Frisches Obst und Gemüse steht gerade bei denjenigen hoch im Kurs, die auf eine gesunde Ernährung achten. Umso bedrohlicher, wenn darin plötzlich ein Stoff auftaucht, der bei einer ersten Internetrecherche allenfalls in Zusammenhang mit Schilddrüsenerkrankungen oder Raketentreibstoffen erwähnt wird. Doch so unbekannt ist der Stoff, um den es hier geht, gar nicht. Perchlorate wurden bereits vor zehn Jahren von US-Wissenschaftlern in Trinkwasser und Lebensmitteln untersucht und bewertet. In Europa passierte lange Zeit nichts, bis das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUAS) 2012 eine Untersuchungsmethode auf die Beine stellte und erste Proben analysierte. Im März dieses Jahres war es erneut das CVUAS, das Meldungen zu überhöhten Perchloratfunden in Tomaten in das europäische Schnellwarnsystem stellte.
Chemisch betrachtet handelt es sich bei Perchloraten um Salze der Perchlorsäure. Sie gelangen hauptsächlich durch den Menschen in die Umwelt, können aber auch natürlichen Ursprungs sein. So bildet sich die Substanz durch oxidative Vorgänge in der Atmosphäre und wird mit Staub auf der Erdoberfläche abgelagert. Das führt in trockenen Gebieten wie der chilenischen Atacamawüste zu einer Anreicherung, was erklärt, weshalb der dort abgebaute Dünger Chilesalpeter mit Perchlorat verunreinigt sein kann. Ob dies für die aktuellen Perchloratfunde in Obst und Gemüse von Bedeutung ist, ist noch unklar. Klar ist aber, dass sich hohe Perchloratgehalte in Lebensmitteln fast immer auf verunreinigte Mineraldünger zurückführen ließen.
Doch nicht immer konnten Dünger als Ursache festgemacht werden, weshalb es weitere Eintragspfade geben muss. Da Perchlorat sehr gut wasserlöslich ist, wird kontaminiertes Wasser vermutet, das zur Bewässerung eingesetzt wird. Die Kontaminante könnte sich in den wasserhaltigen Teilen der Früchte anreichern - oder aber auf Schalen und Blätter heften, wenn Beregnungsanlagen im Spiel sind. Auch chloriertes Trinkwasser oder die direkte Chlorierung zur Entkeimung, etwa von Blattsalaten, wären denkbar - wobei die Chlorierung von Lebensmitteln in Europa nicht erlaubt ist.
Doch wie schädlich ist Perchlorat? Aus der Medizin weiß man, dass hohe Dosen die Jodaufnahme in die Schilddrüse hemmen. Perchlorat wird deshalb als Medikament zur Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen eingesetzt. In einer US-Studie mit 37 gesunden Erwachsenen kam allerdings heraus, dass auch sehr viel geringere Perchloratgaben - wie sie in Lebensmitteln gefunden werden - die Jodaufnahme blockieren können. Der Effekt ist allerdings nur von kurzer Dauer, da Perchlorat relativ schnell ausgeschieden wird und sich nicht anreichert.
Dennoch stellt sich die Frage, ob die vorübergehende Unterversorgung der Schilddrüse mit Jod auch zu weniger Schilddrüsenhormonen im Blut führt. Das wäre gerade für Kinder problematisch, da das Wachstum und die Hirnentwicklung entscheidend von der Schilddrüse beeinflusst w...