Hitzewellen, Überflutungen, Krankheitserreger und Ernteausfälle: Der Klimawandel ist eine Gefahr für die Gesundheit. Besonders Kinder sind bedroht, warnen Forscher jetzt – kurz vor der UN-Klimakonferenz in Madrid. Der Jahresbericht des Klimaforschungsprojekts "The Lancet Countdown" stellt fest: Wenn der CO2-Ausstoß wie bisher weitergeht, wird ein heute geborenes Kind an seinem 71. Geburtstag im Schnitt in einer um vier Grad wärmeren Welt leben.
"The Lancet Countdown" ist der jährliche Bericht einer Arbeitsgemeinschaft von rund 120 Wissenschaftlern aus 35 Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der Weltbank und Universitäten. Die Studie zu den gesundheitlichen Folgen der Erderwärmung wurde im Fachjournal "The Lancet" veröffentlicht. Der Bericht bestätigt die Notwendigkeit des Engagements der vor allem jugendlichen Klimaaktivisten, mehr im Kampf gegen den Klimawandel zu unternehmen.
Klimawandel: Kinder sind bedroht
Für Kinder ist der Klimawandel deshalb so gefährlich, weil ihr Körper und ihr Immunsystem sich noch in der Entwicklung befinden. Kinder sind am anfälligsten für Umweltschadstoffe und Krankheiten wie beispielsweise Durchfallerkrankungen. "Der Schaden, der in der frühen Kindheit angerichtet wurde, hält ein Leben lang an. Ohne sofortiges Handeln aller Länder wird der Klimawandel die Gesundheit einer ganzen Generation bestimmen", so Nick Watts, Geschäftsführer des Lancet Countdown.
Infektionskrankheiten: Für Kinder besonders gefährlich
Die Wissenschaftler untersuchten 41 Indikatoren, darunter auch die Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Ihre Feststellung: Wenn die Temperaturen weiter steigen, breiten sich Infektionskrankheiten schneller und leichter aus und dringen auch in Gebiete vor, in denen sie bislang nicht vorkamen. "Angeheizt durch den Klimawandel ist Dengue-Fieber die am schnellsten verbreitete der durch Mücken übertragbaren Viruserkrankungen der Welt", so die Autoren. Schon heute sei etwa die Hälfte der Weltbevölkerung gefährdet. Auch bei uns steigen die Gefahren: So hat sich die Zahl der Tage, an denen man sich beim Baden in der Ostsee mit Vibrion-Bakterien anstecken kann, in den letzten knapp 40 Jahren verdoppelt. Vibrionen können Durchfallerkrankungen und Wundinfektionen verursachen.
Mehr Ernteausfälle, Waldbrände und Überschwemmungen
In tropischen Regionen kommt es immer häufiger zu Ernterückgängen und –ausfällen. Lebensmittelknappheit wird weltweit zu einem immer größeren Problem werden. Die Prognose: Mit jedem Grad mehr sinkt die Weizenernte um sechs Prozent. Vor allem Kinder und Jugendliche, die für ihre Entwicklung eine ausgewogene, gesunde und ausreichende Ernährung benötigen, sind von künftigen Lebensmittelkrisen bedroht.
Auch Luftverschmutzung, Waldbrände, Hitzewellen und Überschwemmungen werden zunehmen und die menschliche Gesundheit bedrohen – und zwar nicht nur in tropischen Regionen, sondern auch bei uns.
Gegenentwurf ist noch möglich
Die Wissenschaftler verdeutlichen in ihrem Bericht, dass wir Menschen, wenn wir mit unserem "Business as usual" weitermachen wie bisher, mit gravierenden Folgen zu rechnen haben. Noch sei es aber nicht zu spät, einige der Trends umzukehren. Würden die Ziele des Pariser Klimaabkommens eingehalten und die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt, könnte die Welt künftig auch anders aussehen: Dann könnte ein heute geborenes Kind mit sechs Jahren den Kohleausstieg in England erleben, mit 21 Jahren wäre es dabei, wenn Frankreich den Verkauf aller Benzin- und Dieselfahrzeuge verbietet. Und im Alter von 31 Jahren könnten heute Geborene Zeuge werden, wenn nur noch so viel CO2 produziert wird, wie von der Natur oder mit technischen Neuerungen aufgenommen werden kann.
"Wir müssen den Kindern zuhören und antworten"
Hugh Montgomery, Professor am University College London, Co-Vorsitzender des Lancet Countdown, sagte bei der Veröffentlichung des Berichts: "Unsere Kinder erkennen den Klimanotfall und fordern Maßnahmen, um sie zu schützen. Wir müssen zuhören und antworten. In diesem Jahr sind die sich beschleunigenden Auswirkungen des Klimawandels klarer denn je. Die höchsten registrierten Temperaturen in Westeuropa und Waldbrände in Sibirien, Queensland und Kalifornien lösten Asthma, Atemwegsinfektionen und Hitzschlag aus". Und auch Stella Hartinger von der Cayetano Heredia University in Peru und Co-Autorin des Lancet Countdown fordert: "Der Weg, den die Welt heute wählt, wird die Zukunft unserer Kinder unwiderruflich markieren. Wir müssen auf die Millionen junger Menschen hören, die die Welle der Schulstreiks für dringende Maßnahmen angeführt haben".
Die Autoren fordern, dass die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels auf der UN-Klimakonferenz 2019 (2. bis 13. Dezember 2019) in Madrid ganz oben auf der Tagesordnung stehen.
Quelle: The Lancet
Weiterlesen auf oekotest.de: