- Wir haben 25 weiße Wandfarben für Innenräume überprüft. 19 davon sind Dispersions- bzw. Dispersionssilikatfarben, sechs sind Natur- bzw. Kalkfarben.
- In früheren Tests von Farben waren Konservierungsstoffe ein großes Problem. Inzwischen haben sich die Produkte verbessert.
- Ein paar Wandfarben im Test enthalten halogenorganische Verbindungen. Das Problem: Viele dieser Verbindungen gelten als allergieauslösend und reichern sich in der Umwelt an.
Aktualisiert am 13.10.2022 | Der Mensch suchte und fand seine Farben früher in der Natur. Jahrtausendelang nutzt er Anstrichmittel auf Basis von Kalk, Lehm und anderen Mineralen. Erst in der jüngeren Geschichte kamen industriell hergestellte Dispersionsfarben. Seit einigen Jahren liegen Kalkfarben jedoch wieder im Trend.
Kalkfarben sind Naturfarben. Anders als bei Bio-Lebensmitteln oder Naturkosmetik mit ihren bekannten Zertifikaten ist bei Anstrichmitteln aber unklarer definiert, wann es sich um Naturfarben handelt. Beim Einkauf kommt erschwerend hinzu, dass Volldeklarationen nicht verpflichtend sind.
Was sind Kalkfarben?
Ist die Definition auch nicht ganz eindeutig, eines ist klar: Nichts zu suchen haben in einer Naturfarbe synthetische, petrochemisch gewonnene Stoffe wie Acryl- oder Kunststoffharze. Grundlage für eine Naturfarbe sollten nachwachsende oder mineralische Rohstoffe sein. Das fordern auch die relativ kurz gehaltenen Richtlinien des Internationalen Verbands der Naturbaustoffhersteller (InVeNa), dessen Siegel einige Produkte tragen.
Kalk gehört zu den historisch ältesten Wandbeschichtungen. Die gute Feuchteregulierung hat der Naturfarbe zu einer Renaissance verholfen. Kalk ist stark alkalisch (pH-Wert größer als 12), was Schimmel und Bakterien kaum eine Chance lässt. Auch ihre Ästhetik mit einem matten, leicht durchscheinenden, etwas wolkigen Weiß findet wieder zunehmend Gefallen.
Kalk- und Dispersionsfarben im Test: Obi, Alpina & Co. im Vergleich
Im Gegensatz zu Naturfarben enthalten Dispersionsfarben neben Mineralen (Pigmenten) beispielsweise Kunststoffe oder Kunstharze. Um die Farben schon im Behälter vor einem Befall mit Keimen, Bakterien oder Pilzen zu schützen, kamen in der Vergangenheit häufig umstrittene Konservierungsmittel zum Einsatz. Das zeigten unsere Tests. Inzwischen sind die Konservierer aber ein kleineres Problem.
Damit sind wir bei den Testergebnissen unserer aktuellen Überprüfung. Wir haben 25 weiße Wandfarben eingekauft und in die Labore geschickt: 19 Dispersionsfarben und sechs Kalkfarben.
Sind Konservierer ein Problem?
Isothiazolinone kritisierten wir in früheren Tests häufig. Hersteller setzen die Verbindungen als Konservierungsstoffe ein, um die Farben schon im Behälter vor einem Befall mit Keimen, Bakterien oder Pilzen zu schützen. Das Problem: Immer mehr Menschen reagieren darauf allergisch. In Kosmetik, die auf der Haut verbleibt, sind sie längst verboten. In Farben und Lacken jedoch noch nicht.
14 der 19 Dispersionsfarben in diesem Test tragen das Gütesiegel Blauer Engel. Das Bundesumweltministerium verschärfte 2019 die Kriterien für das von ihm getragene Siegel: In "emissionsfreien Innenwandfarben", die das Umweltzeichen tragen wollen, dürfen Hersteller seitdem keine Konservierungsmittel mehr einsetzen. Ausnahme sind geringe Spuren von Isothiazolinonen.
Die Richtlinien des Blauen Engels sind zwar nicht allgemein verpflichtend, geben aber Hinweise, was technisch machbar ist. Daher orientieren wir uns an ihnen. In zwei Wandfarben im Test wies das von uns beauftragte Labor Benzisothiazolinon (BIT) nach. Die gemessenen Gehalte lagen jeweils über den für den Blauen Engel zulässigen 10 mg/kg.
Haut- und Augenreizungen sind möglich
Um die Farben konservierungsmittelfrei zu halten, verfügen die Hersteller über eine Stellschraube: Sie können sie mit einem hohen alkalischen pH-Wert haltbar machen. Wir ließen die pH-Werte bestimmen. Er lag zwischen rund 11 und 13.
Zum Vergleich: Seife hat einen pH-Wert von 9 bis 10. Da Haut- und Augenreizungen bei solchen Werten möglich sind, ist es ratsam, bei der Verarbeitung Schutzbrille und Schutzhandschuhe zu tragen.
Entsprechende Warnhinweise finden sich auf den Produkten. Auch sollte man beim Streichen die Böden gut auslegen: Die reizenden Farbtröpfchen können hässliche Flecken auf Parkett und anderen empfindlichen Böden hinterlassen.
Verunreinigungen in weißen Wandfarben im Test
Während Warnhinweise auf die Produkte gehören, sollten Verunreinigungen besser vermieden werden. In drei weißen Wandfarben wies ein beauftragtes Labor halogenorganische Verbindungen nach.
Das Problem: Zu dieser umstrittenen Stoffgruppe gehören allergieauslösende oder sich in der Umwelt anreichernde Verbindungen. Manche haben eine konservierende Wirkung. Aussagen darüber, welche ganz konkreten Verbindungen enthalten sind, lässt das Analysenverfahren leider nicht zu.
Die Farbenhersteller setzen halogenorganische Verbindungen nicht gezielt in ihren Rezepturen ein. Sie können jedoch beispielsweise über Verunreinigungen in einem Vorrohstoff hineingeraten, etwa wenn dieser mit einer chlorierten Isothiazolinonverbindung konserviert ist.
Ist Titandioxid in Wandfarbe gefährlich?
Alle Dispersionsfarben und die Hälfte der Kalkfarben im Test enthalten Titandioxid. Es ist ein Weißpigment mit sehr hoher Deckkraft. Nicht immer ist es auf den Gebinden deklariert, es wird etwa als "mineralisches Weißpigment" umschrieben. Das Technische Informationsblatt nennt die konkrete Bezeichnung.
Obwohl Kalkfarben auf einem weißen Mineral basieren, enthalten auch sie häufig Titandioxid. Grund: Bei ihnen dauert die Aushärtung länger. Für eine höhere Deckkraft schon im Nasszustand setzen Hersteller deshalb auch in ihnen Titandioxid ein. Eine Alternative ist Marmormehl, das jedoch schwächer deckt.
Die Europäische Chemikalienagentur ECHA stuft Titandioxid als krebsverdächtig ein. Solange es in den flüssigen oder getrockneten Farben gebunden ist, stellt es keine Gefahr dar.
Ein Risiko besteht allerdings beim Einatmen. Deshalb müssen die Farbeimer den Warnhinweis tragen: "Achtung! Beim Sprühen können gefährliche lungengängige Tröpfchen entstehen. Aerosol oder Nebel nicht einatmen."
Inhaltsstoffe auf weißen Wandfarben deklarieren
Apropos Deklaration. Die Anbieter sind gesetzlich nicht zu einer Volldeklaration auf den Verpackungen verpflichtet. Verbraucherinnen und Verbraucher können sie dem Technischen Informationsblatt entnehmen, das sie auf Anfrage beim Anbieter erhalten oder im Internet herunterladen können.
Wir halten das für wenig verbraucherfreundlich und werten das Fehlen der Angabe von Inhaltsstoffen auf den Behältern der weißen Wandfarben ab.
Angaben zu Nassabriebfestigkeit und Deckkraft nach Klassen finden sich auf den Verpackungen aller Dispersionsfarben im Test. Auf Kalkfarben lässt sich die Klassifizierung nicht anwenden, da die Aushärtung von mineralischen Farben über einen längeren Zeitraum von bis zu mehreren Wochen erfolgt.
Behälter bestehen selten aus recycelten Kunststoffen
Enttäuschend: Nur für sechs der 25 weißen Wandfarben im Test legten uns die Anbieter einen Nachweis vor, dass die Kunststoffbehälter Anteile an Post-Consumer-Rezyklaten (PCR) aus der Wertstoffsammlung enthalten. Gemeint sind: Recycelte Kunststoffe.
Das ist eine magere Ausbeute – vor allem im Vergleich zu anderen unserer Tests, etwa von Reinigungsmitteln oder Kosmetika. Immerhin kündigten viele Anbieter an, künftig PCR in ihren Verpackungen einsetzen zu wollen.
Tipps zum Streichen mit weißer Wandfarbe
Worauf Sie beim Streichen achten sollten:
- Beim Streichen Handschuhe und Schutzbrille tragen. Die Farben können Haut und Augen reizen. Beim Sprühen wegen der Aerosole Schutzmaske anziehen.
- Auch bei emissionsarmen Farben gilt: Nach dem Streichen gut lüften.
- Bei reinen Kalkfarben gilt: Die Verarbeitung ist nicht ganz einfach. Geeignete Untergründe müssen saugfähig und frei von trennenden Substanzen sein, es eignen sich zum Beispiel Kalk- und Lehmputze, Kalksandstein, Porenbeton und Ziegel.
Diesen Test haben wir zuletzt im Ratgeber Bauen & Wohnen 2022 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2023 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.
Weiterlesen auf oekotest.de:
- Vliestapeten im Test: Acht fallen mit "ungenügend" durch
- Holzlasuren für außen: Eine "sehr gute" Holzschutzlasur muss nicht viel kosten
- Wasserbasierte Lackfarben im Test: Nur ein Lack ist "gut"
- Kopfkissen im Test: Nicht alle überstehen Waschgänge unbeschadet
- Sanitär-Silikon im Test: Giftige zinnorganische Verbindungen ein Problem
- Grüne Wandfarbe im Test: Kritische Stoffe in 10 von 19 Farben