Wer in den nächsten Wochen zu einem vertrauten Produkt greift, sollte genauer hingucken als sonst. Denn: Es ist gut möglich, dass die bekannte Packung (oder auch nur deren Inhalt) in den letzten Wochen geschrumpft ist, obwohl der Preis der alte geblieben ist. Haribos "Goldbären" beispielsweise haben gerade erst 25 Gramm abgenommen – die Preisempfehlung liegt nach wie vor bei 0,99 Euro.
Laut der Verbraucherzentrale Hamburg beileibe kein Einzelfall: Entsprechende Preiserhöhungen durch die Hintertür sind in den letzten Wochen auch bei Marmelade, Chips, Erdnüssen oder Tiefkühlpizza aufgefallen. Besonders toll trieb es das Streichfett Rama, das vor Kurzem mit 25 Prozent weniger Inhalt in die Regale kam. Muss erwähnt werden, dass Bechergröße und Preis gleichgeblieben sind?
Welle von Preiserhöhungen erwartet
Die Verbraucherzentrale Hamburg warnt bereits vor einer Welle solcher mal mehr, mal weniger versteckter Preiserhöhungen und teilte mit, zurzeit gingen besonders viele entsprechende Beschwerden bei den Verbraucherschützern ein.
Das Prinzip hinter derlei Mogelpackungen ist natürlich nicht neu: Hersteller variieren regelmäßig ihre Packungsgrößen, -inhalte oder -designs – und nutzen das gerne für eine Preiserhöhung. Die lässt sich nämlich hervorragend verschleiern, wenn der Kunde mangels Vergleichsmöglichkeiten nicht mitbekommt, dass der Preis zwar gleichgeblieben, die Füllmenge aber abgenommen hat.
Wenn alles teurer wird, werden die Produkte kleiner
Auch die Hintergründe der von der Verbraucherzentrale festgestellten "Mogelwelle" verwundern kaum: Die Lebensmittelpreise sind in vielen Bereichen stark gestiegen, weil Rohstoffe, Energie und Logistik in Folge der Corona-Pandemie und des Ukrainekriegs teurer geworden sind. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kosteten Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke im Juli rund 14 Prozent mehr als 12 Monate zuvor. Einiges der Mehrkosten geht auf offene, anderes auf verdeckte Preiserhöhungen zurück.
Doch warum betreiben Hersteller und Händler derlei Versteckspiele überhaupt? Weil sie sich scheuen, eingeübten Preisschwellen – wie beispielsweise die 0,99 Euro – zu überschreiten. Will man trotzdem kassieren, muss man kaschieren: Wenn die Packung oder der Inhalt schrumpft, fällt das weniger auf als ein höherer Preis, so der Gedanke. Es gibt sogar schon einen eigenen Begriff für das Phänomen: "Shrinkflation", ein Kofferwort aus dem englischen "shrink" (schrumpfen) und "Inflation".
Shrinkflation: gegen die Inflation anschrumpfen
In den USA, wo das Phänomen ebenfalls seit einigen Wochen angekommen ist, ist auch von der verwandten "Skimpflation" die Rede. Der Begriff wird verwendet, wenn Hersteller als Reaktion auf steigende Preise beginnen, mit dem Service oder der Qualität ihrer Produkte zu knausern ("to skimp"), also beispielsweise günstigere Rohstoffe zu verarbeiten als zuvor.
Es gibt also verschiedene Möglichkeiten, bei der Herstellung zu sparen, ohne gleich den Preis anheben zu müssen:
- Die Packung wird kleiner.
- Die Zutaten werden billiger (sodass häufig die Qualität abnimmt).
- Der Inhalt (in Gramm, Milliliter oder Stückzahl) nimmt ab, weil mehr "Luft" in die Packung kommt. Das lässt sich beispielsweise durch doppelte Böden, unsichtbare Einlagen oder geschickt platzierte Sichtfenster erreichen.
- Der Inhalt nimmt ab, weil mehr "Luft" ins Produkt kommt (geht z.B. bei Kaugummis).
- Eine neue Sorte des bekannten Produkts wird angeboten, die einen reduzierten Inhalt hat. Was Verbraucher (die an die alte Füllmenge gewohnt sind) aber gar nicht bemerken.
- Vergleichbar ist der Trick, eine "Light"-Variante einzuführen, die weniger Fett und Zucker enthält – aber auch weniger Produkt.
Die Neugestaltung zur Preiserhöhung nutzen
Wer gleich das ganze Produkt umgestaltet und anschließend mit einer "neuen, verbesserten Rezeptur" wirbt, hat gleich die volle Palette an Optionen zur Verfügung. Und kann beispielsweise zugleich billiger einkaufen und die Packung schlanker gestalten (damit der Inhaltsschwund nicht auffällt), ohne den Preis ändern zu müssen. Auch neue, größere Umverpackungen tragen dazu bei, den gleichen Inhalt vorzugaukeln wie zuvor. Besonders subtil ging ein Kaffeehersteller vor, dessen Heißgetränk man zukünftig dünner aufbrühen muss, um immer noch die gleiche Tassenanzahl zu erreichen.
Wer besonders tollkühn ist, macht gleich eine doppelte Preiserhöhung – und reduziert mit der Neugestaltung nicht nur Qualität, Packung oder Füllmenge, sondern wagt auch gleichzeitig eine direkte Preiserhöhung.
Die Schrumpfkuren und Luftnummern gehen am Supermarktregal oft unbeanstandet durch. Denn: Auch wenn Kunden häufig wissen, was eine Ware kostet, können sie den Nettoinhalt vieler Produkte normalerweise nicht benennen. Und selbst wenn Verbraucher die Füllmenge zu kennen glauben, können Hersteller das für sich nutzen: Haben Kunden erst einmal "erlernt", dass eine Tafel Schokolade immer 100 Gramm hat, fällt nicht gleich auf, dass es plötzlich nur noch 95 Gramm sind – wenn die Tafel nur so viel kostet wie zuvor.
Und solange der Hersteller keine Täuschung begeht – beispielsweise durch irreführende oder falsche Angaben – oder gegen eine Verpackungsverordnung verstößt, sind verdeckte Preiserhöhungen zwar ärgerlich, aber nicht verboten.
Auch Eigenmarken erhöhen die Preise
Laut der Verbraucherzentrale ist zurzeit besonders auffällig, dass auch Supermärkte und Discounter bei ihren Eigenmarken öfter zu versteckten Preiserhöhungen greifen. Dies sei in der Vergangenheit kaum vorgekommen.
Ein Ende der Schrumpfkur ist laut den Verbraucherschützern noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Höhepunkt könnte noch bevorstehen. Denn: Der Handel braucht ungefähr ein halbes Jahr Vorlauf, um Etiketten umzustellen und die alte Ware abzuverkaufen. Es könnte also noch einiges auf Supermarktkunden zukommen.
Tipps gegen versteckte Preiserhöhungen
Kaschierte Preiserhöhungen zu erkennen ist schwer und gelingt eigentlich nur, wenn Sie ein Produkt regelmäßig kaufen und gut kennen. Diese Tipps helfen:
- Wenn Sie ein bestimmtes Produkte häufig kaufen, merken Sie sich nicht nur den Preis, sondern auch die Mengenangaben und gegebenenfalls die Zutaten, die auf der Verpackung angegeben sind. Mit dem Smartphone lässt sich davon leicht ein Foto machen. Wenn Ihnen in Zukunft etwas verdächtig vorkommt – vergleichen Sie.
- Füllmengenveränderungen können Sie auch an einem geänderten Grundpreis (= Preis pro Kilo bzw. Liter) erkennen, der am Supermarktregal zu finden ist.
- Die Verbraucherzentrale Hamburg führt auf ihrer Website eine praktische Mogelpackungsliste, auf der Sie besonders dreiste Fälle finden.
- Preiserhöhungen kommen nicht nur, aber oft bei Markenware vor. Dabei ist ein aus der Werbung bekannter Name noch kein Garant für Qualität. Auch der Preis ist kein Indikator. Es lohnt sich deshalb, Grundpreise zu vergleichen und – gerade bei Schummelverdacht – auch mal zum No-Name-Produkt (auch: Handelsmarke, Eigenmarke, Zweitmarke) zu greifen.
- Auch Bio-Produkte sind eine Alternative zu Markenware. Bio-Lebensmittel weisen häufig weniger Rückstände von Pflanzenschutzmitteln auf und werden umweltverträglicher angebaut.
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Mit Material von dpa