Vorbei die Zeiten, in denen Kinder wie selbstverständlich in die nächstgelegene Schule geschickt wurden. Heute belastet das Thema Schule und besonders der Schulwechsel die Familien zunehmend. Eltern sind mehr und mehr damit beschäftigt, die Kinder beim Lernen zu motivieren und zu unterstützen, wo immer möglich.
Selbstmotivation führt zum nachhaltigsten Erfolg
Zu viel Unterstützung durch die Eltern kann nicht gut sein, denn die größten und nachhaltigsten Erfolge – das hat die Psychologie belegt – erreicht der Mensch, wenn er sich selbst motiviert, wenn er etwas aus eigenem Antrieb selbst schaffen will – und kann.
Im Grunde wissen Eltern das auch. Aber sie stehen vor einem Dilemma. Am Horizont leuchtet das Abitur wie ein bildungspolitisches Heilsversprechen – und alle rennen darauf zu. Man kann sich diesem Sog nicht so ohne Weiteres entziehen. Wenn "alle" Klassenkameraden schon in der Vierten auf jede Klassenarbeit zwei Wochen lernen und für manche Schüler eine Drei im Diktat zum klassenöffentlichen Heulkrampf führt, dann mischt sich auch in den Blick aufs eigene Kind Skepsis. Schafft der das wirklich von allein oder sollten wir nicht doch in Mathe ein bisschen helfen?
Prognosen sind schwierig
Die Prognosen der Grundschulen, d.h. die Grundschulempfehlungen, sind das eine - die Einschätzung der Eltern, welche Schule zum eigenen Kind passt, ist aber mindestens genauso wichtig.
Denn tatsächlich können die Prognosen der Grundschulen danebenliegen. Was kann man schon über die intellektuelle Entwicklung eines gerade mal Zehnjährigen sagen? Jede dritte Grundschulempfehlung hält der Dortmunder Bildungsforscher Wilfried Bos bundesweit für "nicht optimal". Mit einer längeren Grundschulzeit könnte man Bildungsungerechtigkeit verhindern und auch mehr Spätzündern eine Chance geben, argumentieren die Verfechter eines längeren gemeinsamen Lernens. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fordert seit Jahren eine längere gemeinsame Grundschulzeit. Deutschland und Österreich sind die einzigen OECD-Länder, die ihre Kinder noch so früh sortieren.
Welche Schule? Die Verantwortung der Eltern ist groß
Eltern stehen in der vierten Klasse ihres Kindes vor einer wichtigen und in manchen Fällen schwierigen Entscheidung. Sie übernehmen eine große Verantwortung, davon kann sie keine noch so gut überlegte Empfehlung der Lehrer freisprechen. Folgen sie dem Rat der Pädagogen, vielleicht gegen die eigene Einschätzung, können sie die Folgen für die schulische Zukunft ihres Kindes nicht abschätzen, entscheiden sie dagegen, kann auch das falsch sein.
Die Frage bleibt, was wir uns für das Leben unseres Kindes wünschen – nicht nur für seine spätere Karriere. Eine menschliche Umgebung zum Beispiel, die dem Kind Raum und Zeit lässt, eigene Schwächen zu sehen und Stärken zu entwickeln. Selbstständigkeit, die zu Eigenverantwortung und Eigeninitiative führt. Schule, die Spaß macht und Neugierde weckt auf alles Unbekannte, auch wenn es nicht in der nächsten Klassenarbeit abgefragt wird. Zeit für Entfaltung, Zeit für Hobbys. Engagierte Lehrer auf der Höhe der pädagogischen Forschung, die das Kind leiten und als Persönlichkeit achten. In welcher Schule das eigene Kind all das findet, ist nur so individuell zu beantworten, wie jedes Kind eine einmalige Persönlichkeit ist.
Die Schulformen im Überblick: Staatliche Schulen
1. Gymnasium
Das Gymnasium ist zur beliebtesten Schulform überhaupt geworden, weil das Abitur als Eintrittskarte dafür gilt, sich später ein Studium oder einen Beruf aussuchen zu dürfen. In manchen Regionen gehen 40 Prozent eines Jahrgangs auf die "höhere Lehranstalt", wie es früher hieß. Trotzdem ist das Gymnasium selektiv, es will ganz klar die Besten eines Jahrgangs fördern und nur diese machen zum Schluss auch das Abitur. Der Unterricht auf dem Gymnasium ist theoretischer und wissenschaftlicher, die Kinder sollen lernen, selbstständig zu denken und sich Wissen zu erarbeiten. Die Fächerprofile an den Gymnasien haben sich in den vergangenen Jahren sehr entwickelt. Doch noch immer gibt es grundsätzlich naturwissenschaftlich und grundsätzlich sprachlich orientierte Zweige an Gymnasien. Quer durch die Republik hat sich das Zentralabitur durchgesetzt, trotzdem gibt es noch große Unterschiede in den Anforderungen an die Schüler je nach Bundesland.
2. Realschule
Dem Realschüler stehen alle Wege offen. Er kann berufliche Gymnasien besuchen, auf eine Berufsfachschule gehen oder auch eine Ausbildung beginnen. Auf den Realschulzweigen der Gesamtschulen können Spätzünder auf die gymnasiale Oberstufe wechseln. So unterschiedlich die Wege nach der mittleren Reife, so unterschiedlich sind auch die Schüler auf den Realschulen, die Schule ist bemüht, diese sehr heterogenen Perspektiven ihrer Schüler zu bedienen. Insgesamt ist die Schule praxisorientierter, schon früh kommen die Schüler in Kontakt zur Berufswelt. Ab der siebten Klasse gibt es (in den Bundesländern unterschiedliche) Wahlpflichtfächer, sodass Schüler zum Beispiel zwischen einem naturwissenschaftlich-technischen oder einem wirtschaftlich-sozialen Profil wählen können. In einigen Bundesländern werden derzeit Real- und Hauptschulen zusammengelegt.
3. Haupt- oder Mittelschule
Die Hauptschule (zum Teil auch als Mittelschule bezeichnet) ist das ungeliebte Kind in Deutschlands Bildungslandschaft. Hier landen die, die sonst nirgends unterkommen, heißt es. Insbesondere in den Großstädten haben die Hauptschulen häufig mit sozialen Problemen zu kämpfen, der Anteil an Schülern, die nicht ausreichend gut Deutsch können, ist oftmals hoch. Die Hauptschule hat auch die höchste Abgängerquote ohne Abschluss. Grundsätzlich soll die Hauptschule auf eine praktische Berufsausbildung vorbereiten, sie ist eng verzahnt mit Ausbildungsbetrieben und will viel Förderunterricht für ihre Schüler anbieten. Das Fach Arbeitslehre wird in den meisten Bundesländern als Pflichtfach unterrichtet. Einige Bundesländer stocken den Hauptschulabschluss um ein zehntes Schuljahr mit einem qualifizierten Hauptschulabschluss auf.
4. Gesamtschule
Die Gesamtschule ist ein Reformprojekt aus den 70er-Jahren, politisch umkämpft bis heute. Sie ist eine Alternative zum traditionellen dreigliedrigen System, Kinder unterschiedlicher Herkunft und von unterschiedlicher Begabung sollten länger miteinander unterrichtet werden. Tatsächlich ist der Anteil der ursprünglich Hauptschul- bzw. Realschulempfohlenen, die an einer Gesamtschule Abitur machen, höher als im Gymnasium. Die Differenzierung nach Leistung wird in die Schule verlegt, es wird nicht vorher sortiert. In vielen Gesamtschulen schließt sich nach der 10. Klasse eine gymnasiale Oberstufe an. Es gibt kooperative Gesamtschulen, in denen alle drei Schultypen getrennt unterrichtet werden, aber unter einem organisatorischen Dach vereint sind. In den Integrativen Gesamtschulen werden alle zusammen unterrichtet, aber in unterschiedliche Leistungskurse geteilt. Weil Lehrer viele unterschiedliche Begabungen auffangen und fördern müssen, haben sich in der Gesamtschule neue Unterrichtsmethoden entwickelt.
5. Stadtteilschulen
Sie heißen überall anders, im Grunde verfolgen sie dieselbe Idee: ein zweigliedriges Schulsystem. Auf den Stadtteilschulen sollen die Schüler länger gemeinsam lernen und individuell gefördert werden. Schüler können auf eigenständigen Oberstufen auch Abitur machen. In Bremen heißt dieser Schultyp Oberschule. Auch in Brandenburg gibt es bereits seit 2005 eine Oberschule, die Realschule und Gesamtschule zusammenfasst. Berlin hat nur noch zwei weiterführende Schularten: die neue Integrierte Sekundarschule und das Gymnasium.
Die Schulformen im Überblick: Private Schulen
1. Waldorf-Schulen
Die Waldorf-Pädagogik hat einen Lehrplan für zwölf Schuljahre, die ganzheitliche Förderung jedes Kindes steht im Vordergrund. Auf rein intellektuelle Wissensvermittlung wird keinen Wert gelegt, deshalb gibt es wenig Bücher. In Chemie pauken die Schüler bis zur Oberstufe in der Regel keine einzige Formel. Wie chemische Prozesse ablaufen, wird experimentell vermittelt. Auf Musizieren und Arbeiten mit allen möglichen Werkstoffen wird Wert gelegt. Von der ersten bis zur achten Klasse haben die Schüler den gleichen Klassenlehrer. Eltern müssen in der Schule mitarbeiten. Zensuren gibt es nicht. Ob ein Schüler den Hauptabschluss oder die mittlere Reife erlangt oder zum Abitur zugelassen wird, hängt von seiner individuellen Entwicklung ab. Vor allem Spätzünder profitieren von der Steiner-Pädagogik. Schwächen und Begabungen werden besser aufgefangen und die Kinder bekommen mehr Entfaltungsspielraum als in der Regelschule.
Zwischen 35 und 350 Euro kostet die Schule im Monat, manchmal werden Eltern auch gebeten, sich an größeren Anschaffungen oder Projekten der Schule zu beteiligen. Das Einkommen der Eltern und die Zahl der Geschwisterkinder werden berücksichtigt.
Infos unter www.waldorfschule.info
2. Internationale und bilinguale Schulen
Ursprünglich waren sie für die Kinder von ausländischen Geschäftsleuten und Diplomaten da, die vorübergehend in Deutschland wohnten. Inzwischen erhoffen sich deutsche Eltern bessere Chancen ihrer Kinder auf dem Arbeitsmarkt durch das International Baccalaureate (IB). Soziale und interkulturelle Kompetenz, selbstständiges Lernen und Verantwortungsbewusstsein werden an den Internationalen Schulen hochgehalten. Die Klassen sind klein, die Lehrer hoch motiviert, die pädagogischen Methoden vielfältig. Die Schulen haben ein hohes Leistungsniveau. Die Internationalen vergeben keine deutschen Bildungsabschlüsse. Mit dem International Baccalaureate (IB) nach der 12. Klasse kann man auch in Deutschland und an ausländischen Hochschulen studieren. Die Bilingualen ermöglichen in der Regel mittlere Reife und Abitur. Die Fremdsprache wird von Muttersprachlern in den Schulalltag integriert, in bilingualen Schulen läuft die Hälfte des Unterrichts in der Fremdsprache, an internationalen Schulen ist die Unterrichtssprache Englisch.
Zwischen 200 und 1.500 Euro pro Monat kann ein Platz kosten, meist gestaffelt nach dem Alter des Kindes. Dazu kommen hohe Aufnahmegebühren. Manche bilinguale Schulen staffeln nach Elterneinkommen.
Infos unter www.agis-schools.org, www.fmks-online.de, www.phorms.de
3. Montessori-Schulen
Die Montessori-Schulen gehen davon aus, dass Kinder Phasen haben, in denen sie besonders intensiv lernen können, diese Phasen müssen von der Schule berücksichtigt werden. Zentraler Unterrichtsbestandteil ist die Freiarbeit. Der Lehrer unterstützt, hält sich aber im Hintergrund. Es gibt keine Zensuren. Der pädagogische Aufwand an Montessori-Schulen ist sehr hoch, daher müssen Eltern monatlich zwischen 330 und 500 Euro Schulgeld bezahlen. Oft werden auch noch eine Aufnahmegebühr und/oder ein Elterndarlehen verlangt. Es gibt zwar Stipendien, aber die Schule, die ursprünglich mal für die Armen gedacht war, steht inzwischen mancherorts in dem Ruf, nur etwas für Wohlhabende zu sein.
Infos unter www.montessori-deutschland.de
4. Konfessionsschulen
Die kirchlichen Schulen orientieren sich an den Lehrplänen der jeweiligen Bundesländer. Allerdings haben sie ihre eigenen Profile. Zum Beispiel finden sich viele reine Mädchen- und einige Jungenschulen. Oft bietet die Schule eine Ganztagesbetreuung oder einen angegliederten Hort. Konfessionelle Schulen nehmen in der Regel auch Ungetaufte oder Kinder einer nicht christlichen Gemeinschaft auf. Allerdings müssen sich diese Kinder (und deren Eltern) mit ihrem Glauben identifizieren und damit auseinandersetzen, denn Religion ist Schwerpunkt an den Schulen. Von den Eltern wird ehrenamtliches Engagement erwartet. Je nach Bundesland kosten diese Schulen zwischen 30 und 120 Euro monatlich plus Geld für Mittagessen usw., die Sätze sind nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt. Kein Kind wird wegen finanzieller Schwierigkeiten der Eltern ausgegrenzt.
Infos unter www.evangelische-schulen-in-deutschland.de, www.katholische-schulen.de
Checkliste Schulwechsel: Welche Schule passt zu meinem Kind?
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Die Noten: Den Klassenlehrer schon frühzeitig nach seiner Einschätzung Ihres Kindes fragen, vielleicht sogar schon in der dritten Klasse. Gibt es Fächer, in denen es klemmt? Wo sind seine Stärken? Wie ist die Arbeitshaltung? Ist Ihr Kind ein Wackelkandidat, hilft regelmäßiger Kontakt zum Klassenlehrer Wenn Sie kein Vertrauen in ihn haben, können Sie sich (allerdings mit einer guten Begründung) an einen Beratungslehrer oder den Rektor der Schule wenden.
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Bedingungen: In jedem Bundesland gibt es andere Übertrittsbedingungen: Entscheidet die Schule oder haben Sie als Eltern das letzte Wort? Wenn es eine Empfehlung nicht aufgrund eines festgelegten Notenschnitts, sondern einer persönlichen Einschätzung des Pädagogen gibt, müssen die Grundlagen dieser Entscheidung offengelegt werden.
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Voraussetzungen: Hat Ihr Kind Freude am Lernen? Wie gut kann es sich organisieren? Strengt es sich gerne an? Wie steht es mit der Frusttoleranz bei Rückschlägen? Kann es sich selbst motivieren? Woher kommen seine Noten, schafft es sie durch eigene Leistung oder nur mit Ihrer Unterstützung?
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Information: Es ist sehr hilfreich, die Elternabende der weiterführenden Schulen zu besuchen und mit dem Kind zum Tag der offenen Tür zu gehen. Bei den Elternabenden werden in der Regel Struktur und Schwerpunkte der Schule erläutert und allgemeine Fragen zu Ausstattung und Organisation beantwortet. Infos zum Konzept der Schule bekommt man meist im Internet. Eine gute Orientierung ist, ältere Kinder und deren Eltern, die die Schule von innen kennen, nach ihren Erfahrungen zu fragen.
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Die Meinung des Kindes: An welcher besuchten Schule hat sich ihr Kind wohlgefühlt? Warum? Traut es sich das Gymnasium überhaupt selbst zu? Die Meinung des Kindes ist wichtig, aber die Entscheidung treffen letzten Endes Sie.
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Die Freunde: Sie sind wichtig für Ihr Kind, denn sie geben Halt in einer neuen Umgebung. Trotzdem sollten sie für die Wahl nicht ausschlaggebend sein, denn Freunde ändern sich im Laufe eines Kinderlebens.
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Leistungsdruck: Wirkt Ihr Kind oft verunsichert, ist es häufig richtig wütend auf die Schule, reagiert es bockig, wenn es lernen soll oder klagt es gehäuft über Bauch- oder Kopfweh? Hat es genug Zeit zum Spielen? Den meisten Kindern ist bewusst, worum es geht, sie sind angespannt genug, zusätzlicher Druck von den Eltern ist da nicht hilfreich. Wichtig ist, dass das Kind weiß, Sie stehen hinter ihm und haben es - ganz unabhängig von seinen Noten - lieb.
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Lernunterstützung: Bei längerer Krankheit, Problemen in der Familie oder Umzug kann Nachhilfe sinnvoll sein. Ist es nur das eine Fach, wo's ein bisschen klemmt, ist Unterstützung vernünftig. Braucht ein Schüler über lange Zeit in mehreren Bereichen Hilfe, damit er die richtigen Noten für eine Schulempfehlung abliefert, dann ist er mit dem angestrebten Schultyp unter Umständen zurzeit überfordert.
- Das Elternhaus: Wie binden Sie die neue Schule in das Familienleben ein? Ist der Schulweg machbar? Haben Sie in der anstrengenden Zeit des Übergangs genug Zeit für das Kind?
Zehn Fragen für die Schulentscheidung
- Wie wird Leistung gemessen? Bekommt das Kind eine differenzierte Rückmeldung? Wie viele machen einen Abschluss?
- Wo steht die Schule bei Leistungsvergleichen? Macht sie bei Wettbewerben mit?
- Wie werden Schwächere unterstützt? Organisiert die Schule Nachhilfe von älteren Schülern oder eine qualifizierte Hausaufgabenbetreuung? Gibt es Hilfe, zum Beispiel bei Legasthenie? Oder müssen das allein die Eltern regeln?
- Wie fördert die Schule besondere Begabungen?
- Dürfen die Kinder regelmäßig zeigen, was sie geleistet haben, zum Beispiel mit Präsentationen ihrer Projekte?
- Bietet die Schule spannende AGs? Gibt es Kooperationen mit Sportvereinen oder Musikschulen?
- Hat die Schule ein Leitbild und wo zeigt sich das im Alltag?
- Arbeitet die Schule mit neuen innovativen Methoden?
- Welche Mitspracherechte haben Eltern und Schüler? Gibt es eine Schülermitverwaltung, die auch wirklich gefragt wird?
- Macht das Gebäude einen freundlichen und ordentlichen Eindruck? Gibt es gutes Essen, Rückzugsräume, eine für alle offene Bibliothek?
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