Leidenschaft, lustvolles Begehren, romantische Stunden zu zweit: War da mal was? In den Wochen nach einer Entbindung ist Sex für viele Frauen so ziemlich das Letzte, wonach ihnen der Sinn steht. Nicht nur, dass sie nach den emotionalen und körperlichen Strapazen der Geburt meist erschöpft sind - was an Glückshormonen und -gefühlen durch ihren Körper rauscht, gilt in allererster Linie dem Neugeborenen. Außerdem sind durchwachte Nächte, tropfende Stillbrüste und der kleine, ewig hungrige Schreihals echte Liebestöter.
Nach Ankunft des Nachwuchses ist die intime Zweisamkeit - von heißen Nächten ganz zu schweigen - für viele Paare erst einmal nur ein Stück Erinnerung. Die Schwierigkeiten, als Eltern eines oder mehrerer Kleinkinder zu einem gepflegten Sexualleben zurückzufinden, bieten bestenfalls amüsanten Gesprächsstoff. Mindestens eine Anekdote kann jedes befreundete Paar aus Erfahrung zur heiteren Runde beisteuern - von unfreiwilligen Unterbrechungen, tapsenden Füßchen im Schlafzimmer kurz vorm Höhepunkt oder hektischen Quickies, während der Nachwuchs Mittagsschlaf hält.
Jedes Paar geht anders mit der vorübergehenden Flaute im Bett um. Matthias beispielsweise hatte während der Schwangerschaft seiner Frau große Sorge, dass er mit ihr nach der Geburt des Sohnes keinen Sex mehr haben würde. Er fasste sich ein Herz, sprach mit ihr und auch mit der Hebamme darüber. Und siehe da: "Es hat sich nach einer (langen) Weile wieder eingependelt." In den ersten Wochen und Monaten war es viel zu stressig für Sex. Seine Partnerin sah zeitweise wie ein Gespenst aus; Matthias traute sich in dieser Zeit lange nicht, seine sexuellen Bedürfnisse anzumelden.
Dennoch war er von dem Gedanken an "Sex auf Abruf" abgeschreckt, wie ihn ein befreundetes Paar praktizierte, indem es bisweilen den Wecker auf vier Uhr morgens stellte, weil es zu dieser Uhrzeit am wahrscheinlichsten sei, dass keiner der Sprösslinge im entscheidenden Moment vor dem Bett stehe. Matthias: "Dann würde ich lieber ganz auf Sex verzichten." Freunde, die schon ältere Kinder haben, können meistens beruhigen und trösten: Das mit dem Liebesleben wird schon wieder, auch wenn es manchmal eine Weile dauert.
Wie etwa bei Miriam und David nach der Geburt ihres zweiten Kindes. Körperlich war Miriam zwar schnell wieder fit, aber der Kleine war anstrengend und raubte ihr die Nächte. Außerdem schlief auch die Erstgeborene noch nicht immer durch. David übte Enthaltsamkeit und das quasi öffentlich. Selbstverständlich werde er sich in dieser Situation jeden sexuellen Gedanken verkneifen, sagte er Miriam und verkündete dies auch im Freundeskreis.
Dieser zur Schau getragene, verständnisvolle Verzicht brachte Miriam auf die Palme. Es stimmte, sie war eigentlich immer müde, hatte den Kopf noch nicht frei und fühlte sich auch noch nicht wirklich wieder wohl in ihrem Körper. Trotzdem: Sollte David doch einfach die Klappe halten. Nachdem ihr Mann mal wieder in größerer Runde seine Rücksicht ausposaunt hatte, platzte Miriam der Kragen. Kaum war der Besuch aus dem Haus, entlud sich ihr ganzer Ärger. Das Adrenalin machte ihr Luft und plötzlich Lust. Sie schubste den verdutzten David aufs Sofa und sie hatten nach gut fünf Monaten den ersten Sex nach der Geburt - ganz kurz und ziemlich heftig. Eine Minute später schrie ihr Söhnchen.
Das "erste Mal" nach der Geburt empfinden viele Paare ein bisschen so wie beim allerersten Mal überhaupt: aufregend und auch ein wenig unsicher, wie man anfangen soll. Wenn Frau und Mann es wollen, spricht nichts gegen Sex ein paar Wochen nach der Entbindung. Im Allgemeinen wird empfohlen, das Ende des Wochenflusses (Wundsekret aus der Gebärmutter) abzuwarten, um das Infektionsrisiko vor allem für die Frau zu senken. Natürlich kann man auch Kondome benutzen.
Wichtig ist aber, dass die Frau den Zeitpunkt bestimmt. Viele haben Angst, dass der Sex nach der Entbindung mit Schmerzen verbunden ist, etwa weil die Dammnaht oder andere Verletzungen noch nicht völlig verheilt sind. Oder weil die Scheide aufgrund des fehlenden Östrogens trocken ist. In diesen Fällen können Gleitmittel hilfreich sein.
Ein Patentrezept oder einen bestimmten Zeitpunkt, ab wann "es" wieder funktionieren sollte, gibt es ohnehin nicht. Deshalb: Setzen Sie sich nicht unter Druck. Versuchen Sie, sich als Eltern auch im neuen Alltag mit Säugling regelmäßige Auszeiten zu zweit freizuschaufeln, und pflegen Sie partnerschaftliche Rituale, die Ihnen beiden am Herzen liegen. Wer sich nahe ist, findet auch früher oder später wieder im Bett zueinander.
Ratgeber-Serie "Nach der Geburt"
Hier finden Sie weitere Teile unserer Ratgeber-Serie "Nach der Geburt":
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Die ersten Wochen mit dem Neugeborenen
- Stillen
- Postpartale Depression
- Sex nach der Geburt (diese Seite)
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