Grauer Beton, Hochhäuser, viel Verkehr und noch mehr Menschen: Wer als Kind in einer Stadt aufwächst, in der Grün Mangelware ist, kann dadurch negative Folgen für seine Gesundheit zu spüren bekommen. Die Ergebnisse einer großen Studie von dänischen Wissenschaftlern deutet darauf hin, dass das Aufwachsen in grünem Umfeld einen großen Beitrag für die Stabilität der Psyche leistet.
Die Forscher der Universität Aarhus haben ihre Ergebnisse im US-Wissenschaftsjournal "PNAS" veröffentlicht. Für ihre Untersuchung betrachteten sie Satellitenaufnahmen der Landschaft rund um die Elternhäuser von mehr als 900.000 Menschen aus den Jahren 1985 bis 2013 – und verglichen sie mit Langzeitgesundheitsdaten. Ihr Fazit lautet: Menschen, die ihre Kindheit umgeben von Wiesen, Wäldern, Parks oder Gärten verbringen, haben ein bis zu 55 Prozent geringeres Risiko, eine psychische Erkrankung zu bekommen als diejenigen, die in einem weniger grünen Umfeld groß werden.
Unsere Städte müssen grüner werden
"Mit unserem Datensatz zeigen wir, dass das Risiko der Entwicklung einer psychischen Störung schrittweise abnimmt, je länger man von der Geburt an bis zum Alter von zehn Jahren von Grünflächen umgeben ist", so die Studienleiterin Kristine Engemann laut der Deutschen Presseagentur (dpa). "Grünflächen sind in der Kindheit deshalb extrem wichtig." Die Wissenschaftler plädieren nun nicht dafür, dass jede Familie aufs Land ziehen muss. Doch sie betonen, wie wichtig es ist, dass unsere Städte – in denen immer mehr Menschen leben – grüner werden. Denn Grünflächen können auch Stadtbewohner ein Stück weit schützen.
Aber muss es ein eigener Garten sein, reicht dafür ein Baum vor dem Fenster oder sollte der Park in der Nähe aktiv genutzt werden? Wie viel Grün für das seelische Wohl tatsächlich genug ist, ist noch nicht ausreichend geklärt – für die Stadtplanung wäre das aber durchaus interessant. Einige Städte bemühen sich bereits, ihren Bewohnern so viel Natur wie möglich zu bieten. Laut dem "Green City Index" von 2018 der holländischen Agentur TravelBird ist die isländische Hauptstadt Reykjavik, die 410,84 Quadratmeter Grünflächen pro Einwohner zur Verfügung stellt, die grünste Stadt der Welt. Als einzige deutsche Stadt ist Hamburg unter den Top 10: 114,07 Quadratmeter Grünfläche pro Bewohner bescheren ihr im Ranking Platz neun.
Auch andere Faktoren könnten eine Rolle spielen
Der statistische Zusammenhang der Studie aus Dänemark – mehr Grün = höhere Wahrscheinlichkeit für psychische Gesundheit – ist zwar kein endgültiger Beweis für ein direktes Ursache-Wirkung-Prinzip. Auch andere Faktoren könnten hier eine günstige Rolle spielen: etwa, dass vor allem wohlhabende und gebildete Menschen dazu in der Lage sind, in ein Häuschen im Grünen zu ziehen. Doch es gebe, so die Forscher, immer mehr Belege dafür, dass ein natürliches Umfeld eine größere Rolle für die mentale Gesundheit spielt als bisher angenommen. Es lohnt sich also, diese Wechselwirkung künftig genauer zu erforschen.
Bereits frühere Studien haben gezeigt, dass das Risiko für bedeutsame psychiatrische Erkrankungen in Städten grundsätzlich höher ist als in ländlichen Regionen. Auch, dass das Spielen in der Natur für die kognitive und emotionale Entwicklung bei Kindern sehr wichtig ist, ist bereits bekannt.
Und nicht umsonst wird bei Erwachsenen das "Waldbaden" (eine japanische Erfindung, die dort Shinrin-yoku heißt) als Aktivität in der Natur mit therapeutischem Effekt immer beliebter: Die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes auf Körper und Psyche wird derzeit noch wissenschaftlich untersucht – beispielsweise am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Weiterlesen auf oekotest.de: