Die Zulassung des umstrittenen Unkrautvernichters Glyphosat wird in der EU um zehn weitere Jahre verlängert. Es werde aber neue Auflagen und Einschränkungen geben, teilte die EU-Kommission am Donnerstag in Brüssel mit. Die derzeitige Zulassung wäre Mitte Dezember ausgelaufen.
Zuvor hatten sich in einem EU-Berufungsausschuss weder genug Vertreter der EU-Staaten für noch gegen einen weiteren Einsatz des Mittels ausgesprochen (siehe auch: Keine Mehrheit: EU-Kommission erneuert Glyphosat-Zulassung zunächst nicht). Deutschland hatte sich der Abstimmung im Berufungsausschuss wegen unterschiedlicher Ansichten enthalten. Daraufhin konnte die EU-Kommission im Alleingang entscheiden – zugunsten einer Verlängerung.
Streit gab (und gibt) es unter anderem darüber, ob Glyphosat möglicherweise krebserregend ist. Zudem stehen Gefahren für die Umwelt im Raum. Eine aufwendige Untersuchung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hatte jüngst keine inakzeptablen Gefahren gesehen – aber auf Datenlücken in mehreren Bereichen hingewiesen.
Glyphosat verlängert – trotz bekannter Datenlücken
Zu den Aspekten, die nicht abschließend geklärt wurden, gehören laut Efsa etwa ernährungsbedingte Risiken für Verbraucher und die Bewertung der Risiken für Wasserpflanzen.
Zu den geplanten Einschränkungen in Bezug auf Glyphosat hieß es von der EU-Kommission, es seien unter anderem folgende neue Maßnahmen vorgesehen:
- Glyphosat soll nicht mehr als Trocknungsmittel (z.B. mit der Absicht, den Erntezeitpunkt besser zu steuern) eingesetzt werden dürfen.
- Für fünf Verunreinigungen, die in Glyphosat vorkommen können, sollen Grenzwerte definiert werden, um Menschen und Umwelt besser zu schützen.
- Glyphosat-Hersteller (wie Bayer) sollen verpflichtet werden, innerhalb eines bestimmten Zeitraums Informationen über mögliche indirekte Auswirkungen ihres Unkrautvernichters auf die biologische Vielfalt vorzulegen.
- Es sollen Höchstausbringungsmengen festgelegt werden. Die allerdings überschritten werden dürfen, wenn konkrete Risikobewertung für bestimmte beantragte Verwendungszwecke vorliegen, die nachweisen, dass kleine pflanzenfressende Säugetiere (wie Wühlmäuse) dadurch nicht zu Schaden kommen.
Die Kommission betonte zugleich, dass die einzelnen EU-Staaten Glyphosat weiterhin auf nationaler und regionaler Ebene einschränken könnten.
Glyphosat-Verlängerung: Das sagt ÖKO-TEST
Umweltschützer und Verbraucherverbände sind von der Entscheidung der EU-Kommission enttäuscht, Glyphosat weiter zu erlauben. Sie fordern schon lange ein Verbot des umstrittenen Mittels.
"Die EU hat heute eine riesige Chance vertan. Dass Glyphosat für weitere zehn (!) Jahre erlaubt bleiben soll – und das ohne qualifizierte Mehrheit –, ist ein Skandal", sagt ÖKO-TEST-Chefredakteurin Kerstin Scheidecker. "Wie großflächig das Herbizid gesprüht wird, sehen wir in unseren Tests, in denen wir regelmäßig auf Glyphosat stoßen – ob es dabei um Müsli geht, Spaghetti, Hummus oder schwarzen Tee, um nur einige wenige Lebensmittel zu nennen."
Glyphosat bleibt erlaubt: Weitere Reaktionen
Nach dem Beschluss der EU-Kommission äußerten sich sowohl Gegner als auch Befürworter der Glyphosat-Verlängerung:
- Hersteller Bayer begrüßte die Entscheidung erwartungsgemäß: "Diese erneute Genehmigung ermöglicht es uns, Landwirten in der gesamten Europäischen Union weiterhin eine wichtige Technologie für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stellen zu können", teilte der Konzern mit.
- Auch der Vorsitzende des Agrarausschusses im EU-Parlament, Norbert Lins (CDU), nannte die Verlängerung einen wichtigen Schritt für die europäische Landwirtschaft.
- Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) zeigte sich hingegen unzufrieden. "Ich bedauere das sehr", ließ sich der Politiker zitieren. Wenn man für eine Wiederzulassung sei, hätte man dies auch sehr restriktiv für einen kürzeren Zeitraum machen können. Özdemir will nun auf mögliche nationale Schritte setzen. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien ist festgehalten: "Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt."
- Christine Vogt vom Umweltinstitut München kritisierte, der Kommission fehle das politische Mandat, das Pestizid weiterhin zuzulassen.
- Die Umweltschutzorganisation WWF betonte, entscheidend sei, wie die angekündigten Einschränkungen ausfielen und welchen Spielraum sie den EU-Mitgliedsländern ließen.
- Die Verbraucherorganisation Foodwatch nannte die Entscheidung auf X (früher Twitter) eine "Katastrophe für Umweltschutz und Artenvielfalt".
- Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) teilte auf der gleichen Plattform mit: "Brüssel geht einen falschen Weg." Und forderte: "Wenn nicht in Europa, dann national!".
- Die Umweltschützer von Greenpeace teilten mit: "Ein trauriger Tag für Europa, denn Regierungen haben sich entschieden, die Wissenschaft zu ignorieren und die Menschen im Stich zu lassen, insbesondere die Opfer von Glyphosat."
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