In den vergangenen 40 Jahren haben sich die Fälle von Übergewicht bei Jungen und Mädchen weltweit mehr als verzehnfacht. Adipositas ist damit zum globalen Problem geworden. Auch in Deutschland sind viele Kinder zu dick. Laut dem Robert-Koch-Institut hat jedes vierte Kind zwischen 5 und 17 Jahren Übergewicht, neun Prozent der Kinder gelten als fettleibig.
Eltern schätzen das Gewicht ihrer Kinder falsch ein
Mehr als die Hälfte der Eltern von übergewichtigen Kindern unterschätzt deren Gewicht und will nicht wahrhaben, dass der Nachwuchs zu dick ist. Damit können auch die betroffenen Kinder ihr Gewicht schlecht einschätzen. Das zeigt eine neue Studie, die Forscher der Universität Nottingham erstmals auf dem diesjährigen Europäischen Kongress über Fettleibigkeit (ECO) in Glasgow vorstellt haben.
"Trotz der Versuche, die Öffentlichkeit auf das Problem der Fettleibigkeit aufmerksam zu machen, zeigen unsere Ergebnisse, dass das Übergewicht von Kindern oft unterschätzt wird", sagt Abrar Alshahrani von der Universität Nottingham, die die Studie leitete. Dadurch bekämen viele Kinder nicht die Unterstützung, die sie bräuchten, um gesund zu bleiben. Die Forscher fanden auch heraus, dass weniger gebildete Eltern und Eltern, die selbst übergewichtig waren, ihr Kind eher nicht als übergewichtig betrachteten.
Für die Meta-Analyse werteten die Forscher 87 Studien aus, weltweit veröffentlicht zwischen 2000 und 2018. An den Studien nahmen insgesamt knapp 25.000 Kinder zwischen 0 und 19 Jahren und ihre Eltern teil. Für die Einstufung des Gewichts werteten die Wissenschaftler Größe, Gewicht, Taillen- und Hüftumfang der Kinder aus.
Ist mein Kind zu dick?
Die gängige Methode, um das Übergewicht von Kindern zu bestimmen, ist der sogenannte Body-Mass-Index (BMI). Er setzt das Körpergewicht ins Verhältnis zur Körpergröße. Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) können Eltern prüfen, ob ihr Kind zu dick ist. Allerdings stellt der BMI nur eine grobe Richtlinie dar – beim Gewicht wird nicht zwischen Fett und Muskeln unterschieden. Und auch die Bewegungsgewohnheiten werden nicht berücksichtigt.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat erst kürzlich Empfehlungen herausgegeben, wie viel sich Kinder täglich bewegen sollten, um gesund aufzuwachsen: So viel Bewegung brauchen Kleinkinder.
Adipositas erhöht Krankheitsrisiko
Die Folgen für die von Adipositas betroffenen Kinder können gravierend sein: Übergewicht ist ein Risikofaktor für Bluthochdruck, Diabetes, Nierenprobleme und einige Krebsarten. Zudem kann starkes Übergewicht psychische Erkrankungen begünstigen. Übergewichtige Kinder sind häufig Hänseleien und Spott ausgesetzt, die das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl nachhaltig schwächen und Kinder über lange Jahre belasten können. Häufig ziehen sich die betroffenen Kinder zurück – und kompensieren ihre Sorgen mit noch mehr Essen.
Was können Eltern bei Übergewicht ihres Kindes tun?
"Die Erkennung von Gewichtsproblemen in der Kindheit und Jugend ist ein einzigartiges Zeitfenster, um die Gesundheit auf Lebenszeit zu beeinflussen", sagt Alshahrani. Wenn Eltern den Verdacht haben, ihr Kind könnte zu dick sein, sollten sie möglichst rasch handeln:
- Sprechen Sie Ihren Kinderarzt auf das Problem an. Er kann das Gewicht einschätzen und untersuchen, ob organische Ursachen vorliegen.
- Denken Sie über eine Änderung der Koch- und Essgewohnheiten in der Familie nach - starten Sie aber keine willkürliche Diät. Kinder im Wachstum brauchen für eine gesunde Entwicklung eine abwechslungsreiche Ernährung mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen.
- Thematisieren Sie das Problem im Familienalltag nicht zu sehr und versuchen Sie, das Selbstbewusstsein Ihres Kindes zu stärken. Loben Sie es für die Dinge, die es gut kann und ermutigen Sie es, sich viel zu bewegen.
- Nehmen Sie die Getränke Ihres Kindes genau unter die Lupe. In süßen Getränken und Säften stecken jede Menge (unnötige) Kalorien. Besser sind Wasser und Tee. Auch Milch und Kakao sollten nicht als Durststiller getrunken werden, sondern zählen als kleine Leckerei.
- Seien Sie selbst Vorbild in Sachen Ernährung und Bewegung. Kinder orientieren sich an der Lebensweise von Mama und Papa.
- Viele Krankenkassen bieten Ernährungsberatungsprogramme an. Fragen Sie dort nach Präventionsmaßnahmen und Therapieangeboten.
Hilfe für Familien mit übergewichtigen Kindern
Hier finden Sie weitere Infos und Hilfe:
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) - Essstörungen
- Ratgeber der BZgA (kostenloser Download): essgestört? übergewichtig? - So findest du Hilfe
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