ÖKO-TEST: Herr Andrack, wenn man Ihren Namen im Internet sucht, ist der Fund meistens mit dem Zusatz "Wanderpapst" verbunden. Trifft dieser Begriff auf Sie zu?
Manuel Andrack: In der "taz" gab es mal eine Liste mit Dingen, von denen man alles Papst sein kann. "Literaturpapst", "Kulturpapst" … Die Liste hatte fast 50 Positionen, und ich war schon ein bisschen beleidigt, dass ich als "Wanderpapst" dort nicht zu finden war. Aber es gibt da auch einen langbärtigen Mann aus der Nordpfalz, der sich selber offensiv als Wanderpapst bezeichnet.
Auch der Wissenschaftler Dr. Rainer Brämer, ein Wandersoziologe, hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt und wurde ebenfalls schon als Wanderpapst bezeichnet. Sie sehen, es gibt viele Gegenpäpste, aber ich habe keinen Ehrgeiz, diesen Titel zu verteidigen.
Sie haben mehrere Bücher über das Wandern geschrieben. Wollten Sie Wandern aus der piefigen Nische befreien und populärer machen?
Ich hatte und habe keinen missionarischen Ansatz. Als ich bei Harald Schmidt im Fernsehen zu sehen war, wurde ich vom Kiwi-Verlag gefragt, ob ich nicht ein Buch schreiben wolle. Etwa über Fußball, weil ich doch Fan des 1. FC Köln sei. Aber da es dazu schon so viele Bücher gibt, habe ich Wandern vorgeschlagen, weil es so etwas in dieser Form noch nicht gab. Dass sich statt der erwarteten hundert Bücher mehr als Hunderttausend verkauft haben, konnte man ja nicht ahnen.
Sicher habe ich damit das Wandern etwas populärer gemacht, aber man darf nun nicht so tun, als habe daraufhin eine Explosion stattgefunden.
Am Wandern gefällt Ihnen der "Abenteuer-Charakter". Was meinen Sie damit?
"Abenteuer" ist vielleicht etwas zu viel gesagt. "Erlebnis" trifft es besser. Ich finde es beim Wandern spannend, immer wieder neue Landschaften zu entdecken und unbekannte Wege auszuprobieren. Ich wandere mal im Hunsrück, dann an der Mosel. Und ich versuche, möglichst keinen Weg doppelt zu gehen. Es gibt ein unfassbar großes Angebot an tollen Wanderwegen, und ich werde kaum dazu kommen, die alle abzulaufen. Einmal habe ich die Watzmann-Ostwand bestiegen, das war etwas Besonderes, ein echtes Erlebnis.
Manuel Andrack über Wandern mit Kindern
Haben Sie Tipps, wie man Kinder fürs Wandern begeistert?
Gerade für Kinder ist die Auswahl der Wege ganz wichtig. Ich gehe daher auch keinen Weg mit meinen Kindern, den ich nicht vorher schon alleine gegangen bin und von dem ich nicht weiß, ob er für sie attraktiv ist.
Wenn die Wege schnurgerade und breit sind, ist das für Kinder natürlich stinklangweilig. Kinder finden es immer toll, wenn der Weg nicht normal ist und es zum Beispiel Felsbrocken oder umgefallene Bäume zum Klettern gibt. Super sind auch Bachläufe zum Reinhalten der Füße, Zwischenpunkte wie ein Ballspielplatz oder eine Wiese, auf der man Ponys streicheln kann. Eine Einkehrmöglichkeit ist natürlich auch immer klasse, weil man Kinder mit einem Eis motivieren kann. All das hat mit meinen älteren Töchtern eigentlich immer hervorragend geklappt.
Die Schatzsuche mit Geocaching ist übrigens auch eine tolle Sache für Kinder, damit sie sich an der frischen Luft und in der Natur bewegen.
Warum wandern Sie am liebsten in den deutschen Mittelgebirgen?
Zum einen sind diese Wanderwege meist um die Ecke, zum anderen nicht so fordernd und anspruchsvoll wie Wanderwege im Hochgebirge. Es ist nun mal deutlich entspannender durch die hügelige Landschaft zu wandern, als 1.600 Höhenmeter zurückzulegen.
Wandern: Zeit für neue Gedanken
Ab welcher Länge fängt für Sie das Wandern an?
Eine spannende Frage. Der Deutsche Wanderverband hat einmal höchstrichterlich entschieden, dass Wandern ab einer Stunde beginnt. Das ist natürlich völliger Quatsch, weil man das gar nicht so generell beantworten kann. Ich habe die Frage in meinen Büchern natürlich auch schon gestellt. Auch wenn man viele Leute fragt, bekommt man die lustigsten Antworten – nach dem Motto: Wandern ist, wenn man den Rucksack aufsetzt. Auch das ist Blödsinn, denn einen Rucksack kann man auch beim Einkaufen in der Stadt tragen. Ich bin schon in Stuttgart gewandert, von einem Park zum anderen, ohne eine Ampel zu sehen – das waren 13 Kilometer, also eine ordentliche Strecke, aber keine richtige Wanderung.
Zum Wandern gehört für mich, dass man draußen in der Natur ist. Eine Stunde, zwei Stunden, fünf oder sieben Kilometer – darauf möchte ich mich gar nicht festlegen. Viele der noch recht neuen Premium-Wanderwege werden immer kürzer und sind oft nicht mal sechs Kilometer lang. Das ist aber echt in Ordnung und eine schöne Länge für einen Vor- oder Nachmittag. Und absolut familiengerecht, weil eine solche Strecke auch Kinder bewältigen können.
Hape Kerkeling hat auf dem Jakobsweg viel über sich selbst erfahren. Geht Ihnen das auch so?
Um Gottes Willen, nein. So eine Erfahrung wie Hape Kerkeling habe ich ja noch nie gemacht. Er war ja mehrere Wochen unterwegs. Ich habe einmal mit Schrecken festgestellt, dass ich zwar als Wanderpapst tituliert werde, aber noch nie länger als drei Tage gewandert bin. Ich bin eher ein Tages- oder maximal Zwei-Tage-Wanderer. Aber wenn man so lange unterwegs ist wie Kerkeling und so lange auf sich selbst gestellt ist, denkt man vermutlich automatisch über ganz andere Dinge nach.
Zur Person
Manuel Andrack (geboren 1965 in Köln) ist Autor, Moderator, Blogger und Wanderer. Bekannt wurde er als "Sidekick" von Harald Schmidt in dessen TV-Talkshow (2000-2007), deren Redaktionsleiter er war. 2005 erschien sein erfolgreiches Erstlingswerk "Du musst wandern", weitere Wanderbücher und Sportbücher und zahlreiche Magazinbeiträge folgten. Infos: www.andrackblog.de
Das Interview erschien im Original im Sportsfreund Magazin.
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