

Beachten müssen die Kunden aber, dass eine Rückzahlung von Ratenzuschlägen überhaupt nur dann möglich ist, wenn der Jahresbeitrag nicht unter die Bagatellgrenze von 200 Euro fällt. Er muss also höher liegen. Das dürfte auf die private Haftpflicht wohl nie, auf die Hausrat- und die Unfallversicherung höchstens in jedem zweiten Fall zutreffen. Demgegenüber dürften Lebensversicherte, Auto- und Hausbesitzer fast immer einen Anspruch haben - falls die Gerichte die alte Praxis endgültig als rechtswidrig ansehen.

Die Verweigerer

Eine Mitarbeit verweigerten die Allianz, die Continentale, die Basler, die Versicherungskammer Bayern, die Concordia, der Deutsche Ring, die Generali, die Gothaer, die Kravag, die LVM, die R+V und SV Sparkassenversicherung. Die Allianz teilte immerhin mit, dass sie bei Lebensversicherungen keine Ratenzuschläge erhebt. Andere verwiesen darauf, dass die mitgeteilten Daten nicht mehr aktuell sind. Eine kluge Ausrede, denn mittlerweile haben die meisten Versicherer ihre Teilzahlungssysteme umgestellt. Doch Millionen von bestehenden Verträgen haben einen Ratenzuschlag. Die Versicherungskammer Bayern (VKB) begründete ihre Verweigerung so: "Die rechtliche Einordnung von Teilzahlungsregelungen und den dazu vereinbarten Beiträgen ist derzeit als streitiges Thema Gegenstand rechtshängiger Gerichtsverfahren gegen Unternehmen der deutschen Versicherungswirtschaft. Bis zur endgültigen Klärung dieser Rechtsfrage möchten wir uns nicht an Anfragen zu dieser Thematik beteiligen." Damit dürfte eine Beteiligung der VKB noch lange Zeit unmöglich sein, denn das juristische Tauziehen ist noch lange nicht zu Ende - weil die Versicherer wegen der möglichen Verjährung auf Zeit spielen. Ohne jede Reaktion auf unsere Anfrage und Mahnungen bleiben die Zurich, die DA direkt und die Helvetia.

Der Ombudsmann

Versicherungsombudsmann e.V., Postfach 080632, 10006 Berlin, Tel.: 0800/3696000, Fax: 0800/3699000, E-Mail: [email protected]

Musterbrief

So finden Sie einen Musterbrief der VZ Hamburg zur Rückforderung an die Versicherer: www.vzhh.de -> Versicherungen -> Teilzahlungszuschlag ohne Effektivzinsangabe -> Musterbrief.

Eine Kopie des Schreibens an den Versicherer bittet die Verbraucherzentrale an [email protected] zu schicken.