Nach Ansicht des Umweltverbands BUND überwachen die Behörden den Onlinemarkt für Kinderspielzeug nicht ausreichend. "Es gibt Spielzeug, das große Mengen gesundheitsschädlicher Chemikalien enthält", so BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. Online gekaufte Spielwaren könnten Chemikalien wie Plastikweichmacher (Phthalate), krebserregende Nitrosamine, Bor oder Bisphenol A in hohen Konzentrationen enthalten. Das verstoße gegen EU-Vorschriften.
BUND beklagt fehlende Marktüberwachung
Der Onlinehandel wächst laut BUND so stark, dass die Überwachung nicht mithalte. "Der Internethandel wird leider noch nicht vergleichbar mit dem stationären Handel überprüft", kritisiert von Broock. Das hätten eine Marktrecherche sowie ein dazugehöriges Rechtsgutachten des Verbands ergeben. Der BUND verlangt schnelle Maßnahmen für eine "effektive nationale Marktüberwachungsstrategie".
Die Organisation kritisiert zudem, dass sich verschiedene Überwachungsbehörden in Deutschland auf Ebene der Bundesländer nicht ausreichend abstimmten. "Das Kompetenzwirrwarr zulasten der menschlichen Gesundheit kann so nicht weitergehen. Wir brauchen klare gesetzliche Vorgaben für Produktkontrollen und Sanktionen, die Ausstattung der Überwachungsbehörden mit den notwendigen Mitteln und landesübergreifende Zusammenarbeit", fordert BUND-Geschäftsführerin von Broock.
Ergänzend zu seinem Rechtsgutachten hat der Verband das EU-Schnellwarnsystem für unsichere und gefährliche Produkte, "EU Safety Gate", für eine eigene Marktrecherche ausgewertet. Ergebnis: Die Zahl der gemeldeten Produkte, die verbotene Chemikalien enthalten, ist laut BUND in den letzten vier Jahren um 30 Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr seien rund 210 Spielzeuge über das EU-Schnellwarnsystem gemeldet worden.
Häufigstes Problem: giftige Plastik-Weichmacher
Die wichtigsten Ergebnisse der BUND-Recherche:
- 40 Prozent der gemeldeten Spielzeuge waren Plastikpuppen, 15 Prozent Spielschleim, 5 Prozent aufblasbares Spielzeug.
- 90 Prozent der schadstoffhaltigen Spielzeuge stammten aus China.
- Rund 130 der 210 Spielzeuge, die 2022 von den EU-Mitgliedsstaaten gemeldet wurden, enthielten verbotenene Weichmacher (Phthalate wie DIBP, DEHP oder DINP) in Konzentrationen von über 0,1 Prozent. In 34 Fällen wurden zu hohe Bor-Mengen in Spielschleim festgestellt.
Kritik übt der BUND nicht nur an Gesetzgeber und Behörden, sondern auch an großen Onlinehändlern wie Amazon, Ebay & Co. Diese bewegten sich, so von Broock, "in einem rechtlichen Freiraum, wo sie die Verantwortung für die Einhaltung von Schutzvorschriften ganz legal umgehen können. Es ist offensichtlich so, dass über diese Handelsriesen derzeit alles, sogar gefährliches Spielzeug, auf den Markt geworfen werden kann, weil niemand ernsthafte Konsequenzen zu fürchten hat."
So reagiert die Spielwarenbranche
Auch die Spielzeugbranche, der das Problem seit Jahren bekannt ist, wünscht sich mehr Kontrollen. "Aus Sicht renommierter Qualitätshersteller von Spielwaren ist das unkontrollierte Treiben auf Online-Marktplätzen ein wirkliches Ärgernis, weil es eine ganze Branche in Verruf bringt", sagte der Geschäftsführer des Deutschen Verbands der Spielwarenindustrie, Ulrich Brobeil. Nationale Lösungen brächten aber "rein gar nichts".
Stattdessen müssten Online-Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden, fordert Brobeil, der aber auch die Käufer in der Verantwortung sieht: "Der Verbraucher sollte sich im Klaren darüber sein, dass er mit seinem Verhalten zu dieser Situation beiträgt." Bei dem beanstandeten Spielzeug gebe es einen Zusammenhang zwischen niedrigem Preis, schlechter Qualität und mangelnder Sicherheit.
Der Bundesverband des Spielwaren-Einzelhandels (BVS) appelliert indes an Käufer und Händler, sich die Bezugsquellen und Lieferketten genau anzuschauen. "Es gibt keine Super-Behörde, die jedes Spielzeug der Welt prüfen kann", sagte BVS-Geschäftsführer Steffen Kahnt. Seriöse Marken würden aber viel dafür tun, saubere Produkte zu verkaufen.
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