Schadstoff Acrylamid: Worin er steckt und wie man ihn vermeiden kann

Autor: Ann-Cathrin Witte | Kategorie: Essen und Trinken | 25.04.2024

Acrylamid steckt in einer Vielzahl von Lebensmitteln, zum Beispiel Pommes, Knäckebrot, Kaffee oder Reiswaffeln.
Foto: New Africa/Shutterstock; Elena Kabenkina/Shutterstock; New Afrika/Shutterstock; Avocado_studio/Shutterstock

Acrylamid bildet sich natürlicherweise beim Backen, Braten und Frittieren von vielen stärkehaltigen Lebensmitteln. Das Problem: Der Stoff stellt ein potenzielles Gesundheitsrisiko dar. Mit ein paar einfachen Maßnahmen lässt sich seine Aufnahme aber zumindest verringern.

  • Acrylamid ist ein chemischer Stoff, der bei der Zubereitung von stärkehaltigen Lebensmitteln, wie Kartoffelchips oder Pommes frites, bei hohen Temperaturen entsteht.
  • Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) stuft den Stoff seit 2015 als potentiell krebserregend ein.
  • Mit verschiedenen Maßnahmen lässt sich die Aufnahme von Acrylamid verringern. Dazu zählt auch eine ausgewogene Ernährung.

Zum Fernsehabend auf der Couch gehört die Tüte Kartoffelchips häufig dazu. Und der Schwimmbadbesuch wird durch die Portion Pommes mit Mayo oder Ketchup gleich noch besser. Dass diese Dinge nicht unbedingt gesund für uns sind, wissen wir. Wer dabei an zu viel Fett und Salz denkt, liegt aber nur fast richtig. Denn, wir konsumieren dabei leider auch jede Menge Acrylamid.

Was ist Acrylamid?

Hinter dem Begriff Acrylamid versteckt sich ein chemischer Stoff, der sich in kohlenhydratreichen Lebensmitteln bilden kann, wenn sie stark erhitzt werden, zum Beispiel beim Backen, Braten oder Rösten. Er bildet sich aus Zuckern wie Glucose und Fructose sowie der Aminosäure Asparagin, die bei Temperaturen ab 120 Grad Celsius miteinander reagieren. Ab Temperaturen von 170 bis 180 Grad Celsius steigt die Acrylamid-Bildung sogar sprunghaft an. 

Acrylamid steckt unter anderem auch in Kartoffelchips.
Acrylamid steckt unter anderem auch in Kartoffelchips. (Foto: Oleg Krugliak/Shutterstock )

In diesen Lebensmitteln steckt Acrylamid

Acrylamid kommt deswegen häufig in gebratenen oder frittierten Kartoffelprodukten, wie Chips, Pommes oder Kroketten, aber auch in Getreideerzeugnissen, wie Toast, Knäckebrot oder Keksen vor. Doch auch in Kaffee und Nüssen kann Acrylamid stecken. Für die meisten Erwachsenen ist, laut der Verbraucherzentrale, der tägliche Kaffee eine der Hauptaufnahmequellen für den Stoff. Auch ÖKO-TEST stößt in Lebensmittel-Tests immer wieder auf Acrylamid.

Hier ein Überblick: 

  • Kartoffelchips: In fast jeder zweiten Chipspackung stieß das beauftragte Labor auf aus unserer Sicht erhöhte oder stark erhöhte Werte von Acrylamid. Das betraf vor allem Bio-Produkte. Acrylamidfrei war kein einziges Produkt.
  • Auch im Reiswaffel-Test kritisierten wir Acrylamid in sechs Produkten.
  • Cornflakes, Dinkelflakes & Co.: In 33 von 48 getesteten Frühstücksflakes steckte Acrylamid. Achtmal bewerteten wir die Gehalte als "erhöht", fünfmal sogar als "stark erhöht".
  • Brotbackmischungen: Aus beinahe allen Brotbackmischungen im Test entstanden beim Backen Brote mit Acrylamid. Häufig nur in Spuren, doch in acht Fällen war der Gehalt nach ÖKO-TEST-Kriterien "erhöht" bis "stark erhöht".
  • In unserem Test von gemahlenem Kaffee bewerteten die Acrylamid-Gehalte in 13 von 20 Kaffeesorten als "erhöht".
  • Knäckebrot: Rund drei Viertel der getesteten Knäckebrote waren aus unserer Sicht zu stark mit Acrylamid belastet.

Darum steht Acrylamid in der Kritik

Doch warum kritisieren wir den Stoff überhaupt? Acrylamid gilt als möglicherweise krebserregend. Zu diesem Urteil kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem wissenschaftlichen Gutachten von 2015. Besonders bedenklich ist das Stoffwechselprodukt Glycidamid, das bei der Umwandlung von Acrylamid in unserem Magen-Darm-Trakt entsteht. In Tierversuchen hat sich Glycidamid als der wahrscheinlichste Auslöser von Tumoren und Genmutationen herausgestellt.

Aufgrund dieser Ergebnisse kommt die EFSA zu dem Schluss, dass es für Acrylamid in Lebensmitteln keine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge geben kann. Das wiederum ist bedenklich, weil Acrylamid in einer Vielzahl alltäglicher Lebensmittel natürlicherweise vorkommt. Vor allem für Kinder stellt dies ein Risiko dar, da sie, bezogen auf ihr Körpergewicht, schneller größere Mengen an Acrylamid aufnehmen könnten.

Rechtlicher Rahmen

Der Beurteilung durch die EFSA folgte 2018 eine EU-Verordnung zu Acrylamid in Lebensmitteln. Sie richtet sich an Unternehmen wie Lebensmittelhersteller, Bäckereien, Restaurants und Imbisse. Diese Betriebe werden durch die Verordnung verpflichtet, Maßnahmen zur Reduzierung des Acrylamidgehalts in ihren Produkten zu ergreifen.

Die drei wichtigsten Maßnahmen sind:

  1. In der Produktion sollen möglichst Rohstoffsorten mit wenig reduzierenden Zuckern verarbeitet werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Hersteller von frittierten Kartoffelprodukten bereits bei der Wahl der Kartoffelsorten darauf achten, dass diese möglichst niedrige Zucker- und Asparaginwerte enthalten. 

  2. Die Zubereitung der Produkte soll bei möglichst niedrigen Temperaturen erfolgen. Im Fall von Pommes frites oder "anderen geschnittenen frittierten oder im Ofen gebackenen Kartoffel- /Erdapfelerzeugnissen" empfiehlt die EU-Verordnung zum Beispiel eine Frittiertemperatur von 160-175 Grad Celsius und eine Backofentemperatur von 180-220 Grad Celsius.

  3. Die hergestellten Lebensmittel sollen nur so stark gebräunt werden wie nötig. Die ideale Bräune wird im Gesetzestext als "goldgelb" definiert. 

Darüber hinaus legt die EU-Verordnung auch Richtwerte für die Acrylamidgehalte bestimmter Lebensmittel fest, die regelmäßig von den Unternehmen selber und von unabhängigen Behörden überprüft werden sollen.

Acrylamid steckt zum Beispiel auch in Pommes frites.
Acrylamid steckt zum Beispiel auch in Pommes frites. (Foto: guys_who_shoot/rfranca)

Was sagt ÖKO-TEST?

Angesichts der gesundheitlichen Risiken setzt sich auch ÖKO-TEST für eine Verringerung der Acrylamid-Gehalte in Lebensmitteln ein.

Dr. Jürgen Steinert, stellvertretender Chefredakteur bei ÖKO-TEST, erläutert: "Seit 2002, als schwedische Wissenschaftler Acrylamid in verschiedenen Lebensmitteln nachwiesen, lässt auch ÖKO-TEST immer wieder Produkte auf diesen Schadstoff analysieren. Auch wenn sich die Bildung von dieser erbgutverändernden und möglicherweise krebserregenden Substanz beim Backen, Braten oder Frittieren nicht ganz vermeiden lässt, gilt es doch, die Belastung von Lebensmitteln mit diesem toxischen Stoff zu minimieren. Die per EU-Verordnung 2018 in Kraft getretenen Minimierungsmaßnahmen und Richtwerte gehen in die richtige Richtung – und zeigen Wirkung, die Acrylamidgehalte sinken. Nichtsdestotrotz bleiben gesetzlich verpflichtende Grenzwerte wünschenswert."

Wie lässt sich Acrylamid vermeiden?

Acrylamid steckt jedoch nicht nur in Fertiglebensmitteln, sondern kann auch zu Hause beim Backen und Braten in der eigenen Küche entstehen. Um die Aufnahme von Acrylamid möglichst gering zu halten, empfehlen sich folgende Maßnahmen: 

  1. Stark belastete Produkte wie Pommes frites oder Chips nur selten konsumieren.
  2. Auf Garmethoden wie Kochen, Dämpfen oder Sautieren setzen. In so zubereiteten Lebensmitteln ist bisher kein Acrylamid nachgewiesen worden.
  3. Lebensmittel wie Toastbrot, Aufbackbrötchen & Co. "vergolden" statt "verkohlen": Das heißt, sie sollten nur so lange wie nötig und so niedrig wie möglich erhitzt werden. 
  4. Backpapier oder Backmatten verhindern, dass Lebensmittel auf Backblechen und in Kuchenformen zu stark anbräunen.
  5. Auch bei selbst gemachten Plätzchen gilt: Hell gebackene Kekse enthalten weniger Acrylamid als stark gebräuntes Gebäck.
  6. Ein Ei oder Eigelb im Teig verringert die Bildung von Acrylamid. Zutaten wie Hirschhornsalz oder geröstete Mandeln können den Acrylamidgehalt der Plätzchen dagegen ansteigen lassen.
  7. Kartoffeln nicht im Kühlschrank aufbewahren. Durch die Lagerung im Kühlschrank entsteht in den Kartoffeln mehr Zucker, was wiederum zu einer erhöhten Acrylamidbildung bei der Zubereitung führen kann.

Weiteren Tipps finden Sie auch auf der Website der Verbraucherzentrale. 

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