Bundesamt will Grenzwert für Pestizid Folpet massiv erhöhen

Autor: Beatrice Maisch | Kategorie: Essen und Trinken | 26.08.2024

Bundesamt will Grenzwert für Pestizid Folpet massiv erhöhen
Foto: krolya25/Shutterstock

Äpfel in der Bodenseeregion sind diese Saison stärker als sonst von Apfelschorf befallen. Damit die Obstbauern den Schorf bekämpfen können, will das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den Grenzwert für das Pestizid Folpet massiv erhöhen. Das stößt auf Kritik. Außerdem: Was Verbraucherinnen und Verbraucher tun können. 

Die Äpfel in der Bodenseeregion sind dieses Jahr stärker als sonst von Apfelschorf befallen. Der Grund liegt in den außergewöhnlich vielen Regenfällen. Um den Schorf zu bekämpfen, möchte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den Grenzwert für das Pestizid Folpet um das 20-fache erhöhen. Doch Folpet ist gesundheitsschädlicher als der Apfelschorf selbst. Dieser Fall weist auf die Herausforderungen des Klimawandels hin und zeigt, wie unsinnig kurzfristiger Aktionismus sein kann.

Klimakrise verursacht Extremwetter

Es lässt sich nicht sagen, ob die aktuelle Situation am Bodensee unmittelbar mit dem Klimawandel zusammenhängt. Doch sie steht beispielhaft für die damit einhergehenden Herausforderungen. Denn Apfelschorf gehört zu den Pilzen, die bei Wärme und Feuchtigkeit besonders gut gedeihen. Die Klimakrise wird in vielen Regionen zu genau diesen ökologischen Bedingungen führen.

Aufgrund der hohen Temperaturen verdampft mehr Wasser, etwa aus den aufgeheizten Meeren in Südeuropa. Da warme Luft mehr Feuchtigkeit speichert, bilden sich im Verlauf starke Regenwolken. Wenn diese über Land ziehen, stauen sie sich vor allem in bergigen Regionen, wo es dann zu heftigen Niederschlägen kommt. Davon ist zum Beispiel die Alpenregion besonders betroffen. Und auch in den nördlichen Regionen wird es immer wärmer. Unter diesen Bedingungen breiten sich nicht nur Pilze, sondern auch Schädlinge wie Wanzen oder Käfer, immer weiter aus.

Mehr Pestizide sind keine Lösung

Häufig reagieren die Landwirte auf dieses Problem mit einem erhöhten Einsatz von Pestiziden. Dieser Weg wir jetzt von der Politik unterstützt: Damit die Obstbauern am Bodensee den Apfelschorf bekämpfen können, will das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) den bisherigen, EU-weit geltenden Grenzwert für das Pestizid Folpet in Kernobst von 0,3 Milligramm auf 6 Milligramm pro Kilogramm erhöhen.

Der erhöhte Grenzwert soll nur für diese Saison und nur in Deutschland gelten. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) weist darauf hin, dass in den anderen EU-Ländern der bisherige Grenzwert weiterhin gilt und die Äpfel somit dort nicht verkehrsfähig sind.

Folpet: Verdacht auf krebserregende Wirkung

Folpet zählt zur Wirkstoffgruppe der Phthalimide. Der Stoff wird seit den 1950er-Jahren als Pestizid angewendet. Er wirkt fungizid, das bedeutet, dass er pilzliche Schaderreger abtötet. Das in der Landwirtschaft aktuell verwendete Produkt mit dem Wirkstoff Folpet heißt Folpan. In der Zulassung von Folpan durch das BVL im Jahr 2018 stehen unter anderem die Einschätzungen "Verdacht auf krebserzeugende Wirkung" und "sehr giftig für Wasserorganismen".

Apfelschorf ist gesundheitlich unbedenklich

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert die geplante "Notfallgenehmigung" scharf: Apfelschorf sei ein rein ästhetisches Problem ohne gesundheitliche Auswirkungen. Die Äpfel ließen sich lediglich nicht so lange lagern, da die Schorfstellen rissig werden können. Apfelschorf ist an dunkelgrünen oder braunen Flecken auf dem Obst erkennbar. Wer den Schorf nicht mitessen möchte, kann die betroffenen Stellen entfernen.

Verursacht wird Apfelschorf durch den Schorfpilz Venturia inaequalis. Die Pilzsporen überwintern im Fallobst und Falllaub. Durch den Wind verteilen sie sich im Frühjahr und lassen sich auf den Apfelblättern nieder. Bei hoher Feuchtigkeit und Temperaturen von über zehn Grad breiten sich die Sporen auf Blättern und Früchten aus.

Der BUND nennt geeignete, langfristige Maßnahmen, um sich auf die klimatischen Veränderungen einzustellen. So lässt sich Apfelschorf beispielsweise vermeiden oder reduzieren, indem widerstandsfähige Apfelsorten angebaut und die Bäume regelmäßig geschnitten werden, um sie gut zu belüften. Zudem empfiehlt es sich, das Falllaub zu beseitigen, in dem die Sporen überwintern.

Was makellos aussieht, ist oft nicht gesund

Auch die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher können dazu beitragen, dass Pestizide nicht aus ästhetischen Gründen eingesetzt werden – indem sie auch Obst und Gemüse mit natürlichen "Schönheitsfehlern" kaufen. Bisher bleibt Ware mit kleinen Dellen, Runzeln oder selbst nur mit unregelmäßiger Form in den Supermarktregalen liegen.

Dieses Kaufverhalten begründet politische Entscheidungen wie die aktuelle "Notfallgenehmigung" – und steigert die Pestizidbelastung unserer Lebensmittel. Wir haben es also buchstäblich selbst in der Hand, wie gesund unser Obst und Gemüse ist.

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