Am Anfang ist alles noch so einfach: Das Baby will essen, gewickelt werden, schlafen, schmusen. Dann ist es glücklich und zufrieden. Doch lange währt dieser paradiesische Zustand nicht. Schon bald sitzt der Sprössling in der Sandkiste und grabscht nach den Förmchen des Nachbarkindes. Zwar kann das Kind noch nicht richtig sprechen, aber es weiß genau: Die will ich haben. Meist endet der Vorstoß in Gebrüll.
In den kommenden Jahren werden die Eltern dieses Szenario noch oft erleben: Das Kind will etwas, soll es nicht bekommen, Geschrei und Tränen sind die Folge. Dramatische Szenen spielen sich in Kaufhäusern und Supermärkten ab, wenn die Eltern das Stofftier für 80 Euro oder den Kaugummi für einen Euro nicht mit nach Hause nehmen wollen. Das Kind wirft sich zu Boden und heult Rotz und Wasser. Die Blicke der Passanten decken die ganze Bandbreite ab zwischen "das arme Kind" und "verwöhntes Gör".
Das kostet Nerven. Aber man kann ja nicht nur um des lieben Friedens willen alles kaufen, wonach dem kleinen Schatz gerade der Sinn steht. Oder?
Es ist normal, dass Kinder "haben wollen"
Besser nicht, denn das würde gar nichts nützen. Zwei Minuten später will das Kind schon wieder etwas anders. Der 2011 verstorbene Kinder- und Familientherapeut Wolfgang Bergmann erklärt das in seinem Buch "Warum unsere Kinder ein Glück sind" so: Kleine Kinder wollen alles Mögliche, weil sie neugierig auf etwas sind und sich die Welt zu eigen machen möchten. Bergmann nennt das "Wollen-wollen". Wenn ein Kind etwas "haben will", kann es damit ganz unterschiedliche Dinge meinen.
Da helfen nur Geduld und ein feines Gespür dafür, was wirklich ein Herzenswunsch ist und was nur ein Strohfeuer. Dazwischen zu unterscheiden, wird immer einfacher, je älter die Kinder werden. Denn dann wandelt sich das diffuse "Habenwollen" in ganz konkrete Wünsche: Ich will ein Skateboard, diese Jeans, einen Hund.
Wir sind von Werbung umgeben
Oft ist es Eltern schleierhaft, wie ihre Kinder auf manche Sehnsüchte kommen. Aber man muss sich damit abfinden, dass Kinder heute einer Dauerwerbeberieselung ausgesetzt sind – im Fernsehen, im Internet und auch in der realen Welt. Davor kann man es nicht bewahren. Oft kommt die Reklame versteckt daher, zum Beispiel als Product Placement oder als Teil des Computerspiels.
Vorschulkinder sind ohnehin noch nicht in der Lage, zwischen Werbung und Unterhaltung zu unterscheiden. Sie mögen Werbung mit lustigen Figuren, eingängiger Musik und bunten Farben und verstehen nicht, dass ihnen da gerade jemand etwas verkaufen will. Besitzwünsche entstehen oft auch auf dem Schulhof. Kommt heute einer mit der "angesagten" Tasche zum Unterricht, wollen andere Klassenkameraden die gleiche haben.
Kinder wissen oft genau, was sie sich wünschen
Je größer die Kinder werden, desto größer werden auch ihre Wünsche. Das belegt anschaulich eine Weihnachts-Wunschzettel-Analyse, die 2011 von der Abteilung für Marketing und Internationales Management der Alpen-Adria-Universität aufgestellt wurde. Eltern sandten den Forschern 250 Wunschzettel ihrer Kinder zu.
Die fünf- bis zwölfjährigen Verfasser äußerten im Schnitt 4,25 Wünsche. Für gut die Hälfte der Briefe konnten die Wissenschaftler den monetären Wert der erwünschten Objekte ermitteln: Er lag bei durchschnittlich 210 Euro. Der für das Christkind kostspieligste Wunschzettel lag bei über 2.800 Euro, der bescheidenste bei nur 3,99 Euro. Die jüngeren Kinder äußerten eher mehrere billige Wünsche, während Kinder über zehn Jahre eher weniger auf ihren Wunschzettel schrieben, die ersehnten Sachen waren dafür teurer.
Zumindest Einzelnen scheint durchaus bewusst zu sein, dass ihre Wünsche mit einer Investition vonseiten des Christkindes verbunden sind. Zum Teil fanden die Forscher die Formulierung "kostet nur ...".
"Quengelmarkt" ist viele Milliarden schwer
Es ist erwiesen, dass Eltern oft nachgeben, wenn Kinder betteln und jammern. Kindermarketing-Experten sprechen von einem "Quengelmarkt", der nach Einschätzung des Hamburger Marketingfachmanns Tobias Effertz in Deutschland etwa 70 Milliarden Euro wert ist. Aktuelle Studien belegen: An den Kindern wird als Letztes gespart. Mehr als 3,4 Milliarden Euro gaben die Deutschen 2019 allein für Spielwaren aus, davon rund 10 % nur für Kleinkinderspielzeug.
Der Spielwaren-Einzelhandel weiß: Die Kaufentscheidungen treffen die Kinder. Sie sagen Eltern, Oma und Tante, was sie haben wollen und die Erwachsenen ziehen los und kaufen. Vor allem vor Weihnachten sieht man sie in den Spielwarenabteilungen detaillierte Wunschlisten abarbeiten. Oder die Kleinen bekommen gleich Geld und dürfen sich holen, was sie wollen.
Aber nicht nur bei Spielzeug und anderen Kindersachen entscheidet der Nachwuchs. Auch im Supermarkt, so belegen Studien, haben die Kleinen einen erheblichen Einfluss darauf, welche Produkte im Einkaufswagen landen. Einer österreichischen Untersuchung zufolge geht jeder zweite Spontankauf auf kindliches Wünschen oder Quengeln zurück.
Größere Kinder sollten Gegenleistungen erbringen
Hinter der Freigebigkeit der Großen steckt oft der Wunsch nach Ruhe und Frieden – lieber die Tüte Gummibärchen spendieren als in Auseinandersetzungen geraten. Mitunter meldet sich da aber auch ein schlechtes Gewissen: Abwesende Väter und Mütter, Wochenendeltern und andere Schuldbewusste meinen, sich freikaufen zu können für fehlende Zeit und Zuwendung.
Kinder müssen aber auch lernen, dass Geld nicht auf den Bäumen wächst, sondern verdient werden muss. Und das bedeutet, dass die Erfüllung eines Wunsches auch mal warten muss. Zum Beispiel bis zum nächsten Geburtstag, zu dem dann Eltern und Großeltern das Objekt der Begierde gemeinsam schenken.
Ist das Kind schon größer, kann es für die Erfüllung des Wunsches auch eine Gegenleistung bringen. Es kann kleine Pflichten übernehmen wie den Hund vom Nachbarn ausführen. Oder es beteiligt sich an der Finanzierung des Wunsches mit seinem Taschengeld. Recherchieren Sie gemeinsam mit ihrem Kind Preis und Verfügbarkeit und rechnen Sie zusammen aus, wie lange das Taschengeld angespart werden muss, um das Gewünschte zu kaufen.
Echter Herzenswunsch oder Modetrend?
Ob das Kind zu einer Eigenleistung oder zum Warten bereit ist, sagt viel darüber aus, ob hinter dem Wunsch mehr steht, als eine vorübergehende Lust oder Mode. Gemeinsam mit dem Kind sollte man überlegen, ob sich der Aufwand für diesen speziellen Wunsch lohnt: Freut man sich über das jetzt so heiß begehrte Spielzeug auch in vier Monaten noch, oder ist dann wahrscheinlich schon wieder etwas ganz anderes in? Ist das Puppenschloss oder Rennauto tatsächlich genauso toll, wie es in der Werbung aussieht?
Ernst nehmen sollte man die Wünsche der Kinder immer. Und sich die Zeit nehmen zu ergründen, was dahinter steckt. Sehr häufig steht hinter einem materiellen Wunsch der noch viel größere Wunsch dazuzugehören. Kinder wollen so sein wie alle anderen und folglich "brauchen" sie die gleichen Spielsachen und die gleichen Klamotten und Ranzen wie die Schulfreunde. Das sollte man aber nicht als oberflächliches Nachmachen abtun.
Materielle Wünsche – nach Anerkennung
Für ein Kind kann es sehr wichtig sein, genau wie alle anderen auch Sammelkarten zu besitzen, damit es in der Pause mitspielen kann und nicht allein in einer Ecke steht. Und wenn unbedingt die Schuhe einer bestimmten Marke gekauft werden sollen, kann man darauf wetten, dass sie im Freundeskreis ein Must-have sind.
Hier muss man abwägen: Ist das Kind gerade in einer schwierigen Phase, wo es darum kämpfen muss, dazuzugehören? Oder ist der Sprössling selbstbewusst genug sich zu positionieren, ganz egal, welche Klamotten er trägt? Kann der Wunsch nach Anerkennung vielleicht auch anders erfüllt werden? Etwa durch gute sportliche Leistungen oder Hilfsbereitschaft?
Ob die Schuhe dann letztlich gekauft werden, ist gar nicht so entscheidend. Wichtig ist vielmehr, dass das Kind erfährt: Die Eltern nehmen sich Zeit und setzen sich mit meinen Wünschen auseinander. Zugleich lernt es, seine Wünsche zu hinterfragen und selbst zu entscheiden, wie wichtig sie ihm wirklich sind. Damit schenken Eltern ihren Kindern bereits sehr viel – ein Stück Autonomie.
Tipps für Eltern zum 'Geschenkmanagement'
Nicht übertreiben
Das richtige Maß zu finden, fällt vielen Eltern und Großeltern schwer. Doch ein Fahrrad vom Nikolaus ist wenig sinnvoll, wie will man diese Gabe noch steigern? Am besten spricht man sich für alle Gelegenheiten im Jahreskreis mit den Hauptschenkern der Familie ab. Eltern haben das letzte Wort.
Sich Mühe geben
Sollen die Augen des Beschenken strahlen, kann man nicht einfach losrennen und irgendetwas kaufen. Wichtige Vorüberlegungen sind: Was ist altersgerecht? Womit beschäftigt sich das Kind besonders gern? Spielt es lieber drinnen oder draußen? Lieber ruhig oder ausgelassen? Kann man eine Ergänzung zu schon vorhandenem Spielzeug schenken? Lesen Sie dazu auch: Welches Spielzeug für welches Alter? Geschenk-Ideen für Kinder von 0 bis 11 Jahren
Geldgeschenke
Hier scheiden sich die Geister: Viele größere Kinder haben am liebsten Geldgeschenke, weil sie sich damit ihre Wünsche dann selbst erfüllen können. Und Erwachsenen fällt es oft schwer, mit den flott wechselnden Vorlieben der Heranwachsenden Schritt zu halten. So passiert es schnell, dass man etwas schenkt, das noch vor einem halben Jahr total angesagt war, jetzt aber wieder out ist.
Andererseits gilt Geld als Verlegenheitsgeschenk, der Schenkende scheint sich keine Mühe gegeben zu haben. Der Kompromiss: Ein kleines Geschenk plus ein Schein fürs Sparschwein. Oder man schenkt einen Gutschein fürs Kino, den Buchladen oder zum Downloaden von Musik und Filmen.
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