Deutschland wird dem geplanten EU-Lieferkettengesetz nicht zustimmen. Das kündigte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Dienstag in Berlin an und machte die FDP dafür verantwortlich. Er habe bis zum Schluss Kompromiss- und Lösungsvorschläge gemacht, aber die Freidemokraten seien nicht bereit gewesen, diesen Lösungsweg mitzugehen, kritisierte Heil und warf dem Koalitionspartner eine "ideologisch motivierte Blockade" vor.
Durch das geplante neue EU-Lieferkettengesetz sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren. Größere Unternehmen müssten zudem einen Plan erstellen, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell mit der Einhaltung der Pariser Klimaziele zur Begrenzung der Erderwärmung vereinbar sind.
Auf EU-Ebene stehen noch Abstimmungen zu dem geplanten Gesetz an: Am Freitag, den 9. Februar, findet die finale Abstimmung über das EU-Lieferkettengesetz im EU-Rat statt. Eine deutsche Enthaltung kann das gesamte Regelwerk scheitern lassen, weil in Brüssel die dafür notwendige Mehrheit auf der Kippe steht.
EU-Lieferkettengesetz: FDP will deutsche Enthaltung
Im Gegensatz zu SPD und Grünen hatten Finanzminister Christian Linder und Justizminister Marco Buschmann (beide FDP) schon länger Widerstand signalisiert, weil sie Nachteile für die deutsche Wirtschaft befürchten.
Wegen dieser Haltung standen die Freidemokraten innerhalb der Ampel-Koalition in der Kritik – trotzdem wird sich die Bundesregierung nun enthalten müssen. "Ich halte das für falsch", betonte Arbeitsminister Heil (SPD) gestern. Eine deutsche Enthaltung werde bei den europäischen Partnern auf Unverständnis stoßen.
Am heutigen Mittwoch verteidigte Buschmann erneut seinen Widerstand gegen das geplante Gesetz. "Hohe Standards bei Lieferketten sind ein gutes und berechtigtes Ziel, das ich teile", sagte der FDP-Politiker. "Das gute Ziel darf aber nicht zu einer Selbststrangulierung unseres Wirtschaftsstandorts führen." Eine Regulierung von Lieferketten müsse die menschenrechtliche Situation in den Produktionsländern, aber auch die wirtschaftliche Lage in Deutschland verbessern.
Deutschland habe aktiv bis zum Schluss mitverhandelt, um dem näherzukommen. Aber: "Das vorliegende Ergebnis wird unseren Zielen nicht gerecht", so Buschmann. Die Risiken für Deutschland und seine mittelständisch geprägte Wirtschaft hätten am Ende überwogen. Das Gesetz gehe in die falsche Richtung, so Buschmann: "Wir müssen Bürokratie abbauen, statt neue bürokratische Fesseln anzulegen." In diesem Punkt hoffe er auf gute Zusammenarbeit mit Heil.
Verbände kritisieren Enthaltung
Sozial- und Umweltverbände übten Kritik an einer deutschen Enthaltung:
- Armin Paasch von der Hilfsorganisation Misereor sagte: "Die deutsche Enthaltung ist ein fatales Signal an alle Menschen, die weltweit von Ausbeutung, moderner Sklaverei, Vertreibung und Urwaldzerstörung betroffen sind."
- Die Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz, Michelle Trimborn, kommentierte: "Deutschland diskreditiert sich als politischer Partner in der EU, indem es in letzter Minute ein jahrelang verhandeltes Projekt torpediert."
- Der WWF forderte Bundeskanzler Olaf Scholz auf, von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen, um sich für das EU-Lieferkettengesetz einzusetzen, ebenso die Deutsche Umwelthilfe (DUH).
- DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner sagte: "Christian Lindner und Marco Buschmann sabotieren mit ihrer Blockade des EU-Lieferkettengesetzes eines der zentralen Vorhaben des EU Green Deal und einen Meilenstein für Menschenrechte und Umweltschutz."
EU-Gesetz ginge über deutsche Regelung hinaus
In Deutschland gilt bereits ein Lieferkettengesetz, die momentan diskutierte EU-Variante würde aber über die Vorgaben des deutschen Gesetzes hinausgehen.
Das deutsche Gesetz gilt für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Diese Grenze dürfte durch die EU-Version herabgesetzt werden. Außerdem ist vorgesehen, dass Unternehmen zivilrechtlich zur Verantwortung gezogen und beispielsweise Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden können. Das ist im deutschen Lieferkettengesetz bislang ausgeschlossen.
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Mit Material der dpa.