Ciao statt Helau: Spritzgifte in Berlinern verderben den Genuss

Magazin März 2025: Schwarzer Pfeffer | Autor: Vanessa Christa/Marieke Mariani/Lena Wenzel | Kategorie: Essen und Trinken | 27.02.2025

Berliner im Test: Wir haben elf Berliner getestet.
Foto: hlphoto/Shutterstock

Sie gehören zur fünften Jahreszeit gehören wie Kalauer und Konfetti. Über ihren Namen lässt sich gut streiten. Nach unserem Test von Berlinern kommt aber leider keine Feierlaune auf. Kein Produkt kann mit seinen Inhaltsstoffen rundum überzeugen. 

  • Wir haben elf Berliner untersucht. Vier davon haben wir in deutschlandweit gelisteten Bäckereiketten eingekauft, bei den anderen Produkten handelt es sich um abgepackte Ware aus Supermärkten und Discountern.
  • Vier von elf Berlinern fallen mit "mangelhaft" oder "ungenügend" durch den Test.  
  • Der Genuss wird vor allem durch Pestizidrückstände getrübt. Mehrfach kritisieren wir aber auch enthaltene Phosphate und zugesetzte (natürliche) Aromen. 
  • Keine Überraschung ist wiederum, dass die meisten Berliner viel Zucker enthalten. Die Süßigkeit sollte deshalb besser nur zu besonderen Anlässen gegessen werden: Ein Kind überschreitet teilweise mit einem einzigen Berliner die von der WHO empfohlene maximale tägliche Zuckermenge.

Aktualisiert am 27.2.2025 | Ob zu Karneval, Fasching oder Fastnacht – ob als Berliner, Krapfen, Kreppel oder Pfannkuchen: In der fünften Jahreszeit ist das gezuckerte Siedegebäck mit Fruchtfüllung fast so etwas wie ein Grundnahrungsmittel. Vor allem in Norddeutschland sind sie auch zu Silvester eine beliebte Nascherei. Zwischen dem 11. November und dem Aschermittwoch werden entsprechend besonders viele Berliner verkauft – vor allem in den Hochburgen der Jecken und Narren.

Pünktlich zum Straßenkarneval verraten wir Ihnen, ob die elf gefüllten Berliner, die wir für unseren Test in Supermärkten und Bäckereifilialen gekauft haben, als süße Grundlage für den Rosenmontagszug taugen oder die Feierlaune doch eher trüben.

Mehrfachrückstände von Pestiziden in Berlinern

So viel vorweg: Partystimmung will beim Blick in die Tabelle nicht so recht aufkommen. Zucker und Fett sind dabei nicht einmal die Hauptkritikpunkte. Entgegen der Erwartungen haben die in Fett ausgebackenen Berliner laut Laboranalysen kein Problem mit Fettschadstoffen. Weniger erfreuliche Befunde lieferte hingegen die Untersuchung auf Pestizide.

In allen Proben hat das Labor Spuren mindestens eines Pestizids gefunden. Während geringe Spuren einer einzelnen Substanz aus unserer Sicht noch akzeptabel sind, werten wir Mehrfachrückstände ab. Der Grund: Es ist nicht abzuschätzen, welche Auswirkungen die Substanzen in Kombination auf den menschlichen Organismus haben können.

Kaum ein Gebäck weckt so viele Emotionen wie der Berliner. Grund dafür ist heute vor allem seine Bezeichnung, die sich hierzulande regional stark unterscheidet. Entsprechend beanspruchen viele Regionen auch die Erfindung des Hefegebäcks für sich.
Kaum ein Gebäck weckt so viele Emotionen wie der Berliner. Grund dafür ist heute vor allem seine Bezeichnung, die sich hierzulande regional stark unterscheidet. Entsprechend beanspruchen viele Regionen auch die Erfindung des Hefegebäcks für sich. (Foto: Zeitgugga6897/Shutterstock)

Mehrfach war unter den gefundenen Stoffen auch ein Abbauprodukt des als vermutlich krebserregend eingestuften Anti-Pilzmittels Captan. Dieser Metabolit ist zwar nicht mehr gesundheitsgefährdend – wohl aber das Pestizid Captan, auf das er zurückzuführen ist. Es schadet den Menschen in den Ursprungsländern, die beim Anbau der Rohstoffe damit in Kontakt kommen, weshalb wir seinen Einsatz kritisieren.

Das Labor ist auch auf das Insektizid Pirimiphosmethyl gestoßen, das bienengiftig ist. Es wird häufig bei der Lagerung von Getreide eingesetzt, um Schädlinge zu bekämpfen.

Gefüllte Berliner im Test: Jetzt Ergebnisse als ePaper kaufen

Berliner im Test enthalten viel Zucker

Keine wirklich große Überraschung ist der hohe Zuckergehalt der meisten Berliner, den man ihnen bereits von außen ansieht. Fast schon bemerkenswerter ist es da, dass vier Produkte so wenig Zucker enthalten, dass wir sie nicht abwerten.

Bei allen anderen Marken schöpft ein erwachsener Mensch allerdings schon mit dem Verzehr eines einzigen Berliners mehr als die Hälfte der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen maximalen täglichen Zuckeraufnahmemenge aus. Ein Grundschulkind dürfte entsprechend neben einem dieser Berliner an dem Tag überhaupt keinen Zucker mehr zu sich nehmen.

Der höchste Zuckergehalt im Test: 20,2 Gramm Zucker pro Stück. Das entspricht fast sieben Zuckerwürfeln.

Hohe Zuckergehalte lassen sich verringern

Uns ist klar, dass Berliner eine Süßigkeit sind und auch Verbraucherinnen und Verbraucher sie sicher nicht als gesunden Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung betrachten. Dennoch sind wir überzeugt, dass die Hersteller noch nicht an allen möglichen Stellschrauben gedreht haben, um die teils hohen Zuckergehalte zumindest etwas zu reduzieren.

Würde es statt einer Füllung mit Konfitüre, die einen vorgeschriebenen Zuckeranteil von mindestens 55 Prozent hat, vielleicht auch ein einfaches Fruchtmus tun?

Kritik an weiteren Inhaltsstoffen in Berlinern 

Neben viel zu viel Zucker müssen aus unserer Sicht auch (natürliche) Aromen in der Zutatenliste der Berliner nicht sein. Wir halten sie an dieser Stelle für unnötig, denn Zucker und süße Füllung tun schon genug für den Geschmack. Wozu braucht man da noch Aromen?

Auch in der Kritik: enthaltene Phosphate. Sie sind zwar bis zu einem gewissen Maß wichtig für die Knochen – eine zu hohe Aufnahme kann jedoch den Nieren schaden. Werden Phosphate als Backtriebmittel verwendet, könnten sie durch unbedenkliche Substanzen ersetzt werden, zum Beispiel Weinstein oder eine Mischung aus Natron und Zitronensäure.

Vereinzelt bemängeln wir außerdem Carboxymethylcellulose und gesättigte Mineralölkohlenwasserstoffe (MOSH/MOSH-Analoge). 

  • Carboxymethylcellulose führte hochdosiert in Tierversuchen zu entzündlichen Veränderungen der Darmflora. Die Unbedenklichkeit für den Menschen wurde bislang nicht belegt. Dass es anders geht, zeigen die Produkte im Test, die ohne diese aus unserer Sicht überflüssigen Zusatzstoffe auskommen.
  • MOSH/MOSH-Analoge reichern sich im menschlichen Fettgewebe, in Leber, Milz und den Lymphknoten an. Was sie dort anrichten, ist noch nicht ausreichend geklärt. Eine mögliche Eintragsquelle können in der Produktion eingesetzte Schmieröle sein – wir sehen hier die Hersteller in der Verantwortung, Eintragswege zu erkennen und auszuschließen.

Fettgehalt höher als deklariert

Zuguterletzt verteilen wir Minuspunkte für deutlich abweichende Fettgehalte. Das Labor hat teils bis zu 50 Prozent mehr Fett gemessen als dies auf der Verpackung bzw. der Nährwerttabelle in der Bäckerei-Filiale zu finden ist. Bei der Bewertung orientieren wir uns am EU-Leitfaden für Toleranzen zur Nährwertdeklaration für zuständige Behörden.

Dieser Test ist online erstmals am 21.2.2024 erschienen. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das ÖKO-TEST Magazin 3/25 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

Weiterlesen auf oekotest.de: 

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Für unseren Test haben wir elf Berliner eingekauft – vier davon in deutschlandweit gelisteten Bäckereiketten und sieben Mal abgepackte Ware aus Supermärkten und Discountern. Pro Stück bezahlten wir zwischen 37 Cent und 1,85 Euro.

Im Labor ließen wir die Transfettsäuren und andere Fettschadstoffe wie 3-MCPD und Glycidylfettsäureester bestimmen; außerdem die Säurezahl, polymere Triglyceride und polare Anteile als Fettkennzahlen. Auch ließen wir die Produkte auf Schimmelpilzgifte untersuchen. Das Prüfprogramm umfasste darüber hinaus gesättigte (MOSH/MOSH-Analoge) und aromatische (MOAH) Mineralölkohlenwasserstoffe sowie Pestizide, inklusive Glyphosat, Chlormequat und Mepiquat.

Per Deklaration erfassten und bewerteten wir Aromen sowie Phosphate, Carboxymethylcellulose und den deklarierten Zuckergehalt. Bei lose verkaufter Bäckereiware erfragten wir die Zutatenlisten, Nährwerte und Allergene beim Kauf in der Filiale. Standen sie dort nicht zur Verfügung, forderten wir sie beim Hersteller an. Um sie mit den deklarierten Werten abgleichen zu können, ließen wir die Fett- und Zuckergehalte bestimmen.

Bei loser Ware bestimmte das Labor darüber hinaus das Stückgewicht, das die Grundlage für die Angaben in der entsprechenden Tabelle darstellt. Sofern ein Nutri-Score auf der Verpackung abgedruckt war, überprüften wir diesen anhand der deklarierten Nährwerte – bei dem betreffenden Produkt war die Score-Einordnung korrekt dargestellt.

Bewertungslegende 

Soweit nicht abweichend angegeben, handelt es sich bei den hier genannten Abwertungsgrenzen nicht um gesetzliche Grenzwerte, sondern um solche, die von ÖKO-TEST festgesetzt wurden. Die Abwertungsgrenzen wurden von ÖKO-TEST eingedenk der sich aus spezifischen Untersuchungen ergebenden Messunsicherheiten und methodenimmanenter Varianzen festgelegt, zugrunde gelegt werden die gemessenen Gehalte. Steht bei konkret benannten Analyseergebnissen "nein", bedeutet das "unterhalb der Bestimmungsgrenze" der jeweiligen Testmethode. Bei Richt- und Orientierungswerten handelt es sich um rechtlich nicht bindende Werte, die eingehalten werden sollten, während rechtlich bindende Grenzwerte eingehalten werden müssen. MOSH/ MOSH-Analoge beinhalten gegebenenfalls auch POSH (Polyolefin Oligomeric Saturated Hydrocarbons), PAO (Poly Alpha Olefins) und MORE (Mineral Oil Refined Products).

Bewertung Testergebnis Inhaltsstoffe: Unter dem Testergebnis Inhaltsstoffe führt zur Abwertung um fünf Noten: bei loser Ware kein Zutatenverzeichnis in der Bäckerei einsehbar und auch auf Anfrage vom Hersteller nicht erhalten. Zur Abwertung um zwei Noten führt: ein gemessener Gehalt an MOSH/MOSH-Analogen der Kettenlängen C17 bis C35 von mehr als 2 bis 4 mg/kg (in Tabelle: "erhöht"). Zur Abwertung um jeweils eine Note führen: a) ein Mehrfachrückstand an zwei bis sechs Pestiziden, Metaboliten und/oder Wirkverstärkern; b) ein bis zwei besonders bedenkliche Pestizide oder deren Metabolite in gemessenen Gehalten von mehr als 0,01 mg/kg. Dabei orientieren wir uns an der Liste der hochgefährlichen Pestizide des Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN), Stand 12/2024, insbesondere der in Gruppe 2 oder Gruppe 3 als sehr bienentoxisch oder sehr bioakkummulierend und sehr persistent in Wasser, Böden oder Sedimenten genannten Stoffe sowie an Einstufungen von Pestiziden in der EU-Datenbank oder CLP-Verordnung als kanzerogen oder reproduktionstoxisch (hier: Pirimiphos-methyl, Captan-Metabolit); c) ein deklarierter Gehalt an Zucker von mehr als 12,5 Gramm pro Portion, welcher die WHO-Empfehlung von maximal 25 Gramm Zucker täglich mit einer Portion zu mehr als 50% ausschöpft. Zugrunde gelegt wurde eine durchschnittliche Energiezufuhr eines Erwachsenen von 2.000 Kilokalorien. Portionsgröße ist jeweils ein Stück; d) natürliches Aroma und/oder Aroma; e) Phosphate; f) Carboxymethylcellulose.

Bewertung Testergebnis Weitere Mängel: Unter dem Testergebnis Weitere Mängel führt zur Abwertung um eine Note: a) eine Abweichung des deklarierten Gesamtfettgehalts vom im Labor ermittelten Wert von mehr als ±20 Prozent bei deklarierten Fettgehalten von 10 bis 40 g pro 100 g. Diese Bewertung basiert auf dem EU-Leitfaden für Toleranzen zur Nährwertdeklaration für zuständige Behörden. Das Gesamturteil beruht auf dem Testergebnis Inhaltsstoffe. Ein Testergebnis Weitere Mängel, das "gut" ist, verschlechtert das Gesamturteil nicht.

Testmethoden 

Gesamtzucker: titrimetrisch (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen bzw. in Einzelfällen aus einer Packung oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Gesamtfett: gravimetrisch nach Säureaufschluss (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen bzw. in Einzelfällen aus einer Packung oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Fettsäureverteilung: nach Fettextraktion mittels DGF C-VI 10a (00) und 11d (19): 2013/2019 (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Mineralölbestandteile: ISO 20122:2024-04 mod., die Modifikation betrifft die Epoxidierung und eine zusätzliche Aufreinigung. (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
3-MCPD-Ester/Glycidylester: nach DGF C-VI 18:2010 mod., die Modifikation betrifft die Messung mittels Automatisierung (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Polare Anteile: nach Fettextraktion mittels DGF C-III 3e:2006 (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Säurezahl: nach Fettextraktion mittels ASU L 13.00-5:2021-06 (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen bzw. in Einzelfällen aus einer Packung oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware bzw. in Einzelfällen aus 5 Stück).
Polymere Triglyceride: nach Fettextraktion mittels DGF C-III 3c : 2020 (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Pestizide: ASU L 00.00-34 : 2010-09 (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Glyphosat: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Chlormequat/Mepiquat: ASU L 00.00-76:2008-12 (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen oder Bestimmung aus 9 Stück bei loser Ware).
Mykotoxine: LC-MS/MS (Bestimmung im homogenisierten Probenmaterial aus drei Packungen).
Stückgewicht: bei loser Ware, gravimetrisch (Bestimmung aus 1 Stück).

Einkauf der Testprodukte: November - Dezember 2024 

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