Am kommenden Montag, 27. März 2023, soll der Verkehr umfassend lahmgelegt werden. Der beispiellose Warnstreik umfasst den Fern-, Regional- und S-Bahnverkehr auf der Schiene, den kommunalen Nahverkehr, viele deutsche Flughäfen, die Wasserstraßen und Häfen sowie Autobahnen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Verdi kämpfen für mehr Einkommen in unterschiedlichen Tarifrunden.
Wo am Montag gestreikt wird
Stillstand soll infolge des umfassenden Warnstreiks am Montag wohl fast überall im öffentlichen Verkehr herrschen. Die Bahn stellt den gesamten Fernverkehr ein. Auch im Regionalverkehr werde "größtenteils kein Zug fahren". "Bereits am Sonntagabend sind laut Aussagen der Gewerkschaft erste Auswirkungen durch streikende Mitarbeitende möglich", hieß es bei der DB. Der Warnstreik werde sich demnach auch am Dienstag noch auf den Bahnverkehr auswirken.
Fahrgäste, die für Montag oder Dienstag eine Bahnreise gebucht haben, könnten das Ticket noch bis einschließlich zum 4. April flexibel nutzen, kündigte die Bahn an. Sitzplatzreservierungen könnten kostenlos storniert werden.
In sieben Bundesländern soll zudem der Nahverkehr stillstehen: In Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und in weiten Teilen Bayerns fällt der Nahverkehr am Montag aus.
Vom Streik betroffen sind viele Flughäfen – auch etwa die Flughäfen Frankfurt und München. Laut Flughafenverband ADV können etwa 380 000 Geschäfts- und Privatreisende nicht abheben. Auch Schleusen auf wichtigen Wasserstraßen und etwa der Hamburger Hafen sollen bestreikt werden.
Arbeitnehmer müssen sich bei Streik um andere Verbindung kümmern
Stehen die Züge still, müssen sich die Arbeitnehmer darum kümmern, dass sie anderweitig zur Arbeit kommen. Auch wenn Bahn- und Buspersonal streiken und deshalb der öffentliche Verkehr weitgehend stillsteht, müssen Arbeitnehmer pünktlich beim Job erscheinen. "Das sogenannte Wegerisiko trägt immer der Arbeitnehmer, ob Streik oder nicht", sagte Rechtsanwältin Nathalie Oberthür der Deutschen Presse-Agentur.
Bei einem Streik handelt es sich nicht um ein unvorhergesehenes Ereignis. In der Regel wird er rechtzeitig, also etwa am Vortag oder sogar noch früher, angekündigt. Rechtlich tut es auch nichts zur Sache, ob man auf dem Land oder etwa in Büronähe in der Stadt wohnt. "Zur Not müssen Arbeitnehmer auf eigene Kosten ein Taxi nehmen, auch das ist zumutbar", sagt Oberthür.
Bei Streik einfach ins Homeoffice?
Und wie sieht es mit Homeoffice aus? Ist Homeoffice sowieso schon Praxis im Arbeitsalltag, hat der Arbeitnehmer gute Chancen, dieses auch für den Streiktag gestattet zu bekommen. Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht dürfte der Arbeitgeber in diesem Ausnahmefall verpflichtet sein, die Arbeitsleistung zu Hause zu ermöglichen. Eine Rechtsprechung hierzu gibt es allerdings bislang noch nicht. Am besten klären Sie rechtzeitig ab, ob Homeoffice am Montag möglich ist.
Arbeitgeber werfen Gewerkschaften unverhältnismäßiges Handeln
Vor dem großen Warnstreiktag im öffentlichen Verkehr in Deutschland werfen Deutschlands Arbeitgeber den Gewerkschaften überzogenes Handeln vor. "Wer so handelt, handelt unverhältnismäßig und gefährdet die Akzeptanz für das Streikrecht", sagte der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Chef Bahngewerkschaft EVG, Martin Burkert, verteidigte den gemeinsamen Warnstreik mit Verdi und betonte, mit dem Streikrecht verantwortungsvoll umzugehen: "Nein, wir übertreiben nicht", sagte Burkert am Freitag.
Die Präsidentin der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA), Karin Welge, findet den umfassenden Ausstand "nicht ok". Sie rief die Gewerkschaften zu konstruktiven Zeichen für die am Montag beginnende dritte Tarifrunde für den öffentlichen Dienst der Kommunen und des Bundes auf - neben den Tarifgesprächen bei der Bahn der entscheidende Hintergrund für die Warnstreiks. "Die Gewerkschaften sollten aufpassen, dass sie nicht überziehen", sagte Welge.
Kampeter mahnte, der Kampf um Mitglieder dürfe die Tarifautonomie in Deutschland nicht radikalisieren. "Ein Blick nach Frankreich zeigt, wohin es führt, wenn man sich auf die schiefe Ebene begibt." In Frankreich wird vergleichsweise häufig gestreikt – zuletzt besonders heftig gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron.
Der EVG-Chef sagte zum Streikrecht, "es ist ein scharfes Schwert, mit dem wir auch sehr verantwortungsvoll umgehen". In Deutschland gebe es im Vergleich zu anderen Ländern wenige Streiktage. In Frankreich gehe es um politische Streiks mit politischen Forderungen, was es in Deutschland nicht gebe, sagte der Chef der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Deutschlandfunk. Im Tarifkonflikt von EVG und Verdi gehe es um Forderungen für Bezahlung und Tarifverträge.
Mit Blick auf den gemeinsamen Warnstreik mit Verdi in den jeweiligen Tarifkonflikten nannte es Burkert "sicherlich historisch, dass wir zeitgleich das Momentum haben, dass wir in schwierigen Tarifverhandlungen stehen". Beide Gewerkschaften seien für Mobilität verantwortlich. Burkert bat die Menschen um Verständnis: "Wir wissen, dass wir sehr, sehr viele Reisende natürlich damit auch beeinträchtigen und treffen." Aber es bleibe in dem Moment keine andere Wahl. Die Gewerkschaften hofften, dass die Arbeitgeber daraus lernen und ernsthaft ein Angebot auf den Tisch legen.
Bahn-Personalvorstand Martin Seiler hatte die EVG bereits am Vortag zur unverzüglichen Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert. Auch Kampeter betonte: "Wir fordern Verdi und die EVG auf, ohne jedes Wenn und Aber an den Verhandlungstisch zurückzukehren."
Warnstreik überschneidet sich mit Tarifverhandlungen
Ungewöhnlich am geplanten Warnstreiktag ist, dass er sich mit den Verhandlungen überschneidet - nämlich der in Potsdam beginnenden dritten Runde für die 2,5 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Rechtlich ist das Vorgehen aber möglich, wie Thorsten Schulten vom Institut WSI der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Denn die Friedenspflicht endete mit dem Auslaufen des bisherigen Tarifvertrags. Auch einem großangelegten Warnstreik mitsamt Überschneidung von zwei Tarifbereichen steht nach Einschätzung von Schulten nichts im Weg. Die Arbeitgeber sehen in dem umfassenden Ausstand die rechtlichen Grenzen zumindest ausgereizt.
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